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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 10 May 1713.
Hertzallerliebe Louisse, vor 8 tagen, da wir von Versaille weg
fuhren, entpfinge ich Ewer liebes schreiben vom 28 April, habe aber
ohnmögiich eher, alß heütte, drauff andtwortten können. Den
andern tag, alß donnerstag, konte ich kaum zeit finden, ahn ma tante,
unßer liebe fraw churfürstin, undt den gutten hertzog von
Wolffenbüttel zu andtwortten, den wir thaten eine gar lange undt
heßliche hirschjagt. Freytag fuhr ich nach Paris, mein sohn undt seine
gemahlin zu besuchen, so seyder dinstag dort wahren, sambstag
schriebe ich ahn die königin in Spanien durch einen expressen,
auch ahn mein dochter durch einen expressen, undt alles, waß hir
ist, kam mich besuchen. Sontag muste ich wider ahn ma tante
undt mein dochter schreiben, montag hatt ich ahn 3 königinen zu
schreiben, die 2 von Spanien undt die zukünfftige königin von
Sicillen, nehmblich unßere hertzogin von Savoyen. Gestern hatte ich
eine widerliche occupation, man gab mir eine starcke medecin, so
mich 12 mahl starck purgirte mitt so abscheulichen grimmen, daß
ich gantz kranck undt matt davon bin. Die vor-8tagige aderlaß
hatte mich schon geschwächt undt den apetit benohmen, aber die
gesterige medecin hatt es gar außgemacht, ich bin wie gerädert,
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kan kein viertel-stundt weder gehen noch stehen. Es gereüwet
mich zu haben persuadiren laßen. Ich schreibe Eüch heütte, den
morgen werde ich es ohnmöglich können, den man wirdt wider auff
die hirschjagt; aber ich will doch nicht, daß die freytagspost ohne
von meinen brieffen vor Eüch erscheinen solle. Ich weiß nicht,
waß vor quinten die auff der post haben, ma tante meine paquetten
zwey undt zwey zu geben, es verdriest mich recht. I. L. ihre
kommen gar richtig hir ahn, weiß nicht, warumb die meinen so
übel gehen. Ma tante meindt, es were, weillen die wäßer
überloffen, aber wen es daß were, so würde ich ja die brieff nicht so
richtig bekommen können, den es ist ja derselbe weg hin undt her.
Vom husten bin ich, gott lob, befreyet, liebe Louisse, aber die
aderlaß undt medecin, wie schon gesagt, haben mich ellendt zugericht.
Ich begreiffe gar woll, wie man gern allein ist, wen man zu
schreiben hatt, daß geschicht mir aber selten. Weillen ich heütte nichts
von Eüch entpfangen, liebe Louisse, so fürchte ich, daß Eüch daß
3tagige fieber kommen. In dießer jahrszeit ist es doch ordinarie
nicht gefährlich, insonderheit ahn leütte, so nicht alt sein. Ma
tante schreibt mir in dero wehrtes schreiben, so ich heütte
entpfangen, wie die reiße von Saltzthal
[1] gebrochen ist, weillen der
hertzog zur keyßerin reist, also werdet Ihr zeit haben, Eüch gantz
zu couriren; wünsche von hertzen, baldt zu vernehmen, daß Ihr
wider in volkommener gesundtheit seydt undt noch mehr, daß Ihr lange
jahren dabey bleiben möget mitt viellem vergnügen; volkommen
vergnügen kan in dießer weldt nicht sein. Ich habe einmahl einen
hertzog von Meiningen hir gesehen, man hatt mir ihn schön
beschriben, ich funde ihn aber recht heßlich, blaffar,
[2] blawe runde
augen undt ein blatt gesicht wie ein theller. Ist es der, so
gestorben? Aber ich bin ein nar, sehe da, das es die hertzogin
undt nicht der hertzog ist, so gestorben. Ordinari, wen man sich
auß lieb heüraht, wirdt hernach ein haß drauß; ich weiß viel
exempel hirvon, die ich mitt meinen augen gesehen. Ordinarie,
wen man viel ahn der haut künstelt, verdirbt man sie gantz, so ist
es meiner fraw mutter s. gangen. Ich habe mich mein tag nicht
von schönheit piquirt undt nichts nach meiner hautt gefragt, sonst
würde ich nicht 30 jahr lang zu allen zeitten gejagt haben, wie ich
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gethan. Da kommen viel damen herrein undt auch cavalier, muß
wider willen schließen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen
undt versichere Eüch, liebe Louisse, daß ich gott vor Ewere
gesundtheit bitte undt Eüch von hertzen lieb behalte.