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Brief vom 10. Dezember 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


750.


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Paris den 10 Decembre 1715.
Hertzallerliebe Louisse, heütte hoffe ich Eüch eine lengere epistel zu schreiben, alß ich zwey posten habe thun können, fange bey daß vom 14/25 November ahn. Gestern hatt mir eine strasburgische fraw, so von der fraw von Rotzenhaussen gekandt ist, hatt mir eine schüßel mitt Sauerkraut undt speck geben undt eine ente drin. Es war nicht schlim, aber daß krautt war frantzösch kraut, welches bey weittem nicht so gutt ist, alß unßer teütsch kraut, hatt wenig geschmack undt ist auch[1] gröber geschnitten; den man hatt hir nicht die meßer, wie man es rein schneyden soll; also war es zwar nicht schlim, aber auch nicht so gutt, alß ich es vor dießem geßen habe; glaube, daß das Ewerige beßer geweßen, alß waß ich gestern geßen. Ewere krebssup da hette ich nicht viel von geßen; den außer weinsup, biersup undt habermehlsup kan ich gar keine supen eßen. Ich habe mich ahn kein eintzig frantzösch ragout gewohnen können, es nur … finde es eckelhafft undt zu versaltzen.[2] Ich glaube, daß, wen unßere 2 Dauphins undt duc de Berry weniger ragust geßen hetten, wehren sie noch bey leben, wie auch die Dauphine, weren sie noch bey leben.[3] Aber es hatt so sein sollen. Ich weiß nicht, worin die lust bestehet, daß man Eüch meine schreiben alß 2 auff einmahl gibt. Von meiner verstaugten handt[4] werde ich nichts mehr sagen; sie ist lengst wider heill. Die pomade divine mitt dem öhl von fioraventi[5] hatt mich gantz in 2 tagen undt eine nacht courirt. Ich dancke Eüch aber gar sehr, liebe Louisse, vor Ewere sorg, mir ein gutt remede zu [681] schicken. Ich habe es abgeschrieben undt zu meinen remedien gethan. Noch derzeit verspüre ich kein oberbein ahn meiner handt, aber mein hoffmeisterin, der es vorher so gangen, waß sie auff ihre handt gelegt hatt, allein es ist ihr ein oberbein kommen. Die pommade divine ist eine köstliche sache, aber wenig leütte können es brauchen wegen der vapeurs; den es richt zimblich woll. Mir aber schat es gantz undt gar nicht; wen ich auch gleich daß fieber habe, schmire ich mir den gantzen magen mitt, undt wen ich den husten habe, die brust. Wo man fürcht, daß geschwehr hinkommen können, mag man nur nacht undt tag mitt dießer pomaden schmieren, so ist es gewiß, daß nichts kompt. Ehe ich dieße pomade gekandt habe, bekamme ich einmahl zwey geschwer auff beyden seytten vom halß, welche mich schir erstickt hatten. Sie brachen mir nachts auff, ich war zu allem glück wacker, spie es auß undt wurde so courirt. Nach 3en [tagen] hernach fühlte ich, daß sich die zwey geschwer wider dick in meiner hautt funden ahn meinem halß; habe nichts anderst gethan, alß die pomade zu schmiren undt ein duch ahm halß zu knüpffen; in wenig [tagen] ist es mir gantz vergangen. Unter dem arm wolte mir auch einmahl ein geschwer kommen, es war schon so groß wie ein erbs; daß hatt die pomade divine gantz verschwinden machen. Also secht Ihr woll, liebe Louisse, daß ich groß ursach habe, ein groß vertrawen in dieße pomade divine zu setzen. Bewahre mich gott, liebe Louisse, jemandts in meiner cammer schlaffen zu laßen! ich würde die gantze nacht kein aug zuthun.[6] Ich habe eine schel, wen ich waß von nöhten habe, schell ich; aber waß mir begegnet, hette niemandts hindern können; den daß ich mich auff meine handt steüere undt sie mir umbschnapt, daß kan niemandts hindern. Allein in meine[r] kammer nachts sein, ist mein gröster trost; wen ich mich nicht selber threhe, könten mich keine 3 menschen umbwenden, so dick undt schwer bin ich. Daß Ipsomer[7] saltz hatt mir, gott sey danck, noch nicht geschadt; ich werde es aber nicht offt brauchen. Viel habens hir gebraucht, so es gar nicht purgirt hatt; vielleicht verliehrt es von seiner stärcke, wen es über die see geht. Daß es mich starck purgirt, ist kein wunder; den ich bin gar leicht zu bewegen, die geringste sach purgirt mich; undt warumb ich daß saltz von Ipsum[8] lieber nehme, [682] alß eine andere medecin, ist, daß es leicht zu nehmen ist, indem es keinen bößen geschmack hatt, nur ein wenig bitter, undt daß man nie keine grimen dabey hatt. Alle andere