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Brief vom 18. Juli 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


716.


[589]
Marly den 18 Julli 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich habe noch ein stündtgen in meiner cammer zu sein, welches ich nicht beßer ahnwenden kan, alß Eüch, liebe Louisse, zu entreteniren; den vergangenen dinstag ist es mir ohnmöglich gefahlen. Ich habe auch der sach nicht vorkommen können, den montags habe ich ahn den könig in Spanien, die königin, seine gemahlin, schreiben müßen wegen dem endt deß kriegs [590] undt der eroberung der gantzen insel Majorque;[1] darnach habe ich noch müßen auff 20 bogen von der königin von Sicillen andtwortten müßen, auch ahn die verwitibte königin von Spanien, ahn meinen secretarius undt noch ahn eine dame zu Paris. Ich gestehe, ich war recht müde, wie dießes alles außgeschriben war, wie Ihr leicht glauben könt. Dinstag war hirschjagt undt wir kammen erst umb 8 abendts wider nach hauß, hatten umb 3 ahngefangen. Wie ich wider kam, muste ich mich anderst ahnziehen, hatte also nur der zeit, ein par wordt ahn mein dochter zu schreiben. Ich hatte eine von meines sohns döchtern mitt mir genohmen, die ihr leben keine jagt gesehen; es war die 3te von den lebendige, den die erste ist lengst todt, hatt keine 2 jahr gelebt. Man heist dieße mademoiselle de Vallois,[2] es ist ein metgen von 14 jahren. Wie sie noch ein kindt war, meinte ich, sie würde recht schön werden, aber ich bin sehr in meiner hoffnung betrogen, es ist ihr eine große habichsnaß kommen, die hatt alles verderbt; sie hatt daß artigste näßgen von der weldt gehabt, so endern die kinder. Ich ratte woll, waß es ist; man hatt ihr ertaubt, schnupfftaback zu nehmen, daß hatt ihr die naß so wacksen machen. Hett man mir geglaubt, hette man keines von den kindern ins closter gesteckt; aber ihr fraw mutter denckt anderst, alß ich. Die 2 will [591] mitt aller gewalt ein none werden,[3] daß verdriest mich undt erfreuet die fraw mutter. Aber nur gedult! ich bin gewiß, es wirdt ihnen allen gereüen, so zu dießem handel geholfen haben. Ich habe mir nichts dabey vorzuwerffen, den ich habe mein bestes gethan, die sach zu wehren. Auff dießem allem were noch viel zu sagen, aber es seindt keine sachen, so der post zu vertrawen sein. Ich habe mein parthey gefast, alles gehen zu laßen, wie man will, undt mich in nichts zu mischen, waß meines sohns kinder betrifft; aber ich mags, wie jungfer Colb, meine hoffmeisterin, alß vom herr Bierman verzehlt, so alß sagte: Genung undt übergenung von dießem allem!, wen er 3 stundt gepredigt hatte. Ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 27 Juni / 8 Julli, so ich vergangenen montag entpfangen habe; bin fro, daß meine schreiben zu recht kommen. Wie Ihr secht, so entpfange ich die Ewern auch gar richtig. Die goltene medaille ist über die maßen schon undt magnifiq, so mir die printzes von Wallis geschickt hatt; aber man kan sie ohne schaudern nicht ahnsehen, aber ich bin fro, daß ich sie habe.[4] Keine sieclen können wider eine solche fürstin finden, wie ma tante war. Meine gesundtheit ist, gott seye danck, gar perfect, außer die böße knie. Viel lustiges hört man hir nicht, undt wen man in meinem alter ist, so [kann] man schwerlich waß hören, so gefelt. Es ist gott zu dancken, wen man den tag passirt, ohne waß gar widerliches zu sehen, oder zu hören. So ist es bestelt, liebe Louisse! Hir lernt die fraw von Rotzenhaussen daß maul hencken, eben so woll, alß wie andere. Aber da schlegt es 10.
Freytag, den 19 Julli, umb 10 morgendts.
Ich wartte, biß der könig in die kirch geht, umb I. M. zu folgen; will Eüch doch noch vorher einen gutten morgen wünschen, liebe Louisse! Viel mehr werde ich vor dießmahl nicht sagen können, aber nach meinem eßen (den ich eße umb 11) werde ich noch 2 stundt zu schreiben haben, den wir fahren erst umb 3 auff die jagt. Daß wetter ist nicht sonderlich schön, die sonne scheindt [592] zwar, allein es geht ein gar starcker windt undt kommen offt schußregen; wir mogten woll ein wenig getauft werden, ich sehe da schwartze, dicke wolken. Ich komme aber auch wieder auff Ewer liebes schreiben, wo ich gestern abendts geblieben war, nehmblich ahn die fraw von Rotzenhaussen. So lustig sie auch noch sein mag, so findt man doch wenig occassion, von hertzen zu lachen können; wen man alt wirdt, vergeht alle lust. Ich admirire die fraw von Rotzenhaussen, wie sie noch ihre lust behalten kan. Mir ist daß lachen sehr vergangen; vor ma tante todt konte ich noch hertzlich lachen.[5] I. L. schrieben mir alß etwaß artiges, so mich in den grösten verdruß wider erholte; aber nun ist alles auß. Es ist gewiß, daß Ihr auch viel verlust gethan hatt[6]; aber, liebe Louisse, so ist die welt beschaffen, man muß endtwetter selber sterben, oder die sterben sehn, so einem lieb sein. Man konte darauff woll sagen, wie die verstorbene madame de Bregie[7] alß sagte: Cela est bien desobligent. Sie saß einmahl in einem eck auff den boden in mein cabinet, fing überlautt ahn zu ruffen, waß ich alleweill gesagt. Ich sagt, waß sie da sagte, so andtwortete sie: Madame, je faissois reflection tont a l’heure, que nous sommes avant que de naistre dans un neant tres propre; nous ne demandons point a venir en ce monde, on nous y met sans demander nostre advis, cela est bien desobligent. Nous sommes en ce monde, nous y avons bien du mal, cepandant nous y accoustumons et nous n’en voullons point sortir. On nous prend, quand nous y songeons le moins, et on nous en fait sortir malgré nous, cela est bien desobligent.
