Seitenbanner

Brief vom 13. September 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


727.


[624]
Paris den 13 September 1715.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen dinstag abendts, wie ich eben ahn Eüch geschriben hatte undt mein brieff auff die post geschickt, wurde ich mitt Ewer liebes vom 5 September / 25 Augusti, no 29, erfrewet; aber daß, so Ihr den tag vorher geschrieben in I. L. der printzes von Wallis kammer, hab ich noch nicht endtpfangen. Aber vergangen mitwog sagte mir mylord Stairs, er hette ein paquet vor mich, daß woll er mir bringen; es ist heütte schon der tritte tag undt ich habe noch nichts von ihm gehört, noch gesehen. Ach, liebe Louisse, mich wundert nicht, daß Eüch unßers königs s. todt zu hertzen gangen. Waß ich Eüch davon geschrieben, ist nicht zu vergleichen, waß wir leyder gehört undt gesehen haben. Der könig war von sich selber gutt undt gerecht; allein daß alte weib[1] hatte ihm so eingepregt, daß es niemandts gutt mitt ihm meint, alß sie undt seine minister, daß er niemandts, alß sie, seinem beichtsvatter undt seinen ministern getrawet; undt wie [der] gutte könig nicht gelehrt war, also hatt der Jessuit undt daß alte weib in geistlichen sachen undt die minister in weltlichen sachen dem könig alles weiß gemacht, waß sie gewolt haben, undt die minister wahren meistentheils der alten zott creaturen, also kan ich mitt warheit sagen, daß alles, waß bößes geschehen, nicht vom könig [625] kommen. Man hatt ihm alß weiß gemacht, seine seeligkeit bestehe drauff, undt Ihr wist, liebe Louisse, wen man davon persuadirt ist, ist man nicht zu abussiren. Meine augen thun mir noch wehe vom abscheülichen weinen, wie ich von Versaille weg bin. Ich habe woll nicht ohne ursach geweint, den ich bin ihr[2] woll eine gequellet seehl, habe kein augenblick ruhe, werde allezeit interompirt. Heütte morgen habe ich ahngefangen umb halb 10 zu schreiben ; da haben die interuptionen ahngefangen undt biß nun gewehrt, da es halb 4 ist. Mein eßen ist nicht … da kan ich keinen bißen ins maul thun, muß alß die leütte entreteniren undt gantz allein eßen; nichts ist verdrießlicher. Es ist war, liebe Louisse, daß unßer s. könig sontag, den 1 September, umb halb 9 verschieden ist; ich glaube, ich habe es Eüch schon bericht undt wie es im parlement zugangen. Gestern hatt man den jungen könig ins parlement zu sein lit de justice geführt[3], da ist meines sohns regence enregistrirt worden, also gar sicher undt gewiß. Mein parthie nehmen undt mich in gottes willen ergeben, kan ich woll; aber, liebe Louisse, wer kan in einem ewigen zwang undt ungemächlichkeit lustig undt vergnügt sein? Es ist aber gottes wille, daß ich biß ahn mein endt leyden solle; also muß man sich drinen ergeben. Es kan mich gar nicht verdrießen, daß Ihr gern hettet, daß ich nicht mehr trawerig sein solle; den ich sehe woll, daß es auß purer freündtschafft ist undt daß Ihr fürcht, daß ich auß betrübtnuß kranck werde werden. Aber solte ich kranck werden, so wirdt es die hießige lufft verursachen; den seyder vergangen montag, daß ich hir ahnkommen, bin ich keine stundt ohne kopffwehe geweßen. Mein sohn, bin ich versichert, mogte wünschen, daß ich vergnügt hir mögte sein; aber daß stehet nicht in seinem vermögen. Es ist nur zu wünschen, daß ich baldt daß fieber bekommen möge; den ich habe versprochen, nicht eher hir wegzugehen, biß ich kranck werde. Kopffwehe ist nicht drin gerechnet, den ohne daß kan ich nicht zu Paris sein; bekomme ich aber daß fieber, gehe ich in unßer liebes St Clou. Mein sohn hatt woll andere sachen zu thun, alß ahn meine lust undt vergnügen zu gedencken. Er hatt woll von nöhten, daß man gott fleißig vor ihm bitt. Mich deücht, er ist [626] sehr resolvirt, deß königs letzte ordre zu folgen undt friedtlich mitt seinen nachbarn zu leben. Ich glaube, daß, wen es allein bey meinem sohn stünde, daß er gern allen bedrenckten beystehen wolte; aber viel sachen werden nicht durchauß bey ihm stehen, undt ob[4] zu weißen, daß er alles nicht auß seiner eygenen fantasie regiren will, so hatt er schon unterschiedtliche räht gestifft, einen vor die staadtssachen, einen raht vor die geistlichen sachen, einen vor die frembdten affairen, einen vor kriegssachen[5]; also kan er nichts thun, alß waß hirin beschloßen wirdt werden, undt es wirdt schwer zu glauben sein, daß der geistliche raht, so in pfaffen bestehen wirdt, favorable vor die refugirten sein wirdt. Ich habe mir vorgesetzt, mich in nichts in der weldt zu mischen. Franckreich ist gar zu lang leyder (unter unß gerett) durch weibern regirt worden[6]; ich will nicht ursach [sein], waß mich ahnlangt, daß man daßelbige von meinem sohn sagen mag. Ich will daß gutt exempel