Seitenbanner

Brief vom 29. Januar 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


571.


[299]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Paris.[1]

Versaille den 29 Januari 1713.
Hertzallerliebe Louisse, ich bin in todtesängsten, auch so, daß ich dieße nacht nicht davor habe schlaffen können, den die post von Hannover ist gantz außgeblieben. Ich werde weder rast noch ruhe haben, biß ich wieder schreiben von ma tante bekomme. Ich kan keine ursach erdencken, so die posten nun auffhalten kan, weillen sie bißber unahngesehen der bößen wege undt wetter, ja gar, da die gewäßer überloffen wahren, die brieffe gantz richtig undt woll überkommen, kan also nichts anderst gedencken, alß daß ma tante bey dießem wetter krank geworden undt daß Ihr so erschrocken drüber seydt, daß Ihr mir nicht habt schreiben kont. Allerhandt betrübte undt traweriche gedancken fahrn mir durchs hirn, daß ich nicht dawern kan, undt wie ich bey ma tante selber [300] nicht lamantiren will, den ich weiß, wie sehr unßere liebe churfürstin daß lamantiren hast, komme also, mein hertz bey Eüch auß zu schütten. Ich bin heütte noch gar zu unlustig, umb auff I. L. hertzogs Anthon Ulrich schreiben zu andtwortten könne[n], werde heütte nur ma tante undt Eüch, liebe Louisse, entre[te]niren undt mein dochter. Oh, gott seye es ewig gedanckt! In dießem augenblick kompt mein courier von Paris undt bringt mir ein gnädig schreiben von ma tante vom 16 dießes monts. Ein stalknecht hatt es im stall vergeßen. Dießes ist nur daß erste mahl, also habe ichs ihm verziehen, aber thut er den possen noch einmahl, werde ich ihn gar gewiß wegjagen laßen; ich glaube nicht, daß es mehr geschicht. Ich bin nun wider gantz getröst. Ich glaube, ich habe Eüch nicht gesagt, daß ich in der vergangen woche zwey von Ewern lieben schreiben entpfangen habe, eines vom 6, daß ander vom 13 dießes monts. Mein intention ist zwar geweßen, heütte eine ordentlich andtwort zu thun, aber ma tante gnädiges schreiben verhindert mich dran. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, schreibt mir doch, so baldt es Eüch möglich sein wirdt, ob es war ist, daß die violetblaue brillants waß rares in Teütschlandt sein, wie man mirs persuadiren will! dieße werden nun sehr a la mode hir.[2] Waß meine gesundtheit ahnbelangt, so ist keine große verenderung bey mir. Wen ich nicht gehe, fühle ich keine schmertzen; gehe ich aber, so thut mir die lenden, der börtzel eygendtlich, recht wehe, alß wen man mir den knochen zertheillen wolte. In den knien, wen ich gehe oder die reverentz machen will, fülle ich so große schmertzen, daß ich schreyen mögte. Ich schlaff auch noch alle augenblick ein, derowegen wirdt man mir abermahl wider morgen zur ader laßen. Ich bin alles daß brauchen unerhört müde, wie leicht zu glauben ist; es verleydt mir daß leben undt macht mich gantz melancolisch. Ich hette noch lang zu blaudern, wen ich der zeit hette; den mich deücht, ich hette noch gar viel zu sagen, aber heüte ist es mir durchauß ohnmöglich. Aber ich will einmahl ein tag in der wochen expresse vor Eüch nehmen, liebe Louise, umb Eüch einmahl einen rechten langen brieff [zu] schreiben von alles, waß mir in kopff kompt. Es ist mir recht lieb, daß Ihr die gräffin von [301] Buckeburg zur cammerrahtin habt, mache Eüch mein compliment drüber undt versichere Eüch, daß Eüch nichts begegenen kan, es mag gutt oder böß sein, worin ich nicht mitt part nehme; wir seindt einander zu nahe, umb daß es anderst sein könte. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen, undt so lang ich lebe, werde ich sein undt bleiben, wie Ihr mich kendt, undt Eüch von hertzen lieb behalten.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Januar 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 299–301
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0571.html
Änderungsstand:
Tintenfass