Freytag, den 19, umb 3 viertel auff 1 nachmittags.
In dießem augenblick komme ich von taffel. Der könig ist heütte gar spät in kirch, erst umb halb 11, undt ob ich zwar befohlen, daß man mir umb 11 zu mittag eßen geben solt, aber die fisch seindt spät ahnkommen, haben also erst unßer eßen umb 3 virtel auff 12 ahngericht worden. Nun komme ich wieder, wo ich geblieben war, nehmblich ahn madame de Bregie ihr dicton, so mir hundertmahl einfelt, den es kompt offt a propo. Ewer schwager hatt, glaube ich, vom könig gelehrnt, daß er nicht leyden kan, daß [593] man trawerig außsicht; den daß können I. M. durchauß nicht leyden; man muß sich zwingen, wen man trawerig ist. Gott gebe, daß der gutte humor von Ewerm schwager immer dawern mag, auff wenigst, so lang Ihr noch in Engellandt bleiben werdet! Ist es der Nicolini, so ich hir gesehen, aber nicht singen hören? Den die warheit zu bekennen, so liebe ich die ittalliensche musick gar nicht; ihr lange fredons seindt mir unleyder[8]; meine, ich höre tenebre singen, wie man hir in der carwoch singt, welches daß widerlichste gesänge von der weldt ist; bleiben ein virtelstundt auff einer silabe oder voyelle, daß ist mir unleydtlich, alle die ha ha ha he he he daß kan ich nicht leyden. Wie ich sehe, so ist daß wetter in Engellandt wie hir den seyder 8 tag. Ich wolte taußendtmahl lieber churfürst von Braunsweig, alß könig in Engellandt, sein. Der erste ist ein absolutter regirender herr, der thun kan, waß er will; aber ein könig in Englandt ist ein sclaff, der seines lebens nie sicher ist. Sie seindt auch der catholischen religion nicht so zuwider, alß Ihr meint; den erinert Ihr Eüch den nicht mehr, mitt welchen freüden sie den letzten könig Jacop in Engellandt gecrönnet haben? Undt wusten doch alle gar woll, daß er undt seine königin catholisch wahren. Es geht mitt den Engländer, wie die fantesien ihnen im kopff kommen. Waß meritten einer auch haben mag, sobaldt man ihr könig ist, wirdt man von ihnen gehast.[9] Die leütte können nie weder in ruhen, noch in ordnung kommen. Die graffin von Warttenberg[10] ist noch zu Paris undt führt ein doll [leben]. Ich habe sie nie gesehen, sie kompt nicht mehr nach hoff. Sie hatt sich mitt einem jungen Minquitz[11], einen Saxsen, versprochen; der hatt ihr alle ihre ju[w]ellen gestollen undt ist mitt durchgangen; sie hatt drüber geklagt undt hatt ihn wider auß Flandern hollen laßen. Er hatt ihr aber einen offenen brieff geschrieben, worinen stehet, daß, waß er gethan, vor keinen diebstal passiren können, weillen er erstlich mitt ihr versprochen were; zum andern so hette sie einen Polen woll 50 m. francken versprochen, weillen er nur einmahl die Frantzoßen von ihm[12] bekommen; nun seye es gewiß, daß es ihm 2 mahl [594] geben, also müste er ja woll doppelt bezahlt werden. Der cavalier ist loß gesprochen worden mitt dem beding, daß er die juwellen wider geben solte; daß hatt er gethan undt sie hatt die unkosten bezahlen müßen. Kein ehrliche dame sicht sie mehr; ein schändtlicher [leben] kan man nicht führen, alß sie führt, wirdt von aller welt veracht undt verlacht. Ewere niepce ist noch jung genung, Teütsch zu lehrnen, insonderheit weillen sie inclination dazu hatt. Ewer liebes schreiben ist mir gar nicht zu lang vorkommen; in kurtzen brieffen kan man ja nichts sagen undt macht kein conversation, noch gesprach. Ewer liebes[13] schreiben seindt nie zu lang.
Freytag umb ein viertel auff 9 abendts.
In dießem augenblick bin ich eben fertig worden. Es ist 3 viertelstundt, daß wir von der jagt kommen sein; sie ist nicht glücklich geweßen, wir haben nichts gefangen, aber daß wetter ist schönner geweßen, alß ich gemeint. Ich muß jetzt ahn mein dochter schreiben. Zu[m] glück ist Ewer letztes werdtes schreiben vollig beantwortet. Adien, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt seydt versichert, daß ich Euch allezeit von hertzen lieb behalte!
P. S.
Es ist eine große disputte zu Paris, etlich sagen, mylord Stairs seye vom großen hauß, andere sagen, er seye vom gar schlegtem herkommen. Sagt mir doch, welche von beyden recht haben, undt entschuldigt die fehler dießes brieffs! Ich kan ihn ohnmöglich überleßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Juli 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 589–594
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0716.html
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