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Brief vom 14. Oktober 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


669.


[460]
Fontainebleau den 14 October 1714.
Hertzallerliebe Louise, in dießer vergangenen woche habe ich 2 von Ewern lieben schreiben entpfangen, eines vom 29 September undt eines vom 2 dießes monts. Wo mir möglich ist, werde ich beyde beantwortten, wo nicht, so werde ich, waß überig bleibt, vor einen andern tag sparen. Eüch zwey brieff in einem tag geschrieben zu haben, da gehört keine gedult zu; ahn die zu schreiben, so man lieb hatt, daß ist nur ein ahngenehm amussement undt zeitvertreib. Aber waß ich geschrieben, war nöhtig; den ich wolte sehen, welcher von beyden brieffen ahn geschwinsten gehen würde, dachte nicht ahn den unkosten; den wie ich mein leben keine brieffe bezahlt habe, so weiß ich gar nicht, waß sie ahn denen kosten, so sie [461] nicht frey haben, wie ich. Der Miville muß ein Jude sein, seine paquetten so thewer zu bezahlen machen; ich werde keine mehr durch ihm schicken, weillen doch die, so ich geradt auff die post gebe, ebenso geschwindt gehen. Waß dem auffthun ahnbelangt, so ist es all eins; fischen oder nichts fischen, ist hir all eins, den wen man schaden will, scheüt man sich gar nicht, braff zu lügen. Solte daß freüllen von Rotzenhaussen zwar in Englandt gehen, glaube ich nicht, daß sie ihr leben würde lehrnen können, gelt zu nutz zu bringen. Ich glaube auch, daß in Englandt so woll, alß hir im landt, man wenig trewe leutt findt. Die fraw von Rotzenhaussen begehrt ihr enckel, die kleine Bernholt, gar nicht bey sich zu haben; aber der herr Bernholt, deß kindts vatter, wolte gern sein töchtergen wider haben, den er hats gar lieb.[1] Auch solte die freüllen Rotzenhaussen kranck werden oder gar sterben, müste ja daß arme kindt verschmachten. Ich glaube, daß der herr Bernholt, wen er wider zu Strasburg sein wirdt (den er ist nun zu Paris), selber eine reiße nach Franckfort thun wirdt, sein kindt abzuhollen. Vom stifft werde ich nichts mehr sagen. In den gazetten habe ich schon den eintzug vom itzigen könig in Engellandt gesehen.[2] Dießer könig würde nur woll thun, wen er Eüch eine gutte pension oder doch nur gebe, waß ma tante s. Eüch hinterlaßen. Ich hoffe, daß es kommen wirdt; den es were dem könig schimpfflich, wen ers nicht thet; Ihr seydt ja doch leiblich geschwisterkindt mitt ihm. Aber mich deücht, er fragt nicht viel nach denen, so ihm verwandt sein. Ich finde, daß Ihr nicht woll gethan, nicht zu fordern, waß Eüch nohtig; den daß konte ja ma tante nicht rahten undt ich bin gewiß, daß sie sich würde eine freüde gemacht haben, Eüch waß zu geben. Habt Ihr den niemandts bey dem könig in Engellandt, so ihm Ewere interesse vorhalten könte? Ewer schreiben war gar nicht confuse, Ihr schreibt gar woll, liebe Louisse! Ich wolte, daß ichs so woll könte. Hiemitt ist Ewer letztes schreiben vollig [beantwortet]; ich komme jetzt auff daß vom 29 September. Es ist mir lieb, daß meine brieff so richtig gehen. Umb gottes willen, liebe, sucht distraction, umb in keine melancoley zu fallen! Den nichts ist gefährlicher vor die gesundtheit undt es ist auch gefahrlich vor den kopff. Ihr [462] seydt nicht mehr allein in der weldt, alß ich; den wie Ihr auß den brieffen werdet ersehen haben, so bin ich nicht allein in der frembte, sondern gantz allein in der [weldt], habe mächtige feindte undt nirgendts keinen trost; jedoch so bin ich nicht melancolisch, finde, daß es genung ist, von andern gequellet zu werden, ohne mich selbsten noch zu plagen. Ich vertrawe fest auff meinem gott; er weiß, warumb er mich her berufen hatt undt waß er mitt mir machen wirdt, habe offt seine hülffe gespürt, wen ich alles verlohren geschetzt; also ergebe ich mich gantz seiner providentz undt baue auff keine menschliche hülffe. Jedoch so lebe ich ruhig, nur ma tante todt habe ich mühe zu verschmertzen. Aber es schlegt zwolffen, ich muß in kirch; dießen nachmittag werde ich außschreiben.
