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Brief vom 18. November 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


675.


[482]
Versaille den 18 November 1714.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen donnerstag abendts nach der jagt bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 6 dießes monts erfrewet worden; bin recht fro, daß unßer commerse nun so richtig geht undt daß unßere brieffe nicht verlohren werden, alß dießes, wo die medaille in wahr; da höre, noch sehe ich nichts von. Sagt [483] mir doch, waß es geweßen! Von meiner fischerey von Petitbourg[1] werde ich nichts mehr sagen, den ich kan mich nicht lang auff jedes article aufhalten; den ich habe heütte abscheülich viel zu schreiben, den erstlich so muß ich absolutte zwey brieff nach Paris schreiben undt ahn die königin von Sicillen ahnfangen. Den morgen werden wir auff die hirschjagt, undt so sie wehrt, wie die gesterige, werde ich ohnmöglich zeit haben, ahn meinen 2 königinen zu antwortten. Gestern fuhren wir hir umb 12 weg undt kammen ein virtel vor 6 abendts erst wider ahn. Ich hatte morgendts nur ein butteram[2] geßen, aß also gleich zu mittag umb 6, umb 7 gingen wir von taffel. Solte mir daß morgen begegenen, würde ich ja kaum Einen brieff schreiben können, will geschweygen 4, so ich morgen zu schreiben habe; den weillen ich übermorgen nach Paris werde, die großhertzogin[3] zu Piquepus[4] zu besuchen, welche ich nicht gesehen, seyder sie auß dem baadt kommen, werde hernach au palais royal, wo ich viel zu thun habe, muß mir kleyder außsuchen, nun die trawer vorbey, undt einen wattenen nachtsrock, vor daß neü jahr auch einen sametes grand habit undt unterrock undt zwey jupons. Gegen abendt werde ich mein enckel, mademoiselle de Valois, ins opera führen undt nach dem opera wider hieher, kan also übermorgen ohnmöglich ahn mein dochter schreiben, alß morgen abendts nach der jagt, muß mich also heütte sehr eyllen in meiner andtwort. Der kleine Dauphin[5] sicht etlich [mal] übel auff[6], wen die zähnger ihm wehe [thun], aber wen er ein wenig woll außsicht, ist es ein schön kindt, hatt große pechschwartze augen, ein rundt gesichtgen, ein hübsch maulgen, daß helt er aber ein wenig zu viel offen, ein klein näßgen, so woll geschaffen ist, schwartze härger, ist woll geschaffen, gantz geradt, artige [484] schenckel undt füßger, summa, es ist eher ein schön, alß heßlich, kindt; es ist allezeit schönner gewest, alß sein brüdergen. Der ander aber war lebhafter undt starcker, alß dießer. Die eintzige söhn, wen sie delicat sein, werde[n] allezeit verzogene kinder. Wen die kinder mütter haben, so vor sie sorgen, so werden die kinder beßer erzogen; wundert mich also nicht, daß die princessinen von Hannover woll erzogen sein. Unßer Dauphin verstehet die landtcartte auff ein endt, wie ein großer mensch.[7] Man lernts ihm in spillen. Mich deucht, vor dießem hatt man bey den Reformirten undt Lutterischen keinen nahmenstag gefeyert, nur den geburtstag. Wirdt hertzog Ernst August den gantz allein zu Hannover zukünfftig jahr regieren? Aber Ihr sagt, er wirdt auch hin; Hannover wirdt den eine wüsteney werden, daß jammert mich; den Hannover ist mir lieber, alß gantz Engellandt. Ich kan nicht begreiffen, liebe Louisse, wie Ihr Eüch so leicht resolviren könt, übers meer zu gehen. Wer mich resolviren konte, übers mehr zu gehen, der müste mir gewiß woll verobligirt sein; nichts kompt mir abscheülicher vor, alß die sehe.[8] Zudem so ist Ewer schwager ein wunderlicher man, bey dem Ihr, wie Ihrs auch ahnfangen mögt, keinen danck verdinen werdet. Undt weillen Ihr hübsch ruhig undt gemäglich zu Franckfort eingerüst seydt, thet Ihr, deücht mir, beßer, ahn die printzes de Galle zu schreiben, daß die sich Ewerer niepce ahnnimpt, weillen sie doch Ewere gutte freundin, undt Ewer schwager wirdt sich eher drin ergeben müßen, alß waß Ihr ihm sagen mögt. Ich sage aber nur meine meinung undt schreibe Eüch hirinen nichts vor. Zu meiner zeit sagte man daß sprichwort, so Ihr cittirt, von der geiß, ahnstatt deß eßels, undt man sagt: bricht ein bein undt nicht: den halß.[9] Eüch in lebensgefahr zu setzen, wolte ich Eüch [485] warlich gar nicht rahten. Schondt Ewer umb gottes willen, liebe Louisse! Man hatt nur Ein leben in dießer welt; verliehrt mans, bekombt man kein anderes. Daß freüllen von Rotzenhaussen jammert mich, daß potagram zu haben; arme habendts wie reiche, sie ist die probe davon, wofern sie es hatt. Ich sehe, daß ich Ewern brieff übel geleßen habe; Ihr redt von der mutter undt ich meinte, es were von der dochter. Daß gedruckts ist recht possirlich; ich wolte, daß es war were, hatt mich lachen machen. Der printz Ragotzi sagt: Wen daß geschicht, so wirdt der papst lutherisch werden. Eine andere post werde ich Ewern brieff vollendts außschreiben, nun aber nur versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. November 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 482–485
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0675.html
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