Seitenbanner

Brief vom 21. Januar 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


758.


[007]
Paris den 21 Januari 1716 (N. 60).
Hertzallerliebe Louisse, ich weiß nicht, wie der winter in Engellandt ist, aber hir haben wir die grimichste kälte, so ich zeit meines lebens entpfunden; es dawert schon seyder 5 gantzer wochen undt wirdt alle tag ärger; es ist heütte ahm termomettre 11 geradt kalter, alß gestern. Wir haben dieße gantze vergange[ne] woche keine briffe auß Engellandt bekommen, welches mir zwar leydt ist, [008] aber es nimbt mich gar kein wunder, nachdem man mir gesagt, daß die see bey Calais so erschrecklich weit in daß mehr gefrohren ist, daß die englische schiff zwar kommen sein, aber wieder zurück nach Douvre sein undt wegen daß eyß nirgendts haben ahnlanden können, welches mir von hertzen leydt; den ich mögte von hertzen gern wißen, wie es nun zugeht, da der pretendent (wie sie ihn heißen) in Schottlandt ahnkommen, undt ob sie unßerm könig Jörgen noch treü verbleiben. Der armen königin von Engellandt were ihres herrn sohns ahnkunfft undt gutte reception in Schottlandt schir bitter übel bekommen. Die arme königin ist der freüden nicht gewohndt, dießes aber hatt I. M. so unerhört gefreüet, daß ihr daß fieber gleich drüber ahngestoßen, worauff ein seyttenstechen gefolgt; sie ist noch nicht wieder gesundt. Aber es ist auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer schreiben komme, liebe Louisse, wo ich vergangen freytag geblieben wahr, nehmblich ahn Ewer liebes schreiben vom 22sten December 1715. Ich finde, liebe Louisse, daß die printzes von Wallis groß recht hatt, übel zufrieden vom duc de Schomberg zu sein, daß er dem könig nicht dancken kompt vor die gnade, so er ihm gethan, ihn zu geheimen raht zu machen; die printzessen solt er auch dancken, vor ihm gerett zu haben. Wo hatt er daß gelehrnt? Wie er hir war, war er polie undt wuste, woll zu leben; ich habe ihn allezeit recht höfflich gesehen, sein humor hatt sich, wie ich sehe, nicht in Engellandt verbeßert. Mein gott, wie hatt sich Caroline resolviren können, dießen menschen zu nehmen? Daß weist woll gantz clar daß verhengnuß undt daß alles gehen muß, wie es gott der allmächtige versehen[1] hatt. Daß glaub ich woll festiglich, wen eine excusse von nicht-woll-sein in solcher occassion gelten solle, muß man gar zu bett liegen. Wen der winter in Englandt were wie hir, würde er Ewern schwager woll gez[w]ungen werden,[2] sein landtgutt zu quittiren. Ich [kenne] Eüch, liebe Louise, undt weiß woll, daß Ihr Eüch leicht in sorgen setzt undt ängstet vor die, so Eüch lieb sein; drumb dencke ich, daß es beßer ist, Eüch so offt zu schreiben, alß ich kan, alß fleißiger zu undtwortten. Aber, liebe Louisse, daß meritirt nicht so große dancksagungen, alß Ihr mir hirüber macht; den es ist ahngenehm, ahn die zu schreiben, so man liebet undt estimiret undt die einem so [009] nahe sein, alß Ihr mir seyt. Es ist gewiß, daß hir zu Paris mehr verhindernüße zu schreiben in einem tag kommen, alß zu Versaille [in] einer gantzen woche. Gestern hatte ich 29 teütschen fürsten, graffen undt edelleütte. Die