medecinen geben mir so starcke grimmen, daß ich wie ohnmächtig davon werde. Wolte gott, liebe Louise, mein gekritzel konte Eüch zu einigen trost dinnen! den Ihr segt ja woll, daß ich nun gar fleißig schreibe, viel oder wenig. Aber ich laß keine post vorbeygehen, ohne ahn Eüch zu schreiben; aber mein trost hafft nicht viel, weillen Ihr deß lebens so müht seydt, liebe Louisse, welches mir von hertzen leydt ist. Die historie von der dame, so einen schiffman geheüraht, ist possirlich undt gemandt mich ahn eine, so dießen summer vorga[n]gen. Eine dame in Lotteringen, so madame de Rossiere[9] heist, wollte ein freüllen besuchen, so in der nachbarschafft wohnte undt vom hauß Choiseul war. Wir kenen sie alle gar woll, sie ist fille d’honneur bey der duchesse du Maine geweßen. Madame de Rossiere, wie schon gesagt, fuhr zu mademoiselle de Choiseüil; man sagt, sie solle nauff in ihre cammer gehen. Wie sie in die cammer kompt, findt sie mademoiselle de Choiseüill im bett mitt ihrem gärttner, so Grandcolas heist. Madame de Rossiere erschrack undt sagt: Ah, bon dieu, mademoiselle, qu’est ce que mon jardinier fait dans vostre lit? Mademoiselle de Choisseüil andtworte, er wer in ihrem bett, weillen er ihr man were, undt sie hette ihn auß recognoissance geheüraht, weillen sie etliche tage vorher ins waßer gefahlen war undt Grandcolas allein were ihr zu hülff kommen undt hette ihr daß leben errett; also hette sie nicht gewust, wie sie ihr erkandtlichkeit erweißen könte, alß ihn zu heürahten, welches sie gegen alle ihrer verwanten wißen undt willen gethan. Sie hatt ihn durch den hertzog von Lotheringen wollen anobliren laßen, daß ist nicht ahngangen; sie hatt es bey dem könig s. ersucht, daß hatt auch gefehlt, also ist die fiere mademoiselle de Choiseüil dame Grandcolas geblieben.[10] Daß ist woll wahr, daß unßer herrgott allen menschen mehr gnadt ahnthut, alß man, waß ihn ahnlangt, werdt ist; allein es deücht mir doch, daß es von der gerechtigkeit gottes ist, denen mehr gutts zu thun, die tugendtsam sein, ihn fürchten, ehren undt gehorsamen, wie Ihr thut, alß die, so freffendtlich leben undt ihn undt sein wordt verrachten. Ich [683] habe woll zum vorauß gesehen, daß Ewere englische reiße Eüch mehr verdruß, alß agrement, geben würde, drumb hatte ich Eüch, liebe Louisse, so starck widerrahten, nicht hinzugehen; aber man entgehet seinem verhengnuß nicht, daß ist gewiß. Ich glaube nicht, daß jemandts weder hir noch in Englandt weiß, wo der chevallier de St George, noch der duc d’Ormont sein.[11] In dießer sach, wie in allen andern, wirdt nur geschehen, waß der allmachtige von ewigen zeitten veror[d]net hatt. Wen wünschen waß gelten konte, wolte ich, daß der keyßer ohne erben stürbe, unßer könig Jörgen römischer keyßer erwehlet were undt der junge könig Jacob in Engellandt were undt sich mitt ihnen herumbbeyßen mögte, wie er will[12], wehren. Wen unßerer lieben printzes von Wallis meine schreiben ahngenehm sein, werden I. L. contentement haben; den ich habe ihnen 2 abscheülliche große brieff geschrieben 2 posten nach einander; ich fürcht, ich habs ein wenig zu bundt gemacht. Solte es so sein, so bitte ich, sagts mir doch in vertrawen, liebe Louisse, damitt ich mich corigiren möge! Ihr dörfft nicht fürchten, daß ich Eüch mein leben cittire; ich cittire mein leben keinen menschen, wen man mir waß sagt. Ich kan nicht errahten, wer I. L. der printzes von mein chagrin gesprochen. Sie hatts nicht von mir, aber die warheit zu sagen, so seindt, waß mir zu hertzen geht, die sachen so publick in Paris, daß mylord Stairs es woll mag in der statt auffgefischt undt geschrieben haben. Ich bin der lieben printzes woll[13] Wallis woll verobligirt, ein solch un[n]ütze person, alß ich I. L. bin, undt von so gar ungleichen alter, lieb zu haben wollen; das touchirt mich recht undt attachirt mich ahn dieße liebe printzes. Ich habe nicht gefunden, liebe Louise, daß Ewer brieff deß jungen Mordteyßen[14] seinen in nicht gleicht. Einen einigen [684] menschen, der unbekandt im königreich herumbreist[15], ist eben so leicht zu finden, alß eine nehe-nadel in einem wagen mitt stroh. Hirmitt ist Ewer erstes schreiben durchauß beantwortet undt man rufft mich zur taffel; nach dem nachteßen werde ich auff Ewer zweytes schreiben andtwortten.
