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Brief vom 2. Juni 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


650.


[395]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfurt.

Marly den 2 Juni 1714, umb 9 abendts.
Hertzallerliebe Louise, ich habe noch ein stündtgen in meiner cammer zu sein, derowegen will ich ahnfangen, auff Ewer liebes schreiben zu andtwortten vom Pfingstmontag. Ich fange so spät ahn, zu schreiben, den ich habe heütte viel gethan; morgendts umb 10 bin ich mitt dem könig in die meß, umb 11 habe ich zu mittag geßen, umb 12 seindt wir auff die hirschjagt mitt deß duc du Maine hunde, umb halb 4 bin ich von der jagt kommen, habe mich geschwindt anderst ahngezogen umb[1] bin nach St Germain, ein virtel auff 7 bin ich wider her, habe zwey nohtwendige briff nach Paris schreiben müßen. Hernach ist mein sohn von Paris kommen, wo er eine trawerige ceremonie be[i]wohnen müßen, nehmblich ein [396] service vor die königin in [Spanien].[2] Die 3 princessinen, nehmblich die geheürahte printzess de Conti undt ihr zwey ledige schwestern, mademoiselle de Charoloy[3] undt mademoiselle de Clermont, haben die trawer geführt. Dieße ceremonien seindt abscheü[lich], ich weiß wie; den ich habe dieße ceremonie 2 mahl vor die königin undt zwey mahl vor die erste Dauphine thun müßen. Aber genung hirvon! diß bringt gar zu trawerige erinerungen, komme lieber auff Ewer schreiben. Weillen Ihr, liebe Louisse, noch nicht in volkommener gesundtheit seydt, ist es mir leydt, daß Ihr meines brieff[s] wegen undt umb ahn mich zu schreiben früher auffgestanden seydt, den nichts ersetzt die krafften wider, alß woll zu schlaffen. Den duc de Berry da will ich nichts mehr von sagen, laß I. L. s. in dero ewige ruhe. Seine gemahlin befindt sich, gott lob, sehr woll; hoffe, daß sie nicht blessirt wirdt sein. Der könig hatt I. L. einen gutten trost [gegeben], ehe I. M. von Versaillen weg sein, nehmblich 6mahl hundert undt 60 m. livres, daß seindt mehr, alß 220,000 thaller einkommen deß jahrs.[4] Hette mich der duc de Bery lieb behalten, hette mich nichts über seinen todt trösten können; aber weillen er sich so gegen mir hatt endern laßen, daß ich gewiß bin, daß er nur würde gelacht haben, wen ich gestorben were, so habe ich mich auch getröst.[5] Ich habe fraw von Rotzenhaussen leßen laßen, waß Ihr von ihr schreibt. Sie erinert sichs noch gar woll, sagt aber, sie hette nun braff gelehrnt, wie man [397] sich umb alles bekümern muß. Die fraw von Rotzenhaussen ist nun so betrübt, daß sie mehr von nöhten hatt, daß ich sie auffmunter, alß sie mich; aber es schlegt 10, ich muß ahn taffel.
Sontag den 3 Juni umb 3/4 auff 8 abendts.
Ich habe nicht eher wider zu brieff gelangen können, alß nun; den wir haben heütte in die kirch gemust, darnach bin ich mitt dem könig spatziren gangen, erst umb 7 wider herein, da habe ich ma tante brieff außgeschrieben. Nun komme ich ahn den Eweren, den werde ich aber in großer eyll beantwortten, den es ist gar spät undt ich habe noch ahn mein dochter zu schreiben. Die betrübtnuß hatt mir nichts geschadt, gott lob! Die aderlaß hatt mir mein ersticken gantz benohmen. Von printz undt graff von Hannau wollen wir ein andermahl reden, ich habe nun [nicht zeit genug]. Nein, liebe Louisse, die freüllen von Rotzenhaussen hatt keine 60000 francken, undt wen sie waß gehabt hette, dörffte ihre mutter ihr nichts geben, ohne all ihr gutt confisquirt zu haben undt noch gar weggejagt zu werden; den man kan nicht erbittertert sein, alß der könig über daß freüllen von Ratzsamshaussen ist. Sie hatts mitt ihrem durchgehen undt religion endern[6] so weit gebracht, daß sie alle die ihrigen bey einem haar ins gröste unglück von der welt gesteckt hette. Sie hatt mir etlich mahl geschrieben, ich darff ihr aber nicht andtworten, ich würde mich sonst in rechten ungnaden bey dem könig setzen.[7] Hir seindt die religionen nicht frey wie in Teütschlandt; wer von religion endert, wirdt criminel, undt wen die mutter schon wolte, könte sie ihrer dochter nicht helffen, ohne sich undt alle die ihrigen inß gröste unglück von der welt zu stecken. Die mutter sicht woll, daß sich die dochter nicht heürahten kan, wolte nur gern, daß sie in einem stifft were. Weißenbach muß seine liebe auff ander gelt wenden. Ich meinte, nun Ewer neuveu nicht mehr were, daß Ihr Eüch, liebe Louisse, nicht mehr mitt deß duc de Chomberg affairen plagen würdet. Ich habe Eüch ja versprochen, alle jahr eine kirbe von Versaille zu schicken, hirbey kompt sie. Weillen es eben LL undt R sein, formirt Ewer schiffer just; wünsche, daß es Eüch gefahlen mag. [398] Mir kans gar kein ungelegenheit macht,[8] so weitt erstreckt sich mein beüttel woll. Ich finde, daß Ihr auch unrecht habt, ma tante pressent außgeschlagen zu haben, den [das] kan I. L. nicht gefahlen; den wen man waß gibt, gibt man es auß guttem hertzen, daß solle auch so ahngenohmen werden. Von seinen herrn ist kein schandt, gelt zu nehmen. Ich wünsche, daß der sawerbrunen Eüch all Ewer versalzen geblüdt versüßen mag. Daß Ihr nicht habt bawen wollen, kan ich Eüch nicht verdencken. Gott verleye, daß Ihr mir noch manche jahren schreiben mögt, daß ma tante gesundt undt woll außsicht! Ich wolte gern noch langer blauttern, aber es wirdt zu spät, muß wider willen schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch nochmahlen eine gar glückliche undt vergnügte reiße wünsche, Eüch von hertzen ambrassire undt Eüch, so lang ich lebe, lieb behalten werde, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Juni 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 395–398
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0650.html
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