fürsten wahren der erbprintz von Württenberg, der ist nicht schön, aber recht artlich undt ein recht gutt kindt; er hatt einen wackern, ehrlichen man zum hoffmeister, den jüngsten herrn von Forstner. Die 2 andere fürsten wahren ein fürst von Ahnhalt, der ist eben nicht übel geschaffen, aber er bildt sich ein, er seye schön undt ist recht heßlich undt ein wunderlicher humor, die Rotzenh[e]üsserin macht ihm alle tag waß neues weiß. Er ist verliebt von eine von meines sohns dochter, mademoiselle de Chartre; wen er sie sicht, macht er grimassen, daß mans nicht außstehen kan; man muß lachen, wen mans gleich nicht will. Wir haben noch einen printzen hir, ein fürst von Ostfrießlandt, der ist auch nicht schön; die zwey seindt wie cammerrahten. Dießer letzte ist gar ein gutter mensch, bildt sich nichts in der welt ein undt geht seinen gerahten weg fort undt hatt gar kein ridicul ahn sich. Die graffen, so wir hir haben, seindt: ein graff von Nassau-Weilburg, 3 graffen von Leiningen, 2 graffen von Salm, ein graff von Sintzendorf, ein graff von Weissenwolf, graff Hoim undt noch 3 andere ostereichsche graffen, deren nahmen mir jetz nicht einfelt, ein graff von Harach, alle der printzen hoffmeister undt edel[l]eütte, 2 hohen offecir von alsäßischen regiment, der eine, so brigadirer ist, heist Bernholt undt ist Lenor ihr dochterman, der ander heist Tristet, ein baron von Roswurm, mein Harling, ein Börstel von geschlecht, mitt einem wordt, es wahren, wie ich schon gesagt, so viel Teütschen bey mir, daß erinerte mich ahn ein alt histörgen, so zimblich possirlich ist. Daß jahr, wie Carllutz, Ewer bruder, herkam, stundt ich gar übel mitt dem chevallier de Loraine,[3] undt daß falsch geschrey ging, daß ich Carllutz hette hollen laßen, umb mich ahn den chevallier de Loraine zu rechen. Viel cavallier von hoff, brave [010] leütte, kammen undt batten mich umb gottes willen, sie vor deß raugraffen seconden ahnzunehmen. Ich lachte von hertzen undt sagte, daß ich gar keine schlagerey ahnfangen wolte. Ich weiß nicht, ob der chevalier hirvon gehört hatte oder nicht; aber einsmahls, alß Carllutz undt ich undt noch viel andere Teütschen in meiner kammer wahren, kam der chevalier de Loraine in mein cammer; wie er unß Teütschen aber beysamen sahe, threhete er kurtz umb undt lieff davon, alß wen er den teüffel gesehen hette. Einer von seinen gutten freünden der fragte ihn: Ou coures vous donc si viste? Der chevallier de Loraine andtwortete: Madame ne m’aime pas, elle est entoures de son raugraff et encore d’auttres grands Allements; j’y pourois mal passer mon temps, c’est pourquoy je pris le parti le plus sur; car, qu[i] sait ce qui oroit pust m’ariver, si Madame disoit mot parmi tout ces Allements? ils sont mauvais raillieur. Dien sait ce qui me seroit arives. Alle, die es gehört haben, haben hertzlich drüber gelacht. Ich bin fro, daß mein gekritzel Eüch gefelt undt ein wenig divertirt; diß ist ein schlegt divertissement, aber es kan Eüch nicht fehle[n], so lang ich lebe. Ich weiß nicht, wo Ihr waß zu admiriren in meinen brieffen findt. Ich glaube, daß alle admiration nur in der freündtschafft undt liebe, so Ihr, liebe Louisse, zu mir tragt, bestehet, werde also keine vanitet davon nehmen. Es ist nicht, daß der peüpel expresse kommen ist; die abtissin de l’abaye au bois hatt der peüpel nicht mitt willen geschlagen, aber weillen sie ihnen wehren wolte, die colation zu plündern, haben sie sie über einen hauffen gerendt undt auff sie getretten undt zugeschlagen, damitt sie zeit gewinen mögten, alles zu plündern.