Sontag umb 3 viertel auff 3 nachmittags.
Es ist jetzt 3 viert[e]l-stundt, daß ich von taffel bin. Ich habe die 3/4 stundt geruhet, ohne schreiben; den man sagt, es were gar ungesundt, wen man zu baldt nach dem eßen schreibt. Ich komme wider, wo ich heütte morgen geblieben war, nehmblich da ich Eüch sagte, daß ich noch mühe habe, unßerer lieben churfürstin todt zu verschmertzen; daß liegt mir noch gar schwer auff dem hertzen undt kan sie nicht nenen hören, ohne daß mir die threnen in den augen kommen, undt ohne schmertzen kan ich nicht dran gedencken. Aber weillen es leyder nicht zu helffen ist, so suche ich, so viel mir möglich ist, nicht dran zu gedencken undt ahn waß anderst zu gedencken, undt mache es wie Ihr, treibe die trauerige gedancken mitt aller gewalt hinweg; kan mitt beßer recht sagen, daß ich alt bin undt nicht mehr lang zu leben habe; den ich bin viel alter, alß Ihr, liebe Louisse! Ich wolte, liebe Louisse, daß meine freündtschafft zu waß nutzen könte; aber meine freündtschafft ist eine unnutze wahr,[3] leyder. Ich habe nur die erste jagt hir verseümbt wegen husten undt schnupen, sonsten bin ich auff alle hirschjagten gefahren, wo der könig hingangen. Die gutte lufft hir, so mir gar gesundt ist, wie auch die starcke bewegungen haben mir wieder eine volkommene gesundtheit geben. Wen mirs schon gangen wer, wie madame la duchesse, were ich doch nicht [463] sehr erschrocken. Ich bin nicht zum schrecken geneigt,[4] liebe Louise, undt vor 4 jahren wurde ich hir in meiner kutsch braff umbgeworffen ohne den geringsten schrecken oder forcht. Eine von meinen damen brach mitt ihrer axel eines von den gläßern von der kutsch: daß gab ihr 2 schnit in der axel, sonsten that sich niemandts wehe. Ich lachte von hertzen. Der fürst Ragotzi hatt einen gutten teütschen docktor von Nurnberg. Er hatte vom fall ein contrecoup,[5] dicker alß ein ey, hinter dem kopff. Es ist nichts gefahrlicher. Daß hatte er im in 3 tagen courirt, hatt ihn erst 4 paletten zur ader gelaßen, hernach mitt einer essentz geschmirt undt eingeben, den 4ten tag hatt er wider jagen können.[6] Aber man rufft mich abermahl, umb in kirch zu gehen; nach dem salut werde ich, wils gott, dießen brieff außschreiben.
