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Brief vom 12. August 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


588.


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Marly den 12 Augusti 1713, umb halb 9 abendt.
Hertzallerliebe Louisse, damitt Ihr segt, daß ich eine fraw von parolle bin, so wirdt hinfüro kein sontagspost mehr vorbeygehen, daß Ihr einen langen oder kurtzen brieff von mir bekommen werdet. Meine brieffe, liebe Louisse, seindt zu langweillig, umb doppelt geleßen zu werden, bin doch fro, das sie Eüch gefallen undt trost geben können. Mich deücht, wen man nicht exact auff die schreiben andtwortet, ist es keine conversation, undt wen man einander schreibt, ist es ja nur, alß wen man mich[1] einander spricht.[2] Ich spiele nicht, kan auch nicht arbeytten, bin zu ungeschickt dazu,[3] thue nichts, alß leßen undt schreiben, daß ist alle meine occupation, macht mir gar kein verdruß; aber ich schreib gern ahn die, so mir lieb sein, ahn andere schreib ich gar nicht gern, aber ahn ma tante undt Eüch schreibe ich ohne den geringsten verdruß noch mühe. Ey, liebe Louisse, wovor wolt Ihr so danckbar sein? Ich bin ja nie so glücklich geweßen, gelegenheit zu finden, Eüch guts zu thun. Von der wolffenbüttelische hochzeit werde ich nichts mehr sagen, die ist vorbey. Ich kan woll begreiffen, daß nach 14tagige verenderung man sich auch wider nach hauß wünscht, allein mir deücht, daß das leben dort, wie die stunden außgetheilt sein, beßer mein sach were, alß wie sie hir undt zu Hannover sein. Wie ich im ahnfang hir so spät aß, bekamme ich ein abscheülich fieber, nun aber bin ichs zwar gewohnt. Ich bin fro, daß ma tante nicht lenger blieben, weillen es I. L. geschat hatt. 3 mahl die woche stehe ich umb 8 auff, all überige zeit umb 9; lest man mich lenger schlaffen, so wirdt mir der kopff schwer undt thum, ich kan [330] daß lange schlaffen nicht außstehen. Alle nacht gehe ich erst umb 1 nach bett, den wir seindt offt nach dem eßen von 11 biß nach 3 virtel auff 12 ins königs cabinet; also secht Ihr woll, liebe Louisse, daß ich keine mühe haben würde, mich ahn daß wolffenbüttelsche leben zu gewohnen. Ich gehe gern in der sonne spatziren, die nachtlufft lieb ich nicht; wie ich noch gehen konte, ging ich alß nach hauß gleich nach der sonnen untergang. Aber es schlegt 10, ich muß zum nachteßen.
Sontag den 18 Augusti, umb halb 10 morgendts.
Mich wundert, daß der churprintz undt churprintzes nicht zu Hernhaussen eßen; den weillen sie so spat bleiben, muß es über 11 sein, ehe sie nach Hannover kommen, können also nicht vor halb 12 zu nacht eßen,[4] welches zu spät ist vor eine person, so erst auß dem kindtbett kompt, wie I. L. die churprintzes. Ma tante thut gar woll, die stiegen nicht mehr zu steygen, den nichts ist fatiganter; vorgestern habe ichs erfahren, wie ich nach Challiot[5] kam, da war die königin von Engellandt ahn ihre toillette, muste also die große stiege auff- undt absteigen, ich fühle es noch in den schenklen. Daß gehen fürcht ich nicht vor I. L., aber woll die feygen, den die indigestionen seindt gefahrlich vor leütte von ihrem alter. Der gutte abbé Reigné,[6] der so artige vers macht, die ich ma tante schicke, were dießer tagen schir gestorben, ist noch gar kranck, hatt sich eine indigestion geben mitt zu viel melonen eßen. Daß gehen könte ich I. L. gar nicht nachthun, den ich kan nicht mehr woll gehen; aber außer meine knie undt schenckel, woran ich großen schmertz [leide], aber auß diß[7] bin ich, gott lob, in gar