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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Londre.
Paris den 21 Februari 1716, umb mitternacht (N. 67).
Hertzallerliebe Louisse, ich bitte Eüch, macht doch meine
entschuldigung, daß ich I. L. heütte nicht schreibe! es ist mir
ohnmöglich. Ich habe I. L. gestern durch monsieur de Chardin einen
zimblich großen brieff geschrieben, bin umb 1 uhr nach mitternacht,
bin vor 10 wider auffgestanden, aber dießen nachmittags hatt mich
ein so starcker schlaff überfallen, das ich ein par stundt wider
willen geschlaffen habe; hernach habe ich so viel interuptionen undt
vissitten von die princessen du sang bekommen, daß ich nichts,
alß ein brieff ahn meine dochter, habe beantworten können, so aber
von 12 bogen ist. Ich habe noch 2 liebe schreiben von Euch
bekommen; wen ich sie aber beandtwordten werde, mag gott wißen,
sie sein von no 8 undt no 9. Paris ist woll ein verdrießlicher ort
auff alle weiß undt wege; aber wilß [gott], so werde ich nicht mehr
so lang dort sein, alß ich seyder deß königs todt geweßen; den
verleydt mir gott daß leben, so baldt es grün wirdt, gehe ich nach
St Clou, da werdt ich in ruhen [sein], auch nicht alle tag waß
widerliches sehen undt hören. Ich muß Eüch nur noch sagen, den
es erstickt mich, daß es der papst undt könig in Spanien sein, so
dem pretententen gelt geben haben; der papst hatt 30 m. ℔ geben
undt der könig in Spanien hatt 3mahl hundtertaußendt thaller
geben; von meinem sohn hatt er weder heller, noch pfening
bekommen. Gutte nacht, liebe Louisse! Ich bin so schlafferig, daß ich die
feder nicht mehr halten kan, muß doch noch sagen, daß ich meinen
vetter von Hessen, landtgraff Jorgen, gesehen. Man hatte mir ihn
so schön gemacht, daß ich ihn gar nicht schön gefunden; er hatt
ein abscheülich groß maul undt lacht nicht ahngenehm. Adieu!
Ich ambrassire [Euch] von hertzen undt werde Eüch von hertzen
lieb behalten, so lang ich lebe.