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Brief vom 21. Dezember 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


614.


[358]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Paris.[1]

Versaille den 21 December 1713.
Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar schon 21 bogen ahn unßere liebe churfürstin geschrieben habe, auch recht leunisch bin, weillen mir die hannoverische post gantz gefehlt hatt, so will ich doch [359] mein bestes thun, auff Ewer liebes schreiben vom 8 dießes monts, so ich vergangenen sontag entpfangen, zu andtwortten. Meine brieffe, liebe Louisse, seindt kein danckens werdt. Wer wolte undt könte nicht mittleyden mitt Eüch haben über so rechtmäßige betrübtnuß, so Eüch zugestoßen? Wen mans in einer comedie sicht, kommen einem die threnen drüber in den augen, will geschweygen den, wen es einer person widerfahrt, so man kendt undt lieb hatt, wie ich Eüch habe. Ihr kont ja woll gedencken, daß es mir ahngenehm sein würde, wen ich Eüch soulagiren könte, liebe Louisse! Ich fürcht auch, daß Ihr mir Ewern trost nur auß politesse gestehet; den ich weiß leyder nur gar zu woll, daß gott der allmächtige undt die zeit allein so harte stöß erleichtern können. Ich habe so viel leütte verlohren, so mir lieb geweßen, daß ich nur gar zu woll weiß, waß die erinerungen thun; drumb habe ich desto größer mitleyden mitt denen, so ich weiß, daß sie dieße qual leyden. Ich habe auch woll gleich gedacht, daß Eüch Ewere schwestern wider einfallen würden. Wen man betrübtnuß endern könte, würde man woll thun, keine zu haben; den es hilfft zu nichts, alß sich selbsten umbs leben zu bringen, aber es stehet nicht bey unß. Die Wilhelmel[2] hatt einen brieff ahn ihrer mutter geschrieben, worinen sie gar nicht narisch scheindt, sagt nur, daß die verfolgung der Christen, so sie hir gesehen, hette sie glauben machen, sie were nicht in den rechten weg, seelig zu werden, hette also ihr gewißen müßen in ruhen setzen, drumb sey sie durchgangen. Daß geht woll hin, aber der diebstal ist zu viel. Sie hatt keinen bedinten mitt, weder mans- noch weibsperson, sie ist mitt dem kleinen kindt, ein metgen von 8 jahren, weg undt man sagt, sie seye in ein lutherisch thomstifft ins wirttenbergesch landt gangen; mehr weiß man nicht von ihr, den sie hatt ihren brieff nicht datirt.[3] Ich bin fro, daß mein körbgen nicht ist verracht worden undt ma tante ahngenehm geweßen. Waß dagegen zu schicken, ist woll nicht nöhtig. Vor die medaille dancke ich nochmahlen, allein ich habe noch niemandts finden können, so mir hette sagen können, waß es bedeüdt. Es ist in kistgen placirt, [solche] sachen werff ich nicht [360] weg; solte es auch kein ander meritten haben, alß von Eüch zu kommen, so verwahre ichs umb Ewertwegen, liebe Louisse! Ich habe keine medaille von meines brudern s. gemahlin, werde es also mitt danck ahnnehmen; alle, die Ihr da nent, habe ich nicht. Hettet Ihr selber medaillen,[4] wolt ich Eüch bitten, sie zu behalten. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nur überig, zu sagen, daß man mich vorgestern so starck purgirt hatt, daß ich gantz matt davon bin, kan also vor dißmahl nichts mehr sagen, alß daß, in welchem standt ich auch sein mag, daß ich Eüch doch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Dezember 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 358–360
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0614.html
Änderungsstand:
Tintenfass