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Brief vom 17. Oktober 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


735.


[651]
Paris den 6/17 October 1715, umb 10 abendts.
Hertzallerliebe Louise, umb 8 uhren hatte ich schon ahngefangen zu schreiben, nachdem ich ahn mademoiselle de Malauze geantwortet hatte; aber wie ich Eüch eben follendts schreiben wolte, kam der monsieur de Craon, der envoyes von Lotheringen, undt bracht mir ein schreiben von meiner dochter; daß habe ich gleich beantwortet, ob ich ihr zwar schon 12 bogen geschrieben hatte. Der kopff ist mir so daußelicht, daß ich schir nicht weiß, waß ich sage. Ich will Eüch doch noch biß umb halb 12 schreiben, welches die ordinarie stundt ist, daß ich mich außzigen laße. Waß mir von Ewerm schreiben überbleiben wirdt, liebe Louise, daß werde ich biß freytag, wo mir gott daß leben verleydt, beantwortten. Ey, hertzallerliebe Louisse, wie kont Ihr die gedult haben, meine brieffe mehr, alß einmahl, zu überleßen? Es ist mir ja selber unmöglich, solche zu leßen, wen ich sie einmahl geschrieben habe.[1] Daß erweist woll die große amitié, so Ihr vor mir habt; aber Ihr jammert mich doch sehr, die zeit so schlecht zuzubringen mitt meinem albern gekritzel; daß geblütte muß es allein erdulten können, den unßere liebe churfürstin s. hatte auch dieße gedult. Aber Ihr beyde könt mir doch keine vanitet geben; den waß auß lieb undt freündtschafft geschicht, da findt sich allezeit ein wenig verblendung bey. Warumb, liebe Louisse, wolt Ihr façon mitt mir machen undt Ewere [652] augen plagen, drey linien mehr zu schreiben, einen umbschweiff zu nehmen, umb zu sagen, daß meine schreiben Eüch ahngenebm sein undt mein stiehl Eüch gefehlt? Dan daß gibt mir ja vergnügen undt sonsten, unter unß gerett, habe ich hir deßen gar wenig, daß weiß mein gott; also scheütt Eüch nicht, mir dießen trost zu geben! Es ist viel, daß Ihr mein Teütsch noch verstehen könt; den wie ich von deß printzen von Stutgart hoffmeister, dem herrn von Forstner, vernohmen, so spricht man nun gantz anderst in Teütschlandt, alß zu meiner zeit; man spricht nicht mehr so natürlich, alles ist gezwungen undt gedrungen; daß war zu meiner zeit gar nicht. Ich schätze mich glücklich, daß mein schreiben I. L. der printzes von Wallis auch gefelt. Ich weiß nicht, ob I. L. mir selbigen tag, alß Ihr, geantw[o]rtet haben; allein ich habe dero schreiben noch nicht entpfangen. Es ist mein glück mehr, alß recht, daß dieße liebe printzes mich lieb haben will; ich bin aber recht erkändtlich davor. Ich vergnüge mich mitt I. L. amitié, respect seindt sie mir nicht schuldig; den ich bin dero fraw mutter nicht, ob ich zwar alt genung bin, umb es zu sein können. Aber wir seindt ja gleiches stoffs undt von churfürstlichen kindern königliche geworden; aber ich bin I. L. desto mehr verobligirt davor. So impertinent bin ich nicht, übel zu nehmen, daß die printzes von Wallis mir frey schreibt; es gefehlt mir ahn viel wenigem, alß die printzes von Wallis ist, aber ahn I. L. halte ich es vor gnade undt freündtschafft undt werde es I. L. recht danck wißen; den complimentiren ist Lisse Lotte sach gantz undt gar nicht. I. L. können in keinen sorgen sein wegen ma tante s. brieff, ich habe deren woll mehr, alß 8 kisten voll. Es were mir ohnmöglich, die rechten zu finden, wen ich gleich jahr undt tag dran suchte; aber ich habe auff den text kein eintziges schreiben von ma tante auff Frantzösch, alles ist teütsch. So lang ich leb, kan sie niemandts sehen; aber nach dem todt ist es der brauch, daß man alle brieff, so man in der verstorbenen kisten findt, gleich verbrendt, ohne sie zu besehen. Man wirdt desto eher die meine brenen, weillen man sie nicht wirdt leßen können undt sich woll der mühe nicht geben werden, solche zu übersetzen, undt desto weniger, daß sie ja alle seindt geleßen worden, ehe ich sie entpfangen.[2] Also können I. L. deßwegen sehr [653] ohne sorgen sein. Aber da schlegt es 12, ich muß schließen. Ein ander mahl, wen mir gott daß leben undt gesundtheit verleyet, werde ich mehr schreiben, nun aber nur bitten, zu glauben, daß ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte.
P. S.
Ich bitte, macht meine entschuldigung ahn mademoiselle de Malauze, daß ich ihr dieße post nicht schreibe! Ich werde ohnfehlbar biß freytag thun. Mein sohn ist eben von Vincene kommen, mitt dem habe ich waß zu reden gehabt undt nun muß ich ahn mein dochter schreiben undt hernach zu nacht eßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Oktober 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 651–653
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0735.html
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