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Brief vom 14. Juni 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


711.


[574]
Marly den 14 Juni 1715.
Hertzallerliebe Louisse, vorgestern, ehe ich von Versaille bin, habe ich Ewer liebes schreiben sambt den kupfferstücken zu recht [575] entpfangen, wovor ich Eüch sehr dancke. Der vorgesterige tag war mir glücklich; ich finge ihn recht woll ahn, morgens zwischen 8 undt 9, wie ich eben die hände wusch, kamme mein sohn in mein cammer undt erfreütte mich mitt gar ein ahngenehm pressent. Er bracht mir 17 goltene antique medaille, so gar schön sein, kommen auß dem schatz, den man neulich bey Modene gefunden hatt, wie Ihr, liebe Louise, in den holländischen gazetten werdet gesehen haben; die hatt er heimblich von Rom kommen laßen. Dieße sorg, mir dießen gefallen zu erweißen, hatt mich recht in der seelen gefrewet, nicht so sehr wegen der wehrt vom pressent, alß meines sohns vorsorg. Gleich drauff entpfinge ich Ewer liebes schreiben mitt den kupfferstück, welches mich auch gefreüet. Ich fünde den printz von Wallis viel schönner in dießem contrefait, alß man mir ihn beschrieben; den man hatte mir gesagt, er hette gar ein lang undt schmahl gesicht; aber in dießem ist daß gesicht nicht zu schmahl, den ein lang gesicht ist nicht widerlich, wen es nur nicht zu schmahl ist. Der printzes contrefait gleicht gar nicht ahn daß, so ich von I. L. in öhl habe; aber es ist gar artig gestochen undt woll gerißen. Ich habe den könig Jorgen, den Ihr mir vorher geschickt, den printz, die printzes sambt den kleinen printzessinen in ein buch gethan undt alle englische contrefait werde ich in dießes buch thun. Ich weiß nicht, ob dieße freüde, so ich gehabt undt mir gar ungewont ist, mir etwaß im magen gerührt hatt; allein es kamme mir auff einmahl met verlöff, met verlöff, wie die fraw von Woltzogen alß pflegt zu sagen, ein starcker tribßdrill ahn, alß wen man mir eine starcke medecin geben hette, bin in 2 stundten 8 mahl gangen, 2 finger hoch aber vom vin d’Alicant[1] haben mich vollig courirt, befinde mich beßer, alß zuvor, gott lob! Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer schreiben komme. Daß Eüch gefreüet, waß ich Eüch letzte reiß von hir geschickt, ist mir von hertzen lieb; aber weillen Ewer so gar gutt gemühte mir bekandt undt ich weiß, wie sehr mein bruder, churfürst Carl, undt Ihr einander geliebt habt, undt ich weiß auch woll, daß Ihr mich nicht hast, drumb habe ich woll gedacht, daß [ich] Eüch einen gefahlen mitt dießem kleinen pressent thun würde. Aber man rufft mich, ich muß in kirch. Nach dem eßen werde ich dießen brieff [576] außschreiben, jetzt aber einen abtrit nehmen undt darnach in die kirch.
Freytag, den 14, umb 6 abendts.