[4] Hir fordert man keine satisfaction von waß der peüpel thut. Ewere reflection undt meine seindt just; ich habe es hundertmahl remarquirt, daß wen man etwaß sehr wünscht undt es geschicht, kompt allezeit etwaß darzu, so alles versaltzt undt verdirbt; daß hatt mich vom wünschen corigirt. Es ist eine heßliche sach umb die passionen; ich bins so müht, alß wen ichs mitt löfflen gefreßen hette, wie die gutte fraw von Harling alß pflegte zu sagen. Ich will auch nichts weitters sagen; den es were leyder nur gar zu viel auff dießen text zu sagen undt zu verzehlen, aber daß li[e]ß[e] sich nur teste a teste sagen oder durch sichere gelegenheitten, aber [011] nicht durch die post. Es geht hir im landt selten beßer, sondern, wie mir die hertzogin von Mecklenburg mir alß verzehlt, daß zu des königs Louis XIII zeitten ein nar bey hoff geweßen, der kam einsmahls nach mitt einem wehrgeheng, worauff er lautter atzellen hatte brodiren laßen. Ich glaube, liebe Louisse, daß Ihr woll wist, daß man eine atzel[5] auff frantzosch eine atzel pie heist. Der nar stelt sich vor dem könig undt trehete alß sein wehrgeheng herumb; der könig fragte ihn: Que tu la?[6] Er andtwortete: Sire, je vay tout comme vostre cours. Comment donc? sagte der könig. Der nar andtworte: Je vais de pies en pie[7] et vostre cour aussi. So könte ich auch woll zu meinem sohn sagen. Ihr könt nicht glauben, liebe Louisse, wie es eine gutte sach umb die pomade divine; drumb habe ich Eüch ein bücksgen geschickt, das Ihr es allezeit im sack tragen könt. Man mag auch so reiche heüraht thun, alß man will, wen man lumpenzeüg nimbt, bleibt die reüe nie auß. Mich argerts recht, wen ich so ungleiche heüraht sehe. In Schottlandt, wie Ihr nun woll wißen werdet, ist der pretendent woll entpfangen undt alß könig auffgenohmen worden. Ich kan nicht sagen, wie sehr mir nach brieffen auß Engellandt verlangt, umb zu hören, waß dießes herrn ahnkunfft in Schottlandt in Engellandt guts oder bößes außrichten wirdt. Man sagt hir, mylord Mar hette sich nur ahngestelt, alß wen er umb gnadt bitt, umb könig Jörgen zu amussiren undt seinem jungen könig zeit zu geben, in Schottlandt zu kommen. Kein schiff hatt mylord Mar gar gewiß von hir bekommen, da wolte ich meine handt woll vor ins feüer stecken, undt noch weniger ist es war, daß man gelt geschickt hatt. Dießes letzte ist ohnmöglich. Es ist nicht aparantlich, daß nun der krieg so baldt ein endt mitt den rebellen nehmen kan. Ihr habt woll recht, zu disputiren, liebe Louisse, daß mein sohn auffrigtig; er ist leyder nur gar zu gutt undt auffrichtig, daß macht ihm fehler begehen. Man rufft mich zum eßen.
Abendt umb 10 abendts dinstag den 21 Januari 1716.
