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Brief vom 28. Mai 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


708.


[566]
Marly den 28 May 1715.
Hertzallerliebe Louise, heütte morgen hab ich Eüch einen von Ewern lieben schreiben beantwortet. Ihr werdet dencken, daß ich woll hette fortschreiben können; aber weillen Ihr mir der printzes von Wallis brieff geschickt habt, wo so gar viel obligenten sachen vor mich in stehen, so hab ich von hertzen drauff geantwortet, aber nicht zu lang wollen machen, im fall dieße liebe printzes mein schreiben sehen wolte, habe also lieber 2, alß einen, brieff schreiben wollen. Ich schäme mich, liebe Louisse, so doll zu schiffriren; hoffe, es doch nicht mehr zu vergeßen, wolte aber doch nicht davor schwehren. Ich glaube, ich werde baldt kindisch werden; den ich verliehre gantz undt gar daß gedachtnuß.[1] Ich bin auch nun alt genung dazu; den seyder gestern bin ich ja in mein 64 jahr getretten, welches ja schon ein hohes alter. Ich weiß nicht, wen mich gott der allmachtige abfordern wirdt; allein ich werde in jenne welt [gehen], ohn nichts in dießer welt zu regrettiren, bin alles satt undt müde undt werde es taglich müde. Aber last unß von waß ander reden! dießer text deücht nichts durch die post. Man sagt, daß man zu Londen viel kohlen brendt; nichts in der weldt mach[t] mehr kopffschmertzen. Bin fro, daß der herr von Degenfelt wider gesundt ist; den seine kranckheit würde … gesetzt haben. Ich bin nun, gott lob, in gar gutte gesundtheit, wiewoll gar nicht lustig, undt sage Eüch gar großen danck vor alle Ewere gutte wünsche. [567] Aber wen man schon in dem alter ist, alß ich bin, liebe Louisse, so werden die überige jahren nur je lenger, je beschwerlicher; den man wirdt mitt dem alter langweillich, gritlich, verdrießlich vor sich selber undt vor andern. Heütte tritt konig Jörgen auch in sein 56 jahr, den ich just 8 jahr älter, alß I. M., bin. Gott erha[l]te ihn undt seine gantz famille lange, insonderheit die liebe printzes! Wie Ihr mir die printzeßin Anne beschreibt, so bilde ich mir ein, daß sie ahn ihrem oncle, dem itzigen margraffen von Anspach gleicht. Wie der noch ein kindt war, hatt er auch lautter kleine undt artige liniamenten, aber ein wenig blöde augen. Printzes Caroline jammert mich, so jung über die see zu fahren; die wirdt Teütschlandt gantz vergeßen. Ihr würdet mir einen rechten gefahlen thun, liebe Louisse, wen Ihr erforschen köntet, waß der printzes von Wallis gefahlen undt ich I. L. schicken könte. Ich bin fro, daß ihr lieber nicht weitter gangen. Alle gelehrten hir in der sternkunst haben admirirt, waß Ihr mir geschickt. Wir haben hir nur einen eintzigen tag heiß wetter gehabt, nun geht wider ein gar kalter nortwindt. Da der duc de Schomburg ja alle articlen vor seiner dochter eingangen ist, kostet es ihm ja nichts mehrers, die sach zu unterschreiben. Worauff wahrt[2] er den? Man solte ihm zu verstehen geben, daß, wen er seine 2 dochter auff einmahl heüraht, daß ihm daß eine hochzeit spart. Ich wolte, liebe Louisse, daß Ihr schon wider in Holland wehret; den die see ist eine heßliche sach. Worumb solte daß packetbot, so so geschwindt geht, nicht gutt vor damen sein? Daß kan ich nicht begreiffen. Ich habe heütte morgen vergeßen, zu sagen, daß der könig dem churprintz von Saxsen einen gar schönnen degen verehrt hatt, mitt demanten gar artig eingefast. Der oberste demant, so den knopff vormirt, wirdt allein 10 m. thaller geschätzt. Alle die demanten seindt brillants.[3] Sonsten weiß ich gar nichts neües in meiner einsambkeit. Biß sambstag werden wir wider nach Versaillen, werden aber wenig tag dort bleiben, hernach wider hieher. Hette ich gutte knie, würde mir Marly woll so lieb, alß Versaillen, sein, umb braff zu spatziren. Ich leyde zu viel ahn den knien, umb gern zu spatziren können. Da schlegt es sieben; ich habe noch nicht ahn mein dochter geschrieben, muß also vor dießmahl enden. Ewere 2 brieffe seindt doch vollig [568] beantwortet. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht von hertzen lieb.
Entschuldiget die fehler von meinen beyden brieffen! Ich kan sie ohnmöglich überleßen, noch corigiren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Mai 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 566–568
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0708.html
Änderungsstand:
Tintenfass