Dinstag, den 10 December, umb 10 uhr undt ein viertel.
Ich kene mylord Montrose nicht, den so einen schönnen nahmen hette ich nicht vergeßen; den wen mans herumbthrehet, macht es Rosenmundt. Hette mein leben nicht gedacht, daß er meinen postillion werden können undt meine brieffe tragen. Herr Leibenitz, dem ich etlichmahl schreibe[16], gibt mir die vanitet, daß ich nicht übel Teütsch schreibe; daß tröst mich recht; den ich würde recht betrübt sein, wen ich es vergeßen solte. Ich finde nicht, daß Ihr [685] übel Teütsch sprecht; ich würde es Eüch sagen, wen ich es fünde. Die gaben der sprachen habe ich auch nicht, den ich kan allein Frantzösch; Teü[t]sch ist ja meine muttersprach, also nicht zu rechnen.[17] Es ist unß Teütschen schwerer, gutt Hollandisch zu reden, alß Frantzösch undt Ittalliensch; den es kompt zu nahe, wir fallen alß wider in unßern teütschen wörttern. Niemandts in der welt ist dumer undt ungeschickter in arbeytten, rechnen undt affairen, alß ich; den ich habe 50 jahr gelebt, ohne nichts davon zu sehen, noch zu hören, undt in dem alter lern[t] man nichts mehr, leyder.[18] Ich [werde] woll nie erleben, so[19] sehen, waß auß meiner dochter döcht[e]r werden wirdt. Mein dochter befindt sich, gott lob, gar woll von ihrem unglücklichen kindtbett, so ich Eüch letztmahl gesagt, liebe Louisse! Wen ich sehe, daß man sich so in Teütschlandt verquackelt, wie man hir ist, thut es mir recht wehe. Ich habe auch schon gehört, daß der churprintz von Bayern eine ertzhertzogin bekommen solle. Hett printz Frantz von Lotheringen bey leben blieben, hette er eine bekommen. Große heüßer mitt gutten alliançen seindt gegen gott zu rechen[20] nur e[i]delkeiten, aber in dießer welt setzt es noblesse undt gutt blutt. Man sagt hir, daß in Schottlandt gar kein avantage vor niemandts vorgangen, daß ein [anderer] general alß Argil seines feindts lincken flügel geschlagen undt mylord Mar deß Argils rechten flügel.[21] Signeur Ortence hatt mir seine vers in monsieur Hartings briff geschickt, liebe Louissen! Ich weiße sie aber niemandts, sie würden hir nicht reussiren. Es were ein groß unglück vor printzes Louise von Wollffenbüttel, wen ihre fraw dochter, die keyßerin, keinen glücklicher kindtbett thet, alß die [686] Czaarewitzin gethan.[22] Es ist auch woll einmahl zeit, daß ich dieße epistel ende; den ich habe ja mein wordt gehalten, einen großen brieff geschrieben undt auff Ewere zwey ordentlich geantwordtet; bleibt mir nur überig, liebe Louise, vor alle Ewere gutt[e] wünsche zu dancken undt zu versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Dezember 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 680–686
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0750.html
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Tintenfass