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Brief vom 20. August 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


723.


[611]
Versaille den 20 August 1715.
Hertzallerliebste Louise, wie ich eben ahnfangen wolte, auff Ewer liebes schreiben vom 3/14 Julli zu andtworten, so ich durch monsieur Stamer entpfangen, wie ich Eüch verwichenen freytag schon bericht, so bringt man mir noch eins von Ewern brieffen, liebe Louisse, vom 4/15 dießes monts, no 24. Ich will bey dießem [612] frischten ahnfangen. Ich kan nicht begreiffen, wo mein briff von 8 die 3 überige tag, so er ahnkommen, muß herumbgeschlept haben; den die brieffe kommen ja in 5 tagen über. Also weillen mein brieff Eüch erst 8 tag hernach gegeben wirdt, muß man es nohtwendiger weiß 3 tag auffgehalten haben. Dem seye aber, wie ihm wolle, so ist nichts dran zu endern, also nichts weitters drauff zu sagen. Aber da kommen viel hindernuße, der abgesante ven Denemarck, der abgesante von Sicillien, der von Holland, der von Schweden undt der envoyes von Schweden, der envoyes von Holstein, der von Wolffenbüttel undt noch andere mehr.
Dinstag umb halb 4 nachmittags.
Sobaldt ich von taffel auffgestanden, habe ich noch viel verhindernüße bekommen. Ich weiß nicht, ob ich heütte werde außschreiben können; den die poldergeister schwirmen gar starck heütte. Eüch zu schreiben, liebe Louise, da gehört keine gedult zu, aber woll, wen man offt interompirt wirdt; den daß macht bludts-ungedultig. Mein gott, liebe Louisse, warumb geht Ihr nicht wider auß Engellandt in Teütschlandt? Ihr habt ja nichts, alß chagrin, dort undt die lufft ist Eüch auch nicht gutt. Es ist keine moden in den formen von gemahls; man macht sie oval oder 4eckt nach dem ort, wo man sie hinthun will, oder daß sie mitt andern figuriren sollen. Bitte, liebe Louisse, macht doch wider schönne complimenten von meinetwegen ahn I. L. die printzes von Wallis! Mich deücht, es wer noch zeit genung, daß I. L. den ram machen ließen, wen sie daß contrefait haben werden. Man arbeydt, aber der mahler ist greülich langsam; man hats ihm erst vor wenig tagen befehlen konnen, den er ist kranck geweßen. Mich deücht, daß itzunnder die trawer vor die königin Anne woll auß sein solte; den, wo mir recht, ist es schon übers jahr, daß sie gestorben ist. Wirdt man den die trawer in Engellandt übers jahr tragen? Wen gar viel leütte versamlet sein, sicht man ahm wenigsten, wer jung oder alt ist, alles wirdt durch einander confondirt; in kleinen geselschafften unterschiedet man die leütte mehr. Der chevallier de St George ist gar gewiß noch zu Bar; den wie printz Frantz starb, ist er selber kommen, daß leydt zu klagen. Seine fraw mutter ist nicht im baadt geweßen, sie kompt wider nach St Germain. Man mag woll viel in könig Jacobs nahmen gethan haben, da er nichts von [613] gewust hatte; da seindt die pfaffen sehr capabel zu. Alle verbitterungen, so man gegen die religionen hatt, da seindt die pfaffen auff allen seytten schuldig ahn; den ahnstatt mittel zu suchen, frieden zu schaffen, so suchen sie (ich sage auff allen seytten) nun, mittel zu finden, alle Christen gegen einander auffzuhetzen, meinen, dadurch über die hohen heüpter zu herschen; den sie seindt so, daß man unter huntert kaum einen eintzigen finden, so nicht voller ambition ist.[1] Ich bin persuadirt, daß, wen man sich offenhertzig mitt einander verstehen wolte, daß sich alle religionen vergleichen könten undt nur Ein hirt undt Eine heerde machen. Daß man denen die gewehr [nimmt], so man heimblich mitt bajonnetten findt, daß kan kein mensch desaprobiren. Alle menschen sagen viel guts vom duc d’Ormont[2]; der comte d’Oxfort aber soll nichts deügen, wie ich gehört. Es ist seyder wenig tagen noch ein großer herr auß Engellandt nach Paris kommen, ich habe aber den nahmen nicht behalten. Ihr werdet auß meinem letzten schreiben ersehen haben, liebe Louisse, wie daß ich den höfflichen eigenhändigen brieff von konig Jorgen woll entpfangen hab. Hir bey Equan[3] verzehlt man eben so eine historie wie die, so Ihr mir da verzehlt habt. Wie der man undt die fraw dodt wahren, hatt man ihnen nachfolgendes epitaphe gemacht:
Si git la soeur, si git le frere,
Si git la fille, si git le pere, Si git la fame et le mary
Et il n’y a que deux corps icy.[4]
Madame de Maintenon ist nicht kranck geweßen, sie ist frisch undt gesundt. Wolte gott, unßer könig were so woll! so were ich in wenigern sorgen, alß ich leyder bin. Es ist gewiß, daß mich deß königs kranckheit angsten injagt, daß mir daß hertz zittert; [614] ich kan nicht woll mehr drüber schlaffen. Worumb weint Ihr, liebe Louise? Thut man Eüch etwaß widerliches in Engellandt, so kont Ihr ja Eüch heraußreißen undt wegziehen. Meine kutschen seindt kommen; ich habe den kopff daußelicht, muß ein wenig frische lufft nehmen; dießen abendt werde ich außschreiben.
Dinstag ein viertel auff 8ten abendts.
Ich komme jetzt eben von der promenade. Es ist zwar gar ein sanfft wetter, aber eben so trawerig, alß ich bin. Ich habe Eüch schon gesagt, liebe Louisse, daß ich Ewer schreiben von ihm entpfangen. Ich habe kein gar groß corespondentz mitt I. L. der churfürstin von Saxsen; glaube nicht, daß wir einander über 4 mahl geschrieben haben. Ich muste woll ein bößen humor haben, liebe Louisse, wen ich übel nehmen könte, daß Ihr mir schreibt undt schönne kupfferstück schickt, wovor ich Eüch nochmahls sehr dancke. In waß ich monsieur Stamer werde gefallen thun können, werde ich es von hertzen gern thun; aber er ist leyder in einer gar betrübten undt traweriger zeit kommen. Ich wolte gern lenger sprechen, allein es ist spät undt ich muß ahn mein dochter schreiben, kan also vor dießmahl ohnmöglich mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. August 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 611–614
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0723.html
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