Seitenbanner

Brief vom 28. Juni 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


713.


[579]
Marly den 28 Juni 1715.
Hertzallerliebe Louisse, ich hette Eüch von hertzen gern schon vergangen dinstag auf Ewer liebes schreiben vom 2/12 Juni geantwortet; aber wir kammen [erst] umb 5 von der jagt, muste umb 6 mitt dem könig ins salut, den wir wahren noch in der octave de la feste du st sacrement, hatte nur die zeit, von kleyder zu endern; hernach muste ich meines sohns gemahlin besuchen, so im 2ten pavillon jetzt logirt undt eine starcke migraine hatte. Es schlug 8ten, wie ich wider in mein cabinet kamme; hatte nur der zeit, vor dem nachteßen ahn mein dochter zu andtwortten. Heütte, da es wider jagttag ist, habe ich mich beßer vorgesehen undt habe schon 12 bogen ahn mein dochter geschriben, hoffe also, daß ich Eüch nach der jagt werde andtwortten können; den die octave vom st sacrement ist gestern zu endt gangen, dadurch gewine ich schon eine gantze stundt. Ich bin aber, wie daß frantzösche sprichwort sagt, [580] comme un asne entre deux pré qui ne sait auquel aller;[1] den ich habe Ewer liebes schreiben vom 2/12 Juni da undt daß vom 20/9 Juni, so man mir vorgestern geben; weiß nicht, auff welches ich heütte andtwortten solle, glaube doch, daß es bey dem ersten sein muß, sage nur auff daß zweytte großen mächtigen danck vor daß schönne kupfferstück vom könig in Preüssen. Morgen werde ich nach Versaille, dort zu mittag eßen undt diß kupfferstück placiren. Dießer tag mögte mir woll threnen kosten, den ich werde den ring von ma tante, unßere liebe churfürstin s., dort bekommen.[2] Waß ich noch auff den frischen brieff zu sagen habe, ist, Eüch zu bitten, liebe Louisse, dem duc de Schomberg zu sagen, daß es mich freüet, daß mein compliment ihm ahngenehm geweßen, daß ich nicht geendert bin undt noch allezeit dieselbe estime vor ihm habe, so ich allezeit vor ihm gehabt, undt hoffe, daß er auch allezeit mein freündt bleiben werde, undt daß ich ihm undt den seinigen alles vergnügen wünsche. Nun komme ich auff Ewer erstes schreiben; aber daß[3] schlegt es 3 virtel auff …, ich muß mich auff die jagt rüsten: nach der jagt werde ich außschreiben.
Freyttag umb halb 9 abendts.
Die jagt ist gar lang geweßen, wir seindt erst nach 6 wider kommen; sie ist gar schön geweßen. Es ist ein wunder, daß die hunde bey so großer hitz haben so woll jagen konnen undt mitt so großem gelautt, umb waydtmänisch zu reden[4]; den da ist nicht erlaubt, geschrey zu [sagen], sonst verdint man daß waydtmeßer.[5] Zu Neckerau[6] habe ich einmahl bekommen. Ich hatte gehofft, daß die jagt nicht so gar lang dauern solte undt ich ein wenig ordentlich auff Ewer liebes schreiben würde andtwortten können. Es ist gar zu spät, muß wider meinen willen noch auff ein andermahl versparen; den ob ich schon geßen habe, muß ich noch ahns konigs taffel, alß wen ich noch eßen würde, undt man ist[7] bey [581] dem konig ein wenig nach 10 uhr undt ich habe noch ein brieff nach Paris zu schreiben. Waß ich dießen abendt nur in eyll sagen kan, ist, daß ich, wie ich eben ahn taffel gangen, noch ein schreiben vom 24/13 Juni [empfangen habe]; aber gott weiß, wen ich drauff werde andtwortten konnen. Es ist heütte so eine grimige hitze, daß einer schmeltzen mögt, insonderheit wen man mitt einer so dicken watten umbgeben ist, wie mein fett ist. Adieu, liebe! Ich kan ohnmoglich mehr sagen, alß daß morgen die fraw von Rotzenhaussen ahnkompt von Luneville. Ich gehe nach Versaille, werde sie abendts herführen, den sie hatt ein logement hir. Wolte gott, ich konte Eüch, liebe Louise, auch einmahl wider sehen undt ambrassiren undt versichern, daß ich Eüch all mein leben lieb behalte undt haben werde!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Juni 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 579–581
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0713.html
Änderungsstand:
Tintenfass