volkommener gesundtheit. Ich fürchte, daß daß kniewehe all mein leben dauern wirdt. Mich wundert, daß ein Teütscher so gutt Englisch hatt lehrnen können, in der sprach zu predigen dörffen, den mir [331] kompt sie sehr schwer vor. Ich hette lachen müßen, wen ich gehört, daß dießer pfarrer gesagt, unßere liebe churfürstin konte einen jungen man noch müde [machen]; durch die equivoque sehe ich, daß er ein lustiger kautz muß sein. Es ist kein wunder, daß die königin Anne nicht woll gehen kan, sie hatt ja daß pottegram. Gott der allmächtige erhalte unßere liebe churfürstin noch manche jahren in dießer stärcke! Wir haben hir auch viel donnerwetter, hatt aber nur einen eintzigen hartten schlag gethan. Die Rotzeheusserin macht mich lachen, den sie versteckt sich gleich, fört[8] den donner sehr, hatt aber auch viel unglück davon gesehen, also zu entschuldigen, daß sie ihn förcht. Daß ist woll war, daß dießer sommer abscheülich geweßen. Ich bitte, sagt mir doch, liebe Louisse, ob die 2 schachtelger von helffenbeyn, so ich ahn ma tante geschickt, gefahlen haben! Es freüet mich recht, daß [das], so ich Eüch geschickt, Eüch so ahngenehm geweßen. Nichts ist gemeiner hir, alß allerhandt doßen, undt wie ich Eüch schon versprochen, liebe Louisse, so lang ich lebe, will ich Eüch dieße schönne undt magnifique rente machen (worüber man woll mitt recht zu Hannover lachen wirdt), nehmblich eine neüe dose zur kirbe zu schicken. Daß spiel, so Ihr porschnel heist, heist man hir undt überall marionetten; der vornehmbste acteur von dießen pupen heist nicht Porschnel, sondern Polichinel.[9] Ich finde Ewere schreiben, liebe Louisse, nie zu lang; sie scheinen [länger], weillen Ihr nicht oben ahn schreibt, sondern eine handt breit ungeschriben last, sonsten käme in 2 bogen, waß Ihr so in 4 setzt. Wie Ihr mir den hertzog von Beuvern[10] beschreibt, muß es derselbe sein, den ich hir gesehen, wo er jederman gefahlen. Ich bin persuadirt, daß dieße hertzogin die glücklichste von den 3en schwestern[11] sein wirdt; den in stattigem zwang, wie die keyßerin, zu leben, da ist weder lust noch vergnügen bey; die czaarwitzin lebt in ein wilt landt undt hatt einen pfäffischen herrn, welches auch nicht ahngenehm sein kan; dieße letzte hatt nicht von maniren zu endern, ist in ihrem landt bey alle den lieben ihrigen, daß findt ich ein recht glück. Mich wundert, daß man zu Wolffenbuttel ein hauß vor sie zu recht macht. Warumb logirt sie nicht im schloß? Da, deücht mich, wer doch ihr [332] rechter poste. Man mag mir auch von der czaarwitzin glück sagen, waß man will, ich wolt mein kopff verwetten, daß ihr große kranckheit nur von chagrin kompt. Es ist aber auch zeit, daß ich ahn ma tante schreibe. Ewer schreiben ist doch exact beantwortet, werde derowegen schließen undt nichts mehrers sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire, liebe Louisse, undt allezeit lieb behalte.
Sontag nachmittag.
Ahn taffel hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 4 gebracht, werde es aber erst biß sambstag, so mir gott daß leben verleydt, beantworten, nur diß drauff sagen, daß es mir recht lieb ist, daß Ewer schwager, der duc de Schonberg, Couber[12] wider hatt. Ich wolte, daß es meinetwegen geschehen wehre.[13] Mach[t] Ewerm schwager mein compliment!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. August 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 329–332
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0588.html
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