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Brief vom 8. November 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


742.


[664]
Paris den 8 November 1715.
Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar heütte medecin genohmen [665] undt den gantz[en] tag vissitten gehabt habe, madame de Berry, madame d’Orleans, die große undt kleine printzessinen de Conti, meine 2 encklin, mademoiselle de Chartre et de Vallois … Wen sie alle auff einmahl kommen wehren, so hette ich doch gemächlich schreiben können; allein sie seindt eine viertelstundt nach einander kommen undt mehr, also hatt es mich den gantz[en] langen nachmittag auffgehalten. Ich will Eüch, liebe Louisse, doch noch schreiben, so viel mirs die zeit erlauben wirdt. Bin froh, liebe Louisse, daß Ihr meine schreiben richtig bekompt. Ich fürch[te], einer von meinen valet de pied muß es wie harlequin gemacht haben; den ich gab ihm ein schreiben ahn mademoiselle de Malauze undt sagte ihm, er solte dieß auff die post tragen, daß Ewerige aber, ich will sagen daß vor Eüch war, solte er ahn monsieur de Martine bringen. Ich habe aber die thimbste[1] teüffel von der welt zu valet de pied, undt wen daß sprichwort war ist, so sagt: Tel maistre, tel valet, so muß ich die alberste undt soteste fraw von der gantzen welt sein.[2] Mademoiselle de Malauze paquet wirdt der thume teüffel gewiß ahn monsieur Martine gebracht haben. Wen ich monsieur Martine sehen werde, will ich ihn fragen, wie es zugangen; der arme man aber ligt kranck ahn einem rhumatisme, so ihn unerhört leyden macht. Meine schreiben meritiren keine dancksagung. Förcht nie, daß Ihr mir zu offt kompt! den Ewere liebe schreiben seindt mir recht ahngenehm undt tröstlich, soltet sie mir also nicht versagen, liebe Louise! Nichts in der welt erleichtert mir mehr daß hertz, alß wen man offenhertzig reden kan. Wo verdrießlich sachen sein undt dabey wider ahngenehme, da kan eines durchs ander gehen; allein wo alles verdrießlich ist, da kan man sich ahn nichts halten. Ein jedes muß sein verhengnuß biß ahns endt erfüllen, wie es der allmächtige vorsehen hatt. In jener welt mag es vielleicht nutzen, in dießer zu leyden, allein, wie die Frantzosen sagen: Nature patit. Unterdeßen wer weiß, ob man from genung ist, daß unß unßer hergott alles zum besten wendt. Mein sohn ist gesundt, aber greülich accablirt von affairen. Von husten bin ich befreyet, allein es ist mir doch sonsten nicht recht woll; meine lincke seydt ist dick undt thut mir wehe undt ich bin recht mat, kopffwehe hab [666] ich alle tag; fahr ich auß, so vergeht mirs. Ich glaube nicht, daß es feüchtigkeit ist, waß hir alles schwartz macht, undt die lufft es ist, waß man hir nitter[3] heist. Daß ist woll war, daß man hir nie genung [geben kann], undt gibt man etwaß ahn einen von seinen leütten, fordern die andern alle. Aber man rufft mich zum nachteßen; nach dem nachteßen, welches gar geschwindt gethan wirdt, will ich Eüch noch ein stündtgen entreteniren.
Freytag, den 8 November, umb 3 virtel auff 10 abendt.
Ich habe ein virtelstundt außgeruhet nach dem nachteßen. Nun will ich Eüch noch ein stundt entreteniren, liebe Louisse! Ich will mich woll hütten, daß ich der printzes von Wallis 20 damen nicht ahn madame de Berry sage, so würde sie 30 haben wollen. Daß geschrey geht hir, alß wen der chevallier de St Georgen[4] durchgangen, eine barque erdapt undt nach Engellandt ist; wen es ist, wirdt könig Gorgen zu schaffen bekommen. Ich wolt, daß Ihr alle von [den] verflüchten falschen leütten weg wehret. Wen Ihr könig Jorgen wider segt, so danckt I. M. meinetwegen vor dero gnädiges ahndencken! In der foulle vom apartement finde ich mich nicht, weillen ich nicht spielle undt auch weillen madame de Berry undt madame d’Orleans allen damen erlauben, in escharpen ohne leibstück gantz desbraillirt. zu gehen[5]; daß kan ich nicht leyden, bleibe lieber in meiner cammer. In dießer jahrszeit werden die fieber lenger, alß im frühling; der gutte herr von Degenfelt mögte also woll den gantzen winter dran haben. Wolte gott, lieb Louisse, es were so möglich, daß wir einander einmahl widersehen mögten, alß es leicht sein konte, daß der herr von Degenfelt undt ich einander sehen können! Nichts endert mehr, alß wen man lang kranck ist; allein die junge leütte ersetzen[6] sich leicht. Ich wolte, daß Ihr schon beyde auß Engellandt wehret, ja der könig undt printzes auch. Gutte nacht, hertzallerliebe Louisse! Ewer brieff ist vollig beantwort, drumb betten undt schlaffen, sobaldt ich Eüch werde versichert haben, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. November 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 664–666
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0742.html
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