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Versaille den 3 Juni 1713.
Hertzallerliebe Louisse, vergangenen donnerstag habe ich Ewer
liebes schreiben vom 22 May zu recht entpfangen. Weillen wir
aber erst von Marly wider kammen, habe ich mich wider hir
einrichten müßen, ein par brieff ahn meine leütt nach Paris schicken
undt einen ahn ma tante außschreiben, so ich zu Marly morgendts
ahngefangen hatte; deßwegen habe ich Eüch nicht geantwort undt
es vor die morgende post verspart. Ich muß lachen, daß Ihr eine
bawern-kirbe
[1] vor eine generositet halt; wen daß generositeten
sein, kan man gar wollfeil genereux werden. Ihr seydt gar zu
gutt, eine solche bagatelle mitt so großen freüden ahnzunehmen, alß
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wan es waß besonders were. Versaille ist keine statt, nur ein
flecken, also können die kirben von hir nur bauern-kirben sein.
Mich freüets, liebe Louise, daß dieße bagatellen Eüch ahngenehm
geweßen. Ihr macht mich bang vor Ewer neveu,
[2] daß er die
zehrung bekommen möge, welche den Engländern gar gefahrlich ist.
Wen ihm dieße kranckheit ahnkäme, daß er in gefahr were, so
soltet Ihr ihn nach Monpeliar
[3] schicken, den gar viel Engländer
seindt dort courirt worden, nur bloß in derselbigen lufft zu sein.
Nichts ist weniger rar, alß waß ich Eüch geschickt. Ich will Eüch
nicht betrigen, solche schachtelger undt ringelger hatt man hir bey
hunderten undt gar nicht kostbar, meritirt [keinen großen dank];
also habt Ihr mir, liebe Louise, viel mehr davor gedankt, alß die
sach werdt ist. Ich bin von hertzen fro, daß Ihr wider bey
volkommener gesundtheit seydt. Gott der allmächtige erhalte Eüch
lange jahren dabey! In meinem sin ist nichts gesunder, alß reißen,
insonderheit bey schönne.
[4] Were ich mein eygen herr, würde
ich offt reißen. Ich bin nun all zimblich woll, waß daß ersticken
betriefft undt daß zu vielle schlaffen, aber ich leyde noch unerhört
in den knien undt füßen. Mitt artzeneyen undt aderlaßen wirdt
man mich so baldt nicht ertapen, mir deücht es gar nicht; die
ersten waren apropo, aber die letzten gar ungereimbt. Ich komme
viel eher zu kräfften, wen man mir nichts braucht. Ich thue nicht
allezeit, waß die docktor wollen, den mein glauben ahn alle
docktoren ist gar schlegt.
[5] Ich kan leicht begreiffen, daß man wenig
zeit, zu schreiben, hatt, wen man eine reiße vor hatt undt schleünig
verreist. Auß waß ursachen solte der duc von Chomberg seinem
sohn nicht erlauben, seine leibliche tante zu sehen? Seine troupen
werden diß jahr ja nicht in krieg gehen, solte also freyheit haben,
hin zu gehen, wo er will. Ihr müst ihn sehr geendert gefunden
haben, den die mansleütte endern mehr in 15 jahren, alß die
weiber, wegen deß barts. Ich habe eine dame bey mir, so man die
marechalle de Clerembeau
[6] heist, ist monsieur s.
kinderhoffmeisterin geweßen. Die hatt sich einmahl vom bludtspeyen ohne einig
remede courirt, mitt nichts, alß ein gantz jahr zu sein, ohne ein
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wort zu sprechen, sprach nur durch zeichen undt deütten, undt wen
man sie nicht recht verstundt, so schriebe sie, waß sie wolte, aber
kein wort noch thon ging auß ihrem mundt. Mitt sein leiblichen
neveu zu reißen, ist ohne scandal. Es ist eben, alß wens Ewer
sohn were, hettet also gar woll mitt ihm nach Gent gekönt. Danckt
ihn sehr, wen Ihr ihm schreiben werdt, vor sein ahndencken undt
versichert ihn, daß er gar wilkommen bey mir sein wirdt! Ich
glaube, daß er von gutt naturel ist, weillen er Eüch lieb hatt. Ich
mach Eüch mein compliment über Ewere 2 tanten todt, aber die
fraw von Welten beklage ich ahm meisten. Wo mir recht ist, so
war es freüllen Charlotte;
[7] die muß gar alt geweßen sein, den
ich bin nun 61 jahr alt undt habe sie nie jung gesehen; sie war
alter, alß Ewer fraw mutter. Die fraw von Degenfelt, war es herr
Max fraw oder deß obersten Degenfelt seine? Herr Hannibal ist,
glaube ich, ungeheüraht gestorben.
[8] Nichts ist betrübter, alß
gutte freündt verliehren, daß ersetzt sich nie.
[9] Gott erhalte ma
tante, unßere liebe churfürstin, bey volkommener gesundtheit! Es
war kein eintziger fehler in Ewerm schreiben, ich wünsche, da[ß]
so wenig in dießem sein mögen. Wir haben gar nichts neües hir.
Ich muß schließen, den weillen es morgen Pfingsten ist, gehe ich
zum h. abendtmahl, muß mich also dazu bereydten. Ich schreibe
Eüch heütte, weillen ich morgen ahn ma tante undt mein dochter
zu schreiben habe undt wegen deß fest lang in der kirchen werde
sein müßen, kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Euch
allezeit von hertzen lieb behalte, liebe Louise, ambrassire Eüch von
hertzen.
P. S.
Sontag den 4 Juni.
Wie ich eben vom heylligen abendtmahl auß der kirch komme,
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entpfange ich Ewern lieben brieff vom 26 May, kan aber heütte
ohnmöglich andtwortten, werde es vor eine andere post ersparen.