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Brief vom 19. November 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


789.


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St Clou den 19 November 1716.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe dießen abendt Ewer liebes [041] schreiben vom 1/12 November endtpfangen, undt weillen ich sehe, daß es Eüch, liebe Louisse, so sehr schmertz[t], keines von meinen schreiben zu entpfangen, so will ich Eüch dießen abendt schreiben; den morgen werde ich es ohnmöglich thun können, den ich habe einen großen brieff von I. L. der printzes von Wallis bekommen undt einen von meiner dochter, werde Eüch also ohnmöglich morgen schreiben können. Es stehet Eüch noch eins von meinen schreiben auß, aber es ist gar klein. Mein schenckel seindt zwar weniger geschwollen, alß sie geweßen, aber ich bin noch nicht gantz woll; ich leyde offt so große schmertzen dran, daß ich nicht davor schlaffen kan; es mischen sich grampff drunter, die mich unerhört leyden macht. Biß sambstag undt sontag wirdt man mich wider purgiren. Biß sambstag über 8 tag werde ich wieder nach Paris leyder, den die kalte ist gar zu graußam hir. Über daß so deücht es mir, daß mein sohn gern hette, daß ich wider in die statt fahre. Er ist heütte von 4 biß 6 hir geweßen, umb halb 8 ist seine gemahlin undt 3te dochter kommen undt haben mitt mir zu nacht geßen undt morgendts bin ich ein halbe stundt von hir in ein closter gefahren, umb schönne begräbnuß zu sehen, so dort sein, von marmol. Wen mir die waßersucht ahnkommen solte, konte ich es nicht mitt chocolatte churiren, wie L G. mein herr vatter s.; den mein magen kan die chocolade gar nicht vertragen; wen ich nur ein fingers lang chocolate nehmen, thut es mir gleich schwer im magen undt wehe. Die oberste Wilderin zu Manheim haben I. G. s. auch mitt chocolatte von der waßersucht courirt. Ich eriner[e] mich nicht, daß Ihr mir geschrieben, daß I. G. s. unßer herr vatter die waßersucht gefurcht hatt. Es wundert mich nicht, daß die fraw von Schelm, so wir alß Gret Veningen geheißen, waßersüchtig geweßen; sie sicht darnach auß. Lenor ist alß die gesundtste geweßen undt ists noch gar sehr undt allezeit von guttem humor; daß, glaube ich, erhelt ihre gesundtheit. Daß kan ich ihr aber nicht nachthun, den ich muß etwaß haben, so mir gefelt undt erfreüet, umb lustig zu sein können; ohne ursach kan ich es unmöglich sein undt die ursachen, lustig zu sein, seindt bludtsrar hir. Ich erinere mich jetzt, daß, wie Ihr mir von mein enckeln geschrieben, heist Ihr sie konigliche hoheit; den tittel führen nur die, so man enfant de France undt petits enfants de France [nennt]. Enfants de France seindt der könige leibliche kinder undt ihre brüder, der könige bruderskinder, [042] wie mein sohn undt seine schwester, wie auch die noch lebende großhertzogin, denen gibt man mitt recht den tittel von altesse royal oder königliche hoheit, aber meines sohn sohn undt töchter seindt nur prince du sang, die haben keinen andern tittel, alß altesse serenissime, undt unter enfants de France und sie ist gar ein großer unterschiedt in alles, sie haben kein service par quartie. Man kaufft die chargen nicht undt ihre chargen haben keine grand officier, noch premier ausmonier, noch premier escuyer, noch chevallier d’honneur. Die privillegien von unß seindt, daß, wen wir gleich sterben, behalten unßere bedinten, so man officier de maison royale heist, ihre prerogativen, daß [sie], wen sie gleich bawern sein, doch nicht, wie die andern, gelt geben müßen, sondern haben viel freyheiten, alß wen wir noch lebten; daß können der prince du sang ihre nie haben. Also, wie Ihr secht, nicht allein im tittel, sondern in alles gar ein großer unterschiedt. Ich habe gedacht, daß es Eüch nicht leydt sein würde, alle dieße unterschiedt zu wißen. Unßere kinder haben quartier undt officier, wie wir, auch daß kauffen undt verkaufen der chargen; allein es ist doch noch ein unterschiedt, sie haben keine chaisse a bras, noch chaisse a dos bey unß, wäschen auch nicht mitt unß, sie seindt aber, wie wir, auff den drap du pied in der kirch bey dem könig; die prince du sang aber, wie auch unßere enckeln, dorffen nicht auffs drap de pied weder bey dem könig, noch bey unß, sondern außer dem drap de pied. Daß ist alles reglirt; es weiß ein jedes, wo es hin soll; seindt wir in tribunen, darff niemandts, alß unßere kinder, sich bey unß knien, aber neben den printzen undt princessinen du sang können alle damen knien, wen sie nur von condition sein. Also segt Ihr woll, daß ein großer unterschiedt in allen ist. Mitt mir kan kein mansmensch eßen, alß prince du sang, souverains undt cardinals; mitt meinen kindern eßen alle fürsten undt ducs, mitt den prince du sang alle edelleütte; vor unß kan niemandts sitzen, alß duchessen undt printzessen, bey unßern kindern alle damen; die duchessen haben lehnstühl undt die ducs auch; bey den printzen du sang sitzen die duc in chaisse a bras, wie sie, undt sie begleytten sie ahn der thür, undt generallement alle mansleüte sitzen bey sie undt eßen mitt ihnen. Es seindt noch mehr dergleichen unterschiedt, so mir jetzt eben nicht einfallen. Gott seye dauck, daß unßere liebe printzes von Wallis glücklich zu St James ahngelangt ist! Dieße reiße hatt mich in großen sorgen gesetzt, weillen [043] sie einen bludtsturtz gehabt undt große schmertzen undt so nahe bey dem ziehl ist. Gott der allmachtige stehe unß ferner bey undt erhalte unß lange jahren die tugendtsame undt liebe printzessin! Ihre sentiementen charmiren mich recht. Ich hoffe, daß Ihr mir durch die erste post ihre glückseelige niederkunfft berichten werdet, liebe Louisse! den I. L. haben mir geschrieben, daß sie Eüch die comission geben werden. Mir were es kein danck, wen man sich auff meinen geburdtstag mitt schonnen kleydern bützte; den den da frag ich [nichts nach], sehe mein leben nicht, wie die leütte gekleydt sein, undt solte man meine eygene kleyder nehmen undt ahnthun undt vor mir kommen, würde ichs nicht mercken; den ich sehe mein leben nicht darnach, wie die leütte gekleydt, er[1] müste den etwaß gar ridiculles sein. Frembte sprachen zu reden, stehet allen kindem woll ahn. Meine encklen in Lotheringen können perfect teütsch undt frantzösch. Aber hiemitt genung, liebe Louisse! Ewer letzt[e]s liebes schreiben ist vollig beantwortet undt ich muß nach bett; den morgen muß ich früh auff sein, weillen ich gar viel zu schreiben habe. Gutte nacht, schlafft woll, liebe Louisse, undt seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. November 1716 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 40–43
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0789.html
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