Seitenbanner

Brief vom 17. September 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


728.


[629]
Paris den 17 September 1715.
Hertzallerliebe Louisse, gestern abendts bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 1/12 dießes monts erfrewet worden, bin Eüch sehr verobligirt, so in sorgen vor mich zu sein; aber Ihr werdet baldt zwey von meinen schreiben entpfangen. Es wundert mich, daß Ihr daß vom 6 dießes monts, so ich Eüch von Versaille auß geschrieben, noch nicht endtpfangen habt. So lang ich Eüch werde selber schreiben können, liebe Louise, werde ich keine andere handt dazu gebrauchen. Die fraw von Ratzamshaussen ist noch hir. Aber so lang es mir möglich sein wirdt, werde ich Eüch gar gewiß schreiben. Ich habe zu Versaille nur zwey posten verfehlet; es war zwar mein intention, zu schreiben, aber alle daß gethuns, so sich damahls zu Versaille zugetragen, hatt mir der zeit nicht gelaßen. Seyder ich hir bin, liebe Louise, bin ich zwar nicht kranck, entpfinde aber starck die Parisser lufft, habe alle tag kopffwehe, undt ein zeichen, daß es nur die hießige lufft ist, so verging mir mein kopffwehe durchauß gestern abendts, da ich in die frische lufft nauß fuhr. Bißher hatte ich nicht außfahren können, den man hatt meine kutschen undt pferden trapiren[1] müßen, welches erst sontag ist fertig worden; habe also die 7 tag im palais royal wie in einem gefangnuß sitzen müßen. Mein cabinet hatt zur expossition den mittag, habe also den gantzen langen tag die son auff meine fenster mitt einer solchen hitz, daß einer ersticken mögt, undt dazu ist man noch accablirt von der menge leütte, so nun mehr, alß nie, [630] kommen. Daß palais royal wirdt nimmer lehr, seyder mein sohn regent ist. Es ist ein gutt zeichen, wen man hir nichts von den leütten hört; den wen wir kranck sein, kompt es baldt in den gazetten. Also wen Ihr nichts von mir hört, liebe Louise, kont Ihr allezeit in ruhen vor mich sein. Es stehen Eüch 3 von meinen schreiben auß, daß, wie schon gesagt, vom 6, vom 10 undt 13, so Eüch von alles rechenschafft geben wirdt. Ruhe kan ich mitt der zeit bekommen, allein keine freüde; daß ist etwaß unmöglich bey mir undt werde nur gar vergnügt sein, wen ich ruhe erlangen kan. Umb dazu zu gelangen, so habe ich declarirt, daß ich mich in nichts in der welt mischen werde. Ich weiß nicht, welche partie meines sohns gemahlin undt seine dochter nehmen werden; den ich bin gar nicht in ihrem geheimen raht; aber sie theten, sie theten nicht übel, wen sie mein exempel folgten, den Franckreich ist nur gar zu lang durch weiber regirt undt verdorben worden.[2] Ich habe daß hertz noch gantz schwer; den außer daß ich recht betrübt übers königs todt bin, so erneüert es mich noch so abscheülich ma tante s. verlust; den in allen meinen andern betrübtnußen hatt mir ma tante s. allezeit trost geben undt mich mitt ihren artlichen undt ahngenehmen schreiben gantz wider ermuntert; die fehlen mir nun gantz, undt wen ich gedencke, daß es vor ewig ist, so schmertzt es mich in der seelen. Es seindt etliche meister über ihren geist, die kunst habe ich nicht, ich bin zu natürlich dazu undt kan weder leydt noch freüdt verhehlen. Alles, waß gläntzt, ist nicht golt; auch alleß, waß vortheilhafftig scheint, findt sich etlichmahl, daß es gantz contraire ist. Solche sachen erfordern große explication, so in brieffen auff der post nicht zu thun sein, muß also gantz davon schweygen; nur daß noch sagen, daß, so gutte intention mein sohn auch haben mag, so kan er doch nicht alles thun, waß er gern wolte; den es seindt wenig sachen, wo sich nicht große difficulteten finden. Ich bin I. M. dem konig in Englandt sehr verobligirt, daß sie mir die gnade thun, ahn mich zu gedencken; bitte, wolt doch meine schuldigste dancksagung davor ablegen, wie auch bey I. L. der lieben printzes von Wallis. Handtswercksleütte haben offt große genie vor künsten. Solte die kunst ahngehen, daß man auß der sehe[3] wider fischen, waß versuncken, wer es etwaß großes undt schönnes; allein da [631] zweyffle ich ahn, den es seindt gar zu gefährliche fische im meer, umb daß man waß drauß ziehen könte. Alles peüpel-volck ist badaut,[4] ob sie zwar nicht Parisser sein. