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Brief vom 29. Juli 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


657.


[414]
Marly den 29 Julli 1714.
Hertzallerliebe Louisse, ob ich zwar noch nicht weiß, ob Ihr einige von meinen schreiben entpfangen habt, so will ich Eüch doch schreiben. Dießer ist mein 6ter brieff, so ich Eüch seyder unßer unglück schreibe. Ich habe auch 5 von Eüch entpfangen, aber es war Eüch noch keines von den meinigen zukommen. Eines habe ich über Hannover geschickt, daß war daß erste, 3 habe ich ahn monsieur de Martini geben undt eines geradt ahn die adresse geschickt, so Ihr mir geben habt, undt dießes werde ich wieder ahn monsieur de Martini schicken. Wir haben wenig neües hir. Gestern sagte mir jemandts in vertrawen, daß der könig in Spanien sich wider heürahten will undt den cardinal Acquaviva von Rom nach Parme hatt reißen [laßen], die printzes von Parme zu fordern;[1] glaube nicht, daß man sie ihm abschlagen wirdt, also wen [415] Ihr dießen brieff entpfangen werdt, wirdt gewiß die sach lautt undt klar geworden sein. Waß mich ahnbelangt, so bin ich gesundt, aber recht in der seelen trawerig undt glaube, daß es all mein leben dauern wirdt. Mein docktor will mich mitt aller gewalt morgen zur ader laßen undt hernach purgiren, welches eine unahngenehme sach ist, aber thue; thete ich es nicht, würde man mich unerhört plagen. Ich bin aber fest persuadirt, daß es mir mehr übels, alß guts, thun wirdt, insonderheit weillen wir in den hundtstagen sein.
Sontag den 29 Julli, umb 4 nachmittags.
Wie ich heütte morgen ahn dem endt von dem andern bladt war, kamme[n] leütte zu mir, daß ich auffhören muste zu schreiben. Seyder dem habe ich in die kirch gemüst undt nach der kirch bin ich ahn taffel. Da habe ich Ewer liebes schreiben, liebe Louisse, vom 15 entpfangen, worauff ich gleich antwortten werde; bin fro, daß Ihr schon 2 von meinen brieffen entpfangen habt. Nun bin ich woll, ich glaube aber, daß es nicht lang wehren wirdt, weillen, wie ich Eüch schon heütte morgen gesagt, liebe Louisse, man mich bey dießer hitz undt hundtstagen purgiren undt aderlaßen will; bin Eüch doch sehr verobligirt, liebe Louisse, daß Ihr Eüch so über meine gutte gesundtheit erfrewet habt. Die ursachen, so mein docktor vorwendt, mir die remedien zu thun, ist, daß er sagt, daß es unmöglich ist, daß mein geblüdt in der melancoley, worinen ich seyder die betrübte zeittung, nicht recht circulliren könne, welches er daher abnimbt, weillen mir seyder dem die füß undt bein abendts geschwollen undt ich etlich tage her offt auß der naße blutte, aber daß bin ich ja doch all mein leben gewont; wir werden baldt sehen, waß drauß werden wirdt. In dem standt, liebe Louisse, wo Ihr undt ich sein, ist leyder nicht viel reden von nohten, unßere threnen wider hervorzubringen, sie seindt nicht weydt. Ihr könt auch durch Eüch selber leicht verspüren, waß ich leyde. Ich kan auch mitt warheit sagen, daß ich Eüch in voller [416] betrübtnuß von hertzen beklagt habe; den Ewer gutt gemüthe ist mir von Eweren[2] zarten jugendt undt kindtheit ahn bekandt. Ach, hertzliebe Louisse, wen man recht in der seelen betrübt ist, so betrübt man sich nicht über waß man sagt undt hört, sondern über daß unglück selber, so einem widerfahren. Nichts kan mich von meinen trawerigen [gedanken] abhalten, den ich war gewohnt, in alles ahn mein lieb ma tante zu gedencken, undt waß ich hörte, ernstliches oder possirlich, daß schrieb ich ja I. L. alle posten. Ich sch[e]we gar nicht, von unßerer lieben churfürstin s. zu sprechen; den außer Ihr undt ich werden woll wenige mehr dran gedencken. Freylich ist es Ewer glück, nicht bey dem unglücklichen fall gewest zu sein. Ich kan nicht begreiffen, wie man einen solchen schrecken, ohne selbst zu sterben, außstehen kan; aber die stunden seindt gezehlt, niemandt stirbt eher oder spatter, alß wen die bestimbte zeit vorhanden, also, liebe Louisse, hettet Ihr woll nichts endern können, wen Ihr gleich dabey geweßen wehret. Meine betrübtnuß kan in keine freüden ersetzt