geben, meinem sohn dadurch die augen zu offnen, sich von keinem weib, welche es auch sein mag, regiren zu laßen. St Clou ist ein ort, so mir lieb undt wehrt ist, den es ist der schönste ort von der welt; allein were ich gleich hingangen, hette mich gantz Paris gehast, die doch alle so eine groß affection vor mein sohn undt mich bezeüget, daß es woll billig ist, daß ich mich vor ihnen zwinge. Nein, liebe Louisse, glaubt nicht, daß mich deß königs todt in freyheit setzt, zu leben, wie ich es gerne wolte! Man muß nach landtsbrauch leben undt da hatt man die wahl gantz undt gar nicht; man muß in meinem standt eine rechte victime von der grandeur sein undt allezeit gegen [seinen] willen thun, auffs wenigst gegen waß man gerne thete. Ihr solt mir, liebe Louisse, gar nicht verobligirt sein, Eüch in meiner betrübtnuß zu schreiben; den nichts erleichtert mehr daß hertz, alß denen sein leydt zu klagen, die man lieb hatt [627] undt welche recht part ahn unßer unglück nehmen. Es ist war, daß alle menschen den konig todt gemeint, wie madame de Maintenon weg gefahren; sie hatt es selber gemeint gehabt, weillen er eine starcke ohnmacht gehabt[7]; allein er ist wider zu sich selber kommen undt [hat] noch gelebt, wie ichs schon gesagt. Ich will nicht mehr von dießen trawerigen sachen reden, den es schmertz[t] mich zu sehr. Standthafftig ist der könig biß im letzten augenblick geweßen, sagte auch zu madame de Maintenon in lachen: Ich meinte, sterben were schwehrer, alß es ist; ich versichere, daß es keine gar große sach ist; kompt mir gar nicht schwer vor.[8] Er ist 2 mahl 24 stundt geweßen, ohne mitt jemandts zu reden. In [628] der zeit hatt er nichts gethan, alß betten, undt alß gesagt: Mon dieu, ayes pitie de moy! seigneur, je suis prest a paroistre, a paroistre devant vous. A quoy tient il, mon dieu, que vous ne me prenies? Darnach hatt er sein unßer-vatter andachtig gebett undt den glauben undt alß seine seel in gottes handen befohlen, biß im die seel auß, undt alle gebetter von der seel befehlung mitt gebett. Ihr habt mir gar woll außgelegt, wie die saxsische hertzogen mitt einander regieret haben. Die hertzogin von Weimar, so ihren herrn sohn verlohren, jammert mich recht. Daß meledie-Kendt-pulver habe ich noch nicht entpfangen; ich hoffe, man wirdt mir bey der golttinctur eine schriefft schicken, wozu es gutt ist undt wie mans brauchen soll. Daß gemahls vor die printzes ist bestehlt; ich suche auch von den nachgemachten stein, habe schon fiber die 50 beysamen, ich will aber hundert haben. Man polirt sie nun; sobaldt es fertig wirdt sein, werde ichs ahn mylord Stairs geben, umb es zu schicken. Ich kan Eüch nicht genung sagen, wie touchirt ich von der printzes amitie bin, undt wolte gelegenheit finden, I. L. solches durch einige ahngenehme dinsten zu bezeügen. Aber seydt in keinen sorgen! ob ich schon dieße printzes von hertzen lieb habe, so werde ich doch mein leben mich ahn keinen menschen vertrawen, die ich sogar niemahlen gesehen habe undt deren humor ich nicht durchauß kene; aber wen ich commers mitt I. L. haben werde, will ich ihr alle possirliche historger verzehlen, so ich erfahren kan undt welche keine secretten sein; dancke Eüch sehr, mir so eine gutte wahrnung gegeben zu haben. Ich versichere Eüch, daß ich keinem menschen nichts davon sagen werde. Ferm undt discret zu sein, seindt große undt schönne qualitetten, so sich woll bey herrn finden von printz Ernst August alter, aber selten bey jungen printzessinen, wie die königin von Preüssen; ist desto mehr zu admiriren. Ich werde dießen brieff mylords Stairs schicken undt, damitt mans nicht merckt, noch die erste post durch monsieur Martine schreiben; sonsten mögte man zu geschwindt auff die spur kommen. Dießer brieff ist nur vor Eüch, liebe Louisse, undt vor kein andere. Ihr werdet mir einen rechten gefahlen thun, fleißig vor mich undt meinen sohn zu betten; wir habens beyde warlich hoch von nöhten, daß unß unßer herrgott beystehet undt durch seinen heylligen geist regirt. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von [629] hertzen undt versichere Eüch, daß ich [Euch] all mein leben von hertzen lieb behalte.
Freytag umb 8 abendts.
In dießem augenblick kompt my[lord] Stairs herein undt bringt mir die schachtel mitt Ewer liebes schreiben vom 24 Augusti / 4 September. Mich deücht, man macht die kugeln nun viel kleiner, alß vor dießem; den die, so I. G. mein herr vatter hatte von der graffin selber, warn viel großer undt noch einmahl so groß.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. September 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 624–629
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0727.html
Änderungsstand:
Tintenfass