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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 2 Mertz 1713.
Hertzallerliebe Louisse, ich hatte gehofft, daß, weillen der
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könig gestern medecin genohmen,
[1] daß I. M. erst morgen jagen
würden undt ich also zeit finden, Eüch einsmahls einen raisonablen
brieff zu schreiben; aber le diable au contretemps,
[2] wie man es
hir heist, hatt dießes endern machen undt wir haben heütte gejagt,
habe erst umb 3 zu mittag geßen, hernach ahn ma tante
geantwortet undt 14 bogen geschrieben, bleibt mir also gar wenig zeit
überig. Ich bin noch matt undt schlimer auff die beine, alß nie,
aber daß irret mich wenig. Daß mein sohn daß 3tagige fieber gar
starck zu Paris hatt, ligt mir mehr ahn. Morgen ist sein beßer
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tag undt ich werde ihn besuchen, werde abendts wider her;
continuirt aber seine kranckheit, werde ich auch nach Paris. Man hatt
ihm heütte zur ader gelaßen. Verlest ihn aber daß fieber morgen,
so werde ich zu Versaille bleiben, den übermorgen gehen wir wider
von hir dorthin. Hatt Eüch die arme fraw von Bernstein, die
Anna Ottillie, nicht sehr gejammert? Mich hatt sie recht gejamert.
Die arme Rotzeheusserin were auch schir gestorben ahn einer
ohnmacht undt schwindel, man ist ihr aber zur zeit zu hülff kommen
mitt aderlaßen undt hemetique,
[3] ist wider beßer. Ein violetter
demant ist kein ametist gar nicht, sondern ein rechter demant, wie
Ihr werdet gesehen haben.
[4] Gott gebe nur, daß er ma tante
gefahlen mag! Meine hoffnung ist wegen der raritet. Nur bitte
ich Eüch, mir die rechte warheit zu sagen, ob daß arme
demantgen gefahlen hatt oder nicht! war doch gutt gemeint. Ich hatte
gehofft, waß neües zu schicken, so noch nicht gesehen worden.
Hir sicht man sie nur seyder 30 jahr, aber der könig hatt einen
allein, gar ein großen demant, etlich jahr hernach suchte man einen
vor die königin, welcher aber nicht so groß war; wo dießer
herkompt, weiß ich nicht. Ich habe mich ich
[5] mein carn[a]val woll
nicht versündigt durch zu großen freuden, habe nicht einmahl ein
violon gehört, auch kein eintzige masque gesehen. Adieu, liebe
Louisse! Ich glaube, daß ahn allen den nur ist, wie man es
braucht, daß es criminel kan sein undt auch unschuldig nach dem,
so sich divertiren, die sach threhen. Adieu, hertzliebe Louisse!
Seidt versichert, daß ich nie auffhören werde, Eüch hertzlieb
[6] lieb
zu haben, biß ich auffhören werde, zu leben!