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Brief vom 15. März 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


692.


[531]
Versaille den 15 Mertz 1715.
Hertzallerliebe Louisse, ich hatte gehofft, heütte auff Ewer liebes schreiben vom 11 Februari / 31 Januari zu andtwortten, so ich vergangenen dinstag ahngefangen hatte; aber, ob ich heütte zwar keinen großen brieff schreiben kan, so will ich doch dieße post nicht vorbeygehen laßen, ohne ahn Eüch, liebe Louisse, zu schreiben, ob ich zwar kein neüen brieff von Eüch entpfangen habe. Aber mich deücht, daß meine schreiben Eüch nicht unahngenehm sein, [532] also will ich Eüch, so viel mir möglich sein wirdt, keine post verfehlen laßen. Dießes ist der 4te brieff, so ich heütte nachmittags schreibe, undt habe noch 2 zu schreiben, einen nach Paris undt einen ahn meine dochter. Komme auff Ewer schreiben, liebe Louisse! Ich[1] sprecht mir schon etlich mahl vom train room[2] undt ich weiß gar nicht, waß train room ist. Ich finde etwaß gar rares, daß konig Jorgen so freündtlich mitt Eüch gesprochen; da hette ich schir ein creütz ahm cammin über gemacht. Es ligt nur ahn dießem könig, daß ich offt ahn I. M. gedencke; allein ich habe ursach, zu glauben, daß sie nichts nach mir fragen, indem sie mich wie eine bludtsfrembte tractiren undt nicht wie eine baß, die seiner fraw mutter leibeygen war. Daß Ihr I. M. magerer gefunden, [ist nicht zu verwundern]; die affairen machen daß. Mylord Stairs gefehlt mir recht woll, er kompt fleißig zu mir. Die printzes hatt mich durch ihn fragen laßen, ob ich den stein probirt undt eingenohmen;[3] ich bin aber, gott lob, nun gesundt, undt wen ich gesundt bin, brauch ich nichts. Mein docktor hatt mich auß precaution purgiren wollen, aber ich habe es blat abgeschlagen. Der printz von Saxsen ist verliebt von madame de Berry, wie ich es bin, undt ich kan Eüch versichern, daß er noch gar gutt undt eyfferig lutterisch ist. Ich glaube, ich habe vergeßen, Eüch die relation von deß persianischen ambassadeurs [entrée][4] zu schicken; hirbey kompt sie. Der betttag, so deß königs in Englandt Carl deß ersten enthäubtung verursachet, ist betrübt vor den lebendigen könig; den wer ist sicher in dem landt, daß ihm nicht daßelbe begegnet? Gott bewahre könig Jorgen davor! Thut die thorheit nicht, liebe Louisse, in Engellandt zu sterben! Aber ernstlich zu reden, so ist es woll war, daß man den lieben gott muß walten laßen, undt sich dawidersetzen wollen ist eine rechte thorheit. Ich bin gantz dießer meinung. Adieu, liebe Louisse! Ewer schreiben ist vollig beantwort, bleibt mir nichts mehr überich, alß Eüch zu versichern, liebe Louisse, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. März 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 531–532
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0692.html
Änderungsstand:
Tintenfass