Sontag, den 14 October, umb halb 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der kirch. Es war eine hitz drin, daß ich recht geschwitzt habe; es ist heütte so warm alß wie im Juni. Aber ich komme, unter unß gerett, ich glaube, daß der könig in Engellandt vergnügter in seiner Ghör sein würde, alß in aller seiner pracht in Engellandt;[7] den mein gutter vetter, der herr könig, macht eben so wenig wercks von ceremonien, alß seine alte baß, mein exellentz. Man sagt hir, dießer könig nur in Engellandt seye gangen, seinen herrn sohn zu establiren, daß er ihn auch werde suchen zu crönen laßen undt hernach wider nach Hannover kommen undt nicht mehr in Engellandt gehen;[8] drumb hatt er gewiß seinen gantzen hoff zu Hannover behalten, wie er ist. Ich könte ihn in dem stück nicht desaprobiren; den in seinem platz würde ich es auch so machen. Hatt hertzog Ernst August [464] einkommens genung, umb 12 m. thaller wegzugeben können? Daß deücht mir viel vor einen cadetten undt noch dazu ein hauß in der statt zu kaufen. Der churprintzes oder princes de Galle fraw mutter hatt woll recht, von ihrer fraw dochter abschidt zu nehmen; den wen sie einmahl in Engellandt sein wirdt, wirdt sie sie woll ihr leben nicht wider zu sehen bekommen. Ich dancke Eüch, lieb Louisse, mir der madame de Benigsen briff ges[ch]ickt zu haben. Ich werde ohne ungedult erwarten, waß drauß werden wirdt. Schickt man mir den ring, werde ich ihn mitt danck ahnnehmen undt all mein leben behalten; schickt man mir ihn nicht, werde ich doch all mein leben gedencken, daß meine hertzallerliebste tante mir ihn auß freündtschafft destinirt hatte.[9] Die Kielmanseck[10] mein[t] vielleicht, eine fortun in Engellandt zu machen undt damitt ihre schulden in Teütschlandt zu zahlen. Daß hoffleben hatt daß undt man hatt allezeit verspürt, daß, die dran gewont sein, kein ander leben außstehen können, so übel man sich auch dabey befindt. Ihr werdt nun woll wißen undt erfahren haben, liebe Louisse, daß Barcelonne über ist.[11] Ich aprobire, daß volck[e]r einem herrn getreüe sein, wen er sie wider lieb hatt; aber wen man von einem herren verlaßen wirdt, were es ja billig, nicht so viel bludt zu vergießen undt sich hübsch zu ergeben. Aber die verfluchte mönchen, so fürchten, daß sie unter den frantzoschen könig nicht so desbauchiren konten, wie vorhin, undt nicht mehr so geehrt würden werden, haben in allen ecken von den gassen gepredigt, daß man sich nicht ergeben solte. Hette man meinen raht wollen haben, so hette ich gerahten, daß man dieße schelmen alle in die galleren schicken solte ahnstatt der armen unschuldigen Reformirten, so dort noch stecken. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß ich Eüch in den itzigen jahren nicht wider sehen werde, da ich Eüch doch in Ewern so gar jungen jahren gesehen habe. Wist Ihr noch, wie hertzlich ich mitt Eüch weinte, wie ich Eüch nach closter Neüburg zu der gräffin von Labach führte?[12] Ich weiß nicht, ob Ihr lang dort geblieben seydt. Die Lopes[13] hatt dem könig eine pension [465] gefordert, ist aber in gnaden abgeschlagen worden. Daß war woll eine wunderliche quinte; ich habe es ihr woll vorher gesagt, daß es nicht ahngehen würde. Ich finde es recht artig, daß Ihr 3 freüllen graffinen so Eüch auff Ewere handt mitt einander lustig gemacht habt. Ich habe Eüch schon geschrieben, daß wir den churprintzen von Saxsen hir haben undt welchen, daß ich ihn dem könig pressentirt habe.[14] Er reussirt gar woll hir, aber mitt mir ist er gar scheü; ich glaube, daß mein altes gesicht ihm mißfehlt, aber daß kan ich nicht endern. Er hatt recht feine leütte bey sich; der polnische graff gefelt mir recht woll, wie auch monsieur Hagen, es seindt artige, verstandige leütte. Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben gantz beantwortet. Wir haben nichts neües hir. Ich werde Eüch noch einmahl von hir auß schreiben. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Oktober 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 460–465
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0669.html
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