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Brief vom 10. Mai 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


576.


[306]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 10 May 1713.
Hertzallerliebe Louisse, vor 8 tagen, da wir von Versaille weg fuhren, entpfinge ich Ewer liebes schreiben vom 28 April, habe aber ohnmögiich eher, alß heütte, drauff andtwortten können. Den andern tag, alß donnerstag, konte ich kaum zeit finden, ahn ma tante, unßer liebe fraw churfürstin, undt den gutten hertzog von Wolffenbüttel zu andtwortten, den wir thaten eine gar lange undt heßliche hirschjagt. Freytag fuhr ich nach Paris, mein sohn undt seine gemahlin zu besuchen, so seyder dinstag dort wahren, sambstag schriebe ich ahn die königin in Spanien durch einen expressen, auch ahn mein dochter durch einen expressen, undt alles, waß hir ist, kam mich besuchen. Sontag muste ich wider ahn ma tante undt mein dochter schreiben, montag hatt ich ahn 3 königinen zu schreiben, die 2 von Spanien undt die zukünfftige königin von Sicillen, nehmblich unßere hertzogin von Savoyen. Gestern hatte ich eine widerliche occupation, man gab mir eine starcke medecin, so mich 12 mahl starck purgirte mitt so abscheulichen grimmen, daß ich gantz kranck undt matt davon bin. Die vor-8tagige aderlaß hatte mich schon geschwächt undt den apetit benohmen, aber die gesterige medecin hatt es gar außgemacht, ich bin wie gerädert, [307] kan kein viertel-stundt weder gehen noch stehen. Es gereüwet mich zu haben persuadiren laßen. Ich schreibe Eüch heütte, den morgen werde ich es ohnmöglich können, den man wirdt wider auff die hirschjagt; aber ich will doch nicht, daß die freytagspost ohne von meinen brieffen vor Eüch erscheinen solle. Ich weiß nicht, waß vor quinten die auff der post haben, ma tante meine paquetten zwey undt zwey zu geben, es verdriest mich recht. I. L. ihre kommen gar richtig hir ahn, weiß nicht, warumb die meinen so übel gehen. Ma tante meindt, es were, weillen die wäßer überloffen, aber wen es daß were, so würde ich ja die brieff nicht so richtig bekommen können, den es ist ja derselbe weg hin undt her. Vom husten bin ich, gott lob, befreyet, liebe Louisse, aber die aderlaß undt medecin, wie schon gesagt, haben mich ellendt zugericht. Ich begreiffe gar woll, wie man gern allein ist, wen man zu schreiben hatt, daß geschicht mir aber selten. Weillen ich heütte nichts von Eüch entpfangen, liebe Louisse, so fürchte ich, daß Eüch daß 3tagige fieber kommen. In dießer jahrszeit ist es doch ordinarie nicht gefährlich, insonderheit ahn leütte, so nicht alt sein. Ma tante schreibt mir in dero wehrtes schreiben, so ich heütte entpfangen, wie die reiße von Saltzthal[1] gebrochen ist, weillen der hertzog zur keyßerin reist, also werdet Ihr zeit haben, Eüch gantz zu couriren; wünsche von hertzen, baldt zu vernehmen, daß Ihr wider in volkommener gesundtheit seydt undt noch mehr, daß Ihr lange jahren dabey bleiben möget mitt viellem vergnügen; volkommen vergnügen kan in dießer weldt nicht sein. Ich habe einmahl einen hertzog von Meiningen hir gesehen, man hatt mir ihn schön beschriben, ich funde ihn aber recht heßlich, blaffar,[2] blawe runde augen undt ein blatt gesicht wie ein theller. Ist es der, so gestorben? Aber ich bin ein nar, sehe da, das es die hertzogin undt nicht der hertzog ist, so gestorben. Ordinari, wen man sich auß lieb heüraht, wirdt hernach ein haß drauß; ich weiß viel exempel hirvon, die ich mitt meinen augen gesehen. Ordinarie, wen man viel ahn der haut künstelt, verdirbt man sie gantz, so ist es meiner fraw mutter s. gangen. Ich habe mich mein tag nicht von schönheit piquirt undt nichts nach meiner hautt gefragt, sonst würde ich nicht 30 jahr lang zu allen zeitten gejagt haben, wie ich [308] gethan. Da kommen viel damen herrein undt auch cavalier, muß wider willen schließen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, liebe Louisse, daß ich gott vor Ewere gesundtheit bitte undt Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Mai 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 306–308
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0576.html
Änderungsstand:
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