Da komme ich eben von taffel, liebe Louisse, undt werde Eüch noch ein stündtgen entreteniren. Heütte abendts hatte ich gehofft zeittung auß Engellandt zu haben; den man hatt mir den monsieur [012] de Salmour sehr spät ahngemelt. Ob er mir zwar brieff von der printzes von Wallis undt mademoiselle de Malausse bracht, so wahren doch dieße schreiben nur vom 25 December vergangen jahr, haben mir also keine neüe zeittungen gebracht. Ihr raisonirt gar just, liebe Louise, undt die sach mitt meinen sohn ist eben beschaffen, wie Ihr es gesagt habt, undt Ewer 3 punckten sein woll mitt warheit außgeführt; daß des königs minister alle bludtfalsch geweßen, daß ist gar gewiß, aber daß heist man politic, welche sie doch in meinem sin alle nicht zum besten verstanden; aber waß die alte zot undt sie auff ein endt verstanden, ist überall zu sehen, den könig undt sein gantz königreich in den grundtsbotten zu ruiniren; darin haben sie perfect reussirt undt ist ihnen perfect gelungen. Waß ich dem Fontaine geholffen, ist gar eine zu große bagatelle, umb vor I. M. dem könig in Engellandt zu kommen. I. M. wißen woll, daß mir alles wehrt ist, waß von Hannover kompt. Mein dochter schreibt mir in einem brieff, so ich dießen abendt bekommen, daß es kein wordt wahr seye, daß sie nach Wien gehen sollen. Die hertzogin von Lotheringen seindt obligirt, ihr lehen vom hertzogthum Bar in eygener person zu entpfangen, also hoffe ich, daß I. L. undt mein dochter diß jahr herkommen werden; ich erfreüe mich aber noch nicht drauff, den wer weiß, wer dießen frühling erleben wirdt? Alleweill kompt man mir sagen, daß la cour des cuisine in brandt steckt; es ist aber, gott lob, weit hirvon. Madame la duchesse de Berry ist bezahlt, aber ich, die es mehr von nöhten hab, alß sie, bin es noch nicht undt sehe schlegten ahnstalt dazu. Ich habe Eüch letzte post geschrieben, wie ich vor Eüch ahn dem graffen von Nassau gesprochen. So lang alß mir gedenckt, habe ich keinen graußamern winter undt kalte außgestanden, alß nun. Daß alles bey gott dem allmächtigen stehet, ist gar war, aber deßwegen auch soltet Ihr ein wenig mein exempel folgen, gott walten laßen undt Eüch selbsten nicht so sehr quellen, liebe Louise, undt weillen Ihr ja etlichmahl meinen raht gutt findt, so folgt ihn doch! den seydt versichert, das ichs nur zu Ewerm besten sage! Es war mir recht leydt, Eüch die reiß von Englandt vorzunehmen sehen; den ich hatte zum vorauß woll gesehen, wie es ablauffen würde. Im heürahten ist eben so woll ein ziehl gesetzt, alß im gebohren-werden undt sterben, also hette Ewere niepce ihren man doch woll bekommen. Timide zu sein, wie Ewere jüngste niepce, stehet einen [013] jungen freüllen woll ahn, undt ich hoffe, daß es ihr glück bringen wirdt. Weder ahn graff von Nassau, noch ahn jemandts anderst in der welt werde ich sagen, waß Ihr mir vertrawet, seydts versichert, liebe Louisse! Unßer liebe churfürstin s. pflegte alß zu sagen: Liefften iß liefften, maer kacken gar vor all.[8] Ich habe hir ein man undt fraw gesehen, so einander auß purer lieb genohmen hatten, nehmblich der comte de Chastillon undt seine fraw. Daß hatt vielleicht ein par jahr gewehrt, hernach ist ein solcher haß drauff erfolgt, daß sie noch wie geschieden leben. Einer, so monsieur de Terme hieß undt viel verstandt hatte, pflegt alß zu sagen: Quand l’hymen entre dans le list des nouveaux maries, l’amour en sort par l’auttre costé;[9] deßen exempel hatt man, gar viel. Die großen freüden dießer welt sein von der kindtheit ahn biß man die welt kendt, aber hernach finden sich wenig rechte vergnügen mehr. Gott der allmächtige verleye, daß wir nach langer qual in dießem leben endtlich die ewige seeligkeit genießen mögen! Biß ich in jenne weldt gehe, werde ich Eüch allezeit, liebe Louisse, von hertzen lieb behalten.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Januar 1716 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 7–13
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0758.html
Änderungsstand:
Tintenfass