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Brief vom 28. Januar 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


621.


[366]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 28 Januari 1714, umb halb 9 abendts.
Hertzallerliebe Louisse, dießen nachmittag, alß ich nicht hoffen konte, waß zu bekommen, wurde ich mitt ma tante, unßer lieben churfürstin, gnädiges schreiben sambt Ewer lieben brieff vom 19 Januari erfrewet, hatte es hoch von nöhten; den ich bin recht trawerig über unßer regirenden königin in Spanien[1] gar ellenden standt, ist woll schadt, den es ist die verständigste königin, dabey daß beste mensch, so zu finden ist; sie jammert mich recht von hertzen undt auch die königin, ihr fraw mutter, so sie von grundt der seelen lieb hatt. Aber last unß von waß anderst reden! diß ist gar zu betrübt. Es ist ein gutt zeichen vor unßern gutten hertzog Anthon Ulrich, daß seine kinder zu Hannover sein. Den gar großen printz von Beuvern[2] habe ich hir gesehen undt noch zwey von seinen herrn brüdern, ich weiß aber nicht, ob der, so der keyßerin fr. schwester geheüraht,[3] von denen ist, so ich hir gesehen, den es seyndt zwey seyder dem gestorben. Mein gott, liebe Louisse, ob ma tante zwar dißmahl nicht kranck bey ihrem rohtlauffen ist, so mißfelt mir doch, daß es so offt kompt; daß schlumerig-sein gefehlt mir auch nicht. Gott wolle I. L. volkomen geneßen [laßen] undt zu unßern trost noch lange jahr erhalten! Die kalte ist abscheülich, hatt mir einen solchen husten undt schnupen geben, daß ich schon seyder 6 tagen die kammer halte undt nirgendts hingehe, weder in kirch, noch zum könig, noch in die commedie. Wen ma tante nur nicht zu baldt außgeht bey dem abscheü[lichen wetter]! Daß ist woll war, daß man sich leicht ahn waß gemächlich ist, gewehnt, allein aber die politesse solte doch nie außbleiben. Hertzog Anthon Ulrich verstehet es auff ein endt, wundert mich [367] also nicht, daß seine leütte so voller politessen sein. Ich bin woll sicher, daß ma tante nicht von denen ist, so grob mitt den frembden umbgehen. Oncle s. war auch sehr hofflich undt polie. Der könig ist über die maßen polie, allein seine kinder [und] kindtskinder undt gantzer hoff seindt es gar nicht, sondern rau gegen frembte undt einheimischen.[4] Ich habe noch ahn mein dochter zu schreiben, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, gesundt oder kranck, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Januar 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 366–367
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0621.html
Änderungsstand:
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