werden, welches Ihr selber leicht judiciren werdt. Wofern Wersebé Eüch mein paquet ahn ma tante s. schickt … Man hatt mir zu Hannover keine ander brieff auff[gemacht], alß die, so ich ahn ma tante s. geschriben; Ewere undt monsieur Harling seine hatt man nie auffgemacht. Daß golten schachtelgen, so ich Eüch geschickt, ist woll nicht so viel danckens wehrt; dörfft auch in keine sorgen sein wegen dem wehrt, so weit kan sich mein beüttel ohne incommodit[et] erschrecken[3] undt noch desto eher, da meine schulden wegen deß verfluchten schatzmeister, so mich so bestohlen undt betrogen hatte,[4] nun alle bezahlt sein. Ich habe doch noch den trost gehabt, meine liebe churfürstin zwey tag vor ihr endt eine kleine freüde mitt einem schächtelgen zu machen von einer neüen arbeydt, welches I. L. s. so woll gefahlen, daß sie mir den 7 noch 2 gantzer bogen davon geschrieben haben. Unter unß gerett, ich zweyffle sehr, liebe Louisse, daß der Robethon[5] so ein ehrlicher man ist, wie Ihr meint; den ich weiß, daß der churfürst keinen fuß threhen [kann], ohne daß mans ahn monsieur de Torcy bericht; daß muß ja woll von Frantzosen herkommen. Waß seine fraw ahnbelangt, so ist [417] woll ein hauß hir im landt, so Beranger heist, so gutt ist, monsieur du Gue[6] ist von dem hauß; aber Beranger gantz kurtz[7] ist sehr gemein, meins sohns notarius heist so undt ich kene noch mehr gemeine leütte, so dießen nahmen führe[n]. Ma tante s. hatt mir ihr leben nicht ein wordt von dießer damen geschrieben. Ich weiß hertzog Ernst August recht danck, daß er ahn Eüch gedacht hatt. Aber wie kompts, daß er nicht mitt seinem herrn bruder nach Pirmont ist? Mich wundert, daß der abscheüliche schrecken undt unglück, so I. L. der churfürst zu Herrnhaußen gehabt hatt,[8] ihn nicht von dem ort verleydt ist; den ich kan nicht ohne schaudern nach St Clou, der doch eines von den schönsten ortern von der weldt ist.[9] Ich habe nicht gewust, daß der churprintz nicht wol mitt seinen herr vatter, dem churfürsten, gelebt hatte. Ihr habt woll groß recht, nicht wider nach Hannover zu gehen. Wen Ihr zu Franckfort sein werdet, hoffe ich, daß unßere corespondentz richtiger gehen wirdt, alß nun. Ich bilde mir ein, daß Eüch daß liebe Heydelberg verleydt ist, weillen Ihr die arme Amelisse dort habt sterben sehen,[10] sonsten wüste ich keine andere ursach. Ich habe der fraw von Rotzenhaussen[11] gesagt, daß ihre niepce bey Eüch ist. Ich glaube, daß, wen ich incognito bey Eüch were, so würde es mir beßer bekommen, alß meine aderläß undt purgation. Ich wuste woll, daß der Stanislas zu 2brücken war,[12] aber nicht, [418] daß es der könig in Schweden ihm vor sein leben geben hatt. Mich deücht, I. M. hetten beßer gethan, es dem armen pfaltzgraffen von Zweybrücken zu geben, der es doch hoch von nöhten [hat], undt daß es beßer were, seinem eygenen hauß guts zu thun, alß einem frembten Poln. Umb einen muht zu faßen, liebe Louisse, so müste mir waß ahngenehmes widerfahren, undt daß kan nicht sein, wie alle sachen hir beschaffen. Ihr sagt nichts mehr von Ewerem ohrgeschwer. Daß macht mich hoffen, daß es geheyllet, insonderheit weillen Ihr daß rohtlauffen ahn einem fuß gehabt, muß der fluß sich dahin gezogen haben. Es ist beßer, wehe ahm fuß, alß ahm kopff, zu haben, halte es vor weniger gefährlich. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben gar völlig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß zu wünschen, daß Ihr Ewere volkommene gesundtheit wider im Schlangenbaadt[13] erlangen werdet. So lang ich lebe, könt Ihr versichert sein, daß ich Eüch von hertzen lieb behalten werde.
P. S.
Ich hette schir vergeßen, zu sagen, daß ich nur golte[ne] undt silberne medaillen habe, also können mir die von bronse von monsieur de Cinqville nicht zu paß kommen, dancke doch madame Benigsen vor ihren gutten willen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Juli 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 414–418
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0657.html
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