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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 12 April 1714.
Hertzallerliebe Louisse, ich werde Eüch zwar heütte nicht gar
lang entreteniren können, den wir haben heütte den hirsch gejagt
undt ich habe doch 25 seytten ahn ma tante geschriben, aber ich
will doch so viel, alß es mir in der eyll wirdt möglich sein wirdt,
auff Ewer liebes schreiben vom 2 dießes monts, so ich gestern
entpfangen, andtwortten. Meine siatique
[1] ist, gott sey danck, gantz
[vorbei], aber meine arme knie seindt noch schwach undt thun mir
allezeit wehe. Ahn kein baadt kan undt darff ich nicht gedencken,
danke Eüch sehr, liebe Louisse, vor daß mittleyden, so Ihr mitt
mir wegen die schmertzen habt. Vor die siatique habe ich nichts
gebraucht. Man [hat mich] einmahl purgirt, die schmertzen blieben
noch; hernach hatt mir der marechal de Tessé einen ring geben,
worinen eines haßen claue verborgen, doch so, daß die clau den
finger rührt, seyder dem habe ich es nicht mehr verspürt. Ich
thue den ring nicht vom finger, alß wen ich die handt wäsch,
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bißher thut es noch gutt. Ich erinere mich Eweres vogts, alß wen
ich ihn vor augen sehe. Er ist nicht gar groß, mager undt trucken,
hatt blunde, blatte undt zimlich vette haar, mehr roht, alß bleich,
ein langlich gesicht. Er weiß viel künste, steckte einmahl in der
gallerie in englischen bau den sack voller fledermeusse undt sagte,
er konte künsten undt remedien mitt machen; aber die fledermeüße
müßen, wie ich sehe, nicht gutt zu der siatique sein, weillen er
ins Wildtbaadt gehet. Warme bader seindt hir viel in Franckreich,
aber ich kan weder in nahen, noch weitten. Nach Achen ließ man
mich nicht, darff leyder nicht dran gedencken. Graff von Lamarck
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ist hingereist. Wie gern were ich auch hin! aber da ist leyder
nicht ahn zu dencken.
[3] Daß ist eine modeste coquetterie, daß Ihr
sagt, daß ich Eüch lieber haben werde von weittem, alß von nahen,
den Ihr wist woll daß contrarie. Aber, liebe Louisse, wen Ihr von
alter sprecht, so denckt Ihr nicht, daß ich 10 jahr alter bin, alß
Ihr, also wen Ihr Eüch decripit
[4] macht, muß ich unter die erde
krichen. Ihr seydt meines herr vatters dochter, Ihr seydt voller
tugendt, sehe auch woll auß Ewern brieffen, daß Eüch der
verstandt nicht fehlt, worumb solte ich Eüch den nicht lieb haben?
Ich habe es auch ahn unßerm herrn vatter s. undt ahn Ewer fraw
mutter versprochen, Eüch alle zu lieben, undt habe noch nie ahn
dießer versprechung gefehlt, undt wen Ihr 10 mahl argert weret,
alß Ihr Eüch selber beschreibt undt ich woll weiß, daß nicht wahr
ist, so würde ich Eüch doch lieb haben, liebe Louisse! Meint Ihr,
daß ich keine betrübtnuß hir gehabt habe? Ihr solt Eüch
verwünder[n], wen Ihr wüstet, waß ich außgestanden, daß ich noch im leben
sein kan. Ich lebe, aber ich bin so veralt, daß ich fest glaube,
daß ma tante jünger außsicht, alß ich. Ich muß gestehen, daß
hertzog Anthon Ulrich ahndencken in seinen letzten zügen mich
über die maßen touchirt hatt, mein trost ist aber, daß ma tante
noch bey gutter gesundtheit ist. Gott erhalte I. L. lengere jahre,
alß mich selber! Von ma tante todt mag ich nicht hören; wen I.
L. davon schreiben, bin ich den gantzen tag trawerig. Wozu ist
es gutt, allezeit ahn den todt zu gedencken? Man weiß es woll,
daß man sterben [muß], aber allezeit dran zu gedencken, macht
nur trawerig undt hülfft [zu nichts]; man weiß ohne daß, daß
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woll leben unsere schuldigkeit ist. Bischöffe dörffen hir nichts
thun ohne deß königs wißen, undt man hatt dem könig so
eingeprächt, daß seine seeligkeit drauff stehet, keine Reformirten zu
leyden, daß es kein wunder, daß er ihnen zuwider ist. Der frieden
kompt mir recht wunderlich vor, kan nichts drinen begreifen. Gott
gebe, daß alles zu gottes ehr undt aller gutten Christen ruhe
außschlagen mögen! Hirmitt ist einmahl Ewer schreiben ordentlich
beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louisse,
zu versichern, daß ich Eüch allezeit lieb behalten werde.