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Brief vom 3. Juni 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


579.


[310]
Versaille den 3 Juni 1713.
Hertzallerliebe Louisse, vergangenen donnerstag habe ich Ewer liebes schreiben vom 22 May zu recht entpfangen. Weillen wir aber erst von Marly wider kammen, habe ich mich wider hir einrichten müßen, ein par brieff ahn meine leütt nach Paris schicken undt einen ahn ma tante außschreiben, so ich zu Marly morgendts ahngefangen hatte; deßwegen habe ich Eüch nicht geantwort undt es vor die morgende post verspart. Ich muß lachen, daß Ihr eine bawern-kirbe[1] vor eine generositet halt; wen daß generositeten sein, kan man gar wollfeil genereux werden. Ihr seydt gar zu gutt, eine solche bagatelle mitt so großen freüden ahnzunehmen, alß [311] wan es waß besonders were. Versaille ist keine statt, nur ein flecken, also können die kirben von hir nur bauern-kirben sein. Mich freüets, liebe Louise, daß dieße bagatellen Eüch ahngenehm geweßen. Ihr macht mich bang vor Ewer neveu,[2] daß er die zehrung bekommen möge, welche den Engländern gar gefahrlich ist. Wen ihm dieße kranckheit ahnkäme, daß er in gefahr were, so soltet Ihr ihn nach Monpeliar[3] schicken, den gar viel Engländer seindt dort courirt worden, nur bloß in derselbigen lufft zu sein. Nichts ist weniger rar, alß waß ich Eüch geschickt. Ich will Eüch nicht betrigen, solche schachtelger undt ringelger hatt man hir bey hunderten undt gar nicht kostbar, meritirt [keinen großen dank]; also habt Ihr mir, liebe Louise, viel mehr davor gedankt, alß die sach werdt ist. Ich bin von hertzen fro, daß Ihr wider bey volkommener gesundtheit seydt. Gott der allmächtige erhalte Eüch lange jahren dabey! In meinem sin ist nichts gesunder, alß reißen, insonderheit bey schönne.[4] Were ich mein eygen herr, würde ich offt reißen. Ich bin nun all zimblich woll, waß daß ersticken betriefft undt daß zu vielle schlaffen, aber ich leyde noch unerhört in den knien undt füßen. Mitt artzeneyen undt aderlaßen wirdt man mich so baldt nicht ertapen, mir deücht es gar nicht; die ersten waren apropo, aber die letzten gar ungereimbt. Ich komme viel eher zu kräfften, wen man mir nichts braucht. Ich thue nicht allezeit, waß die docktor wollen, den mein glauben ahn alle docktoren ist gar schlegt.[5] Ich kan leicht begreiffen, daß man wenig zeit, zu schreiben, hatt, wen man eine reiße vor hatt undt schleünig verreist. Auß waß ursachen solte der duc von Chomberg seinem sohn nicht erlauben, seine leibliche tante zu sehen? Seine troupen werden diß jahr ja nicht in krieg gehen, solte also freyheit haben, hin zu gehen, wo er will. Ihr müst ihn sehr geendert gefunden haben, den die mansleütte endern mehr in 15 jahren, alß die weiber, wegen deß barts. Ich habe eine dame bey mir, so man die marechalle de Clerembeau[6] heist, ist monsieur s. kinderhoffmeisterin geweßen. Die hatt sich einmahl vom bludtspeyen ohne einig remede courirt, mitt nichts, alß ein gantz jahr zu sein, ohne ein [312] wort zu sprechen, sprach nur durch zeichen undt deütten, undt wen man sie nicht recht verstundt, so schriebe sie, waß sie wolte, aber kein wort noch thon ging auß ihrem mundt. Mitt sein leiblichen neveu zu reißen, ist ohne scandal. Es ist eben, alß wens Ewer sohn were, hettet also gar woll mitt ihm nach Gent gekönt. Danckt ihn sehr, wen Ihr ihm schreiben werdt, vor sein ahndencken undt versichert ihn, daß er gar wilkommen bey mir sein wirdt! Ich glaube, daß er von gutt naturel ist, weillen er Eüch lieb hatt. Ich mach Eüch mein compliment über Ewere 2 tanten todt, aber die fraw von Welten beklage ich ahm meisten. Wo mir recht ist, so war es freüllen Charlotte;[7] die muß gar alt geweßen sein, den ich bin nun 61 jahr alt undt habe sie nie jung gesehen; sie war alter, alß Ewer fraw mutter. Die fraw von Degenfelt, war es herr Max fraw oder deß obersten Degenfelt seine? Herr Hannibal ist, glaube ich, ungeheüraht gestorben.[8] Nichts ist betrübter, alß gutte freündt verliehren, daß ersetzt sich nie.[9] Gott erhalte ma tante, unßere liebe churfürstin, bey volkommener gesundtheit! Es war kein eintziger fehler in Ewerm schreiben, ich wünsche, da[ß] so wenig in dießem sein mögen. Wir haben gar nichts neües hir. Ich muß schließen, den weillen es morgen Pfingsten ist, gehe ich zum h. abendtmahl, muß mich also dazu bereydten. Ich schreibe Eüch heütte, weillen ich morgen ahn ma tante undt mein dochter zu schreiben habe undt wegen deß fest lang in der kirchen werde sein müßen, kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Euch allezeit von hertzen lieb behalte, liebe Louise, ambrassire Eüch von hertzen.
P. S.
Sontag den 4 Juni.
Wie ich eben vom heylligen abendtmahl auß der kirch komme, [313] entpfange ich Ewern lieben brieff vom 26 May, kan aber heütte ohnmöglich andtwortten, werde es vor eine andere post ersparen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juni 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 310–313
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0579.html
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