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Brief vom 11. Oktober 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


601.


[345]
Petitbourg den 11 October 1713.
Hertzallerliebe Louisse, heütte, ehe ich von Fontainebleau weg bin, habe ich den trost gehabt, ein paquet von ma tante zu bekommen undt Ewern lieben brieff vom 2 dießes monts, worauff ich dieße post andtwortten, werde heütte ahnfangen undt morgen zu Versaille enden. Daß kan mich alß recht verdrießen, wen ich sehe, daß man meine brieff alß 2 undt 2 gibt. Es ist ja nur eine pure bagatelle, womitt ich ma tante ahnbinde,[1] würde mich aber vor [346] glücklich schätzen, wen es I. L. ein augenblick erfrewen könte. Der 14 October ist I. L. geburdtstag, ich weiß es gar gewiß; den ma tante, die fraw abtißin von Maubisson s., hatt mir ein papir geben, so ich abcopirt habe, worauff alle der königin in Böhmen kinder geburdt gezeichnet ist undt wo sie gebohren. Ma tante ist gebohrn im Haag anno 1630 den 14 October. Ich hoffe, daß Ihr mir eygendtlich berichten werdet, wie es abgangen. Vom duc de Villars werde ich nichts mehr sagen,[2] bin nur fro, Eüch von meinen warhafften sentiementen vor Eüch persuadirt zu sehen undt wie gern ich Eüch, liebe Louise, dinnen mögte. Ich bin zwar fro, daß Ihr nicht mehr in sorgen vor Ewern neveu seydt, allein ich wolte, daß ich Eüch auß sorgen hette setzen können. Damitt Ihr aber doch sehet, daß es nicht bey mir gestanden undt daß ich mein bestes gethan, umb zeittung von Ewerem neuveu zu erfahren, so schicke ich Eüch hirbey, waß mir mylord Oglithorpe geschickt hatt.[3] Weillen ma tante Eüch nicht gleich nach Ewerm paquet gefragt, glaube ich nicht, daß I. L. weytter dran dencken; aber solte sie es etliche tag vorher haben, were es keine sünde im h. geist. Wen ich nur glücklich genung bin, daß es I. L. gefehlt, so bin ich gar vergnügt undt woll zufrieden. Die reiß nach der Ghör stehet mir gantz undt gar nicht ahn, den ich forchte, sie komen der abscheülichen undt heßlichen pest zu nahe. Daß betrübt mich recht, unßere hertzallerliebste churfürstin in dießer gefahr [zu wißen]. Ich fürchte, es sey eine verblendung, die den churfürst zu Braunsweig hatt undt daß es unglück bedeütt. Aber man rufft mich zum nachteßen, morgen werde ich dießen brieff ausschreiben, wünsche Eüch nur eine glückseelige nacht, liebe Louisse! Wir haben heüte noch daß schönste wetter von der weldt gehabt, habe daß gutte Fontainebleau woll ungern quittirt.
Versaille den 12 October, umb 7 abendts.
Es ist eine stundt, daß wir von Petitbourg ahnkommen sein, wo ich Eüch ohnmöglich habe schreiben können; den ich habe noch [347] ein doll historgen erfahren, undt weillen ich weiß, daß ma tante sie gern list, habe ichs I. L. noch in ihrem brieff gesetzt, drumb habe ich Eüch nicht schreiben können. Jetzt aber komme ich wider auff Ewer liebes schreiben. Man kan die pest woll bekommen, ohne sie zu fürchten. Gott bewahre ma tante undt alle ihre lieben ahngehörige davor! Mich deücht, daß zu Heydelberg gingen wir nicht den ersten October zum h. abendtmahl, sondern nur den ersten September. Wie kompt den, daß man geendert hatt? Ma tante meint, daß ihr fußwehe nur ein elstraug[4] ist undt kein potegram. Einen von den 2 Pelnitzen kene ich woll, ist etliche monat hir geweßen; er ist all possirlich, wen er will, kan woll reden undt redt nicht wenig. Ich hoffe, das er ma tante divertiren wirdt. Liebe Louisse, ich muß ich[5] ein wenig filtzen wegen alle die ceremonien, so Ihr mitt mir macht, daß heiß ich politesse hors de saison. Ihr wist, daß ich mich vor Eüch undt Eweren neuveu interessire, weillen Ihr mir lieb seydt. Wozu dint dan daß compliment, daß Ihr mir macht, undt die entschuldigung, daß Ihr mir den brieff schickt, wodurch Ihr erfahren, daß er nicht todt ist? Wen Ihr es so macht, so werde ich alß singen: O Pfuydian, hinauß, hinauß mitt dem compliment! pfui, pfui, o Pfuydian, hinauß undt all, die solche sein![6] Ich glaub, Ihr werdet Eüch dießes possenspiel noch woll erinern. Sagt mir doch! hatt man es nicht zur Ghör vergangen jahr gespilt? Es ist beßer, mitt einem falschen geschrey erschreckt zu werden, alß wens war wer. Wen Ihr meindt, übel geschrieben zu haben, so ist es noch hundert mahl schonner, alß ich schreibe. Ich habe woll gemerckt, daß es ma tante verdriest, wen sie etwaß in ihren brieffen vergist, aber alles, waß sie schreiben, ist so verständig undt lebhafft, daß sie woll nicht zu sorgen hatt, daß man glauben solte, daß waß kindisch gefunden werden konte in ihren lieben schreiben, die mein gröste freüde sein. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Oktober 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 345–347
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0601.html
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