Ich hatte gehofft, umb 3 wider zu schreiben, allein, wie daß frantzösche sprichwordt sagt: L’homme proposse et dieu dispose. Ich habe nicht dazu gelangen können; den erstlich so habe ich den könig im gartten ahngetroffen undt mitt I. M. biß umb ein virtel auff 2 spatzirt. Hernach ist jedes zum eßen gangen; ahn taffel hatt man mir 3 große brieff von Paris bracht, die habe ich nach dem eßen leßen wollen, bin aber interompirt worden, indem ich einen abtrit habe nehmen müßen; wie ich wieder kommen undt habe leßen wollen, bin ich drüber entschlaffen. Der regen ist seyder heütte morgen kommen, ist jetzt sehr schlafferig wetter. Wie ich wider erwacht, habe ich einen brieff von meinem beichtsvatter funden, worauff ich gleich habe andtwortten müßen; hernach bin ich von einem gelehrten interompirt worden, welchen ich vorgestern rendevous geben hatte. Die 17 medaillen von meinem sohn in ordre zu richten, daß hatt viel fragens gegolten, daß hatt mich biß auff dieße stundt geführt. Nun aber hoffe ich, völlig auff Ew[e]r liebes schreiben zu andtwortten; komme, wo ich heütte morgen geblieben war. Daß schildtkrottene schächtelgen da ist gar nicht vor zu dancken; habe es nur geschickt, weillen es blat ist, also gemachlicher ins paquet kan komen. Es ist gar nicht neü, es ist lenger, alß ein jahr, daß ich es im sack trage; daß so soll[2] gar nicht vor ein pressent passiren. Ich bin fro, daß Ihr unßere haar allezeit behalten wolt; den es were mir leydt, wen es in frembden händen kommen solte. Ihr seydt woll die beste tante. so man jemandts[3] gesehen, bey Ewer lebenszeit, waß Ihr habt, schon unter Ewere niepcen zu theyllen, da Ihr es doch woll unterdeßen Ewer lebenzeit hettet behalten können undt ihnen in Ewer testament verlaßen. Ich hette mein leben nicht gedacht, daß Ihr ein creütz tragen würdet, liebe Louisse![4] Daß hatt mich lachen machen; ich habe dießen butz nie getragen; ich sehe die creütze gar nicht gern, dieße form gefählt mir nicht. Ich erfrewe mich mitt Eüch, daß Ewer elste niepce endtlich geheüraht ist; aber seydt Ihr auch woll sicher, daß der [577] heüraht volzogen ist? Die warheit zu sagen, so bin ich ein wenig mißtreüisch mitt wunderlichen leütten, wie Ewer gutter herr schwager ist, undt kompt es mir gar wunderlich vor, daß er so ein klein hauß genohmen, seines dochtermans mutter nicht bey der hochzeit zu haben, noch Eüch, da Ihr doch die reiß allein in Engellandt gethan, dießen heüraht zu sehen; undt daß man Eüch noch die mutter von der ceremoni[e] abhelt, kompt mir suspect vor; verlange sehr, weitter zu vernehmen, wie es abgangen, undt wünsche, daß die zweytte auch nach Ewerm sin möge verheürahtet werden. Kan die printzes von Wallis meine schrifft nicht leßen, daß ihr herr ihr meinen brieff vorgeleßen? A propo[s] von dießer printzes, könt Ihr mir den nicht sagen, liebe Louisse, waß ich I. L. schicken könte? Ich wolte ihr so gern waß von hir schicken, so ihr ahngenehm sein könte. Unterzeichenen in Engellandt die großen herrn ihre heürahtscontracten nicht, wie hir in Franckreich, daß der könig nach Ewerer niepce heüraht fragt? Ich weiß dem könig Jorgen recht [dank], so freündtlich mitt Eüch gewest zu sein; es ist aber nicht genung, er solte Eüch auch recht schaffen in Ewer chargen undt in waß Eüch seine fraw mutter, unßere liebe churfürstin, verlaßen hatt. Zu Paris illuminiren die frembten die heüßer nie, sondern nur die, welchen die heüßer gehören; also wunderts mich recht, daß Ihr dieße despense zu thun habt. Ist die printzes von Wallis nicht fro geweßen, ihr printzesgen wider zu sehen undt bey sich zu haben? Mich wundert, daß die Englander leyden, daß die princessinen ihre teütsche hoffmeisterin behalten. Ich hatte gehofft, Eüch dieße post eins von meinen kupferstücken zu schicken können; allein der kupfferstecher hatt sein wordt nicht gehalten; es wirdt vor ein andermahl sein. Ich schicke hirbey die liste von Marly; bitte, Ihr wolt sie doch von mein[e]twegen ahn mademoiselle de Malause schicken, dern ich dieße list versprochen. Ich bin 10 jahr alter, alß Ihr, liebe Louisse, muß also woll vor Eüch in jene welt. Ich wolte von hertzen gern lenger plauttern, allein es schlegt 8 undt ich muß noch ahn mein docht[e]r undt 2 personnen zu Paris schreiben, muß also wider willen dießen brieff schließen, kan ihn nicht einmahl überleßen; bitte, die fehler zu entschuldigen. Dancke vor den brieff vom ingenieur, ich leße gern solche relationen. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt [578] versichere Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Juni 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 574–578
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0711.html
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