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet. Ich komme auff daß, so mylord Stairs mir vergangen freytag geben hatt, vom 9 September / 29 Augusti. Aber nun schlegt es 12, ich muß in kirch, will doch noch diß blat außschreiben. Ich erinere mich, daß ich letztmahl die impertinentz gethan. Eüch in meinem brieff in apostil[5] zu schreiben, daß ich Ewer schreiben mitt den 3 kugeln mitt meledy-Kent-pulver entpfangen undt der golten tin[c]tur; allein ich hab vergeßen, Eüch zu bitten, liebe Louisse, meine schuldigste dancksagung deßwegen bey der lieben printzes von Wallis abzulegen; aber man ist hir so geplagt (hette schir auff gutt Pfältzisch geheyt gesagt[6]), daß man nicht weiß, waß man thut oder schreibt; den man hatt kein augenblick ruhe noch rast hir. Bitte Eüch hiemitt gar sehr, doch große danck[s]agungen vor mich abzulegen undt alles auffs best zu entschuldigen. Komme wider auff Ewer schreiben. Von ahnfang werde ich nichts sagen, weillen ich schon heütte morgen drauff geantwortet habe. Daß parlement hatt meinem sohn [beigestimmt], alß er offendtlich sein recht nach seiner gebuhrt gefordert[7], welches er desto mehr recht hatt zu begehren, alß ihm der könig vor seinem endt gesagt, er hette zwar ein testament, allein daß, wofern mein sohn waß drinen finden solte, so ihm nicht ahnständig were, so solte er es nach seinem sin endern. Es war gantz in faveur deß ducs du Maine gemacht, also nicht schwehr zu rahten, wer es dictirt hatte.[8] Aber hirvon ist nichts mehr zu sagen. Mein sohn hatt mich zu offt von Eüch reden hören, liebe Louisse, umb nichts von Eüch zu wißen; auch wie ich ihm dießes sagte undt Ewer compliment machte, sagte er: Madame la raugrave a donc oublies que ces[9] deux freres ont estés icy et que le cadet estoit mon amis, batte mich auch, ich solte Eüch sehr von seinetwegen dancken. Sein handtwerck, so er ahngetretten, ist gar keine leichte sach, den alles ist in einem gar ellenden standt; muß lange zeit haben, alles wider zu recht zu bringen; sehe also nichts vor augen, alß mühe undt qual, undt nirgendts nichts vergnügliches weder vor ihm, noch [632] vor mich, undt dazu hatt er noch neydt undt haß zu gewartten, auch so, daß man mehr als 40 zettel gegen ihm in der statt außgestrewet hatt, undt duc et pairs haben daß gantze parlement von hauß zu hauß gegen meinen sohn auffwicklen wollen. Weillen er aber im parlement undt bey den pöpel, auch von allen troupen sehr geliebet ist, so haben sie nur die schandt davon gehabt, ihren bloßen bößen willen zu erweißen. Aber ich sehe nicht gern, daß mein sohn so viel feinde hatt; den bey einer so großen regierung kan man nicht jederman zufrieden stellen; die es den nicht sein, schlagen sich zu den feinden, undt wer weiß, waß endtlich drauß werden wirdt? Aber da sehe ich meine kutschen kommen, ich muß ein wenig frische lufft schöpfen; den der kopf thut mir bitter wehe, wie allezeit in dem verdrießlichen Paris. Ich komme alleweill vom spatziren, es ist mir aber noch gantz übel. Ich glaube, daß ich Ewern brieff woll verstanden habe, undt ich habe woll gedacht, daß der gutte humor, deßen Ihr Eüch berümbt, nicht lang dawern würdte. Ich weiß nicht, in welcher zeit wir nun leben; aber wo man sich nur hinwendt oder threhet, hort undt sicht man nichts, alß unglück undt betrübtnuß. Wovon solte man den lustig sein? Ich wolte, daß Ihr schon auß Englandt weg undt ich auß Paris, so wehre unß beyden beßer. Es wirdt spat, ich muß enden; will nur noch sagen, daß es mich wundert, daß ein Holänder sich zum Engländer hatt naturalissiren laßen; den mich deücht, sie stallen[10] selten zusammen. Da kommen 3 teütsche fürsten herein, ein printz von Anhalt, einer von Württenberg undt einer von Ostfrißlandt; muß wider willen enden, wolte lieber noch lenger blauttern, aber es muß sein. Adieu, liebe Louisse! Seydt versich[ert], daß, in welchem humor ich auch sein mag, so werde ich Eüch doch von hertzen lieb behalten!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. September 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 629–632
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0728.html
Änderungsstand:
Tintenfass