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Brief vom 11. Dezember 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


794.


[045]
Paris den 11 December 1716.
Hertzallerliebe Louise, es ist erst ein viertel auff 2; ich weiß [046] nicht, ob ich heütte etwaß von Eüch hören werde, aber bißher, liebe Louisse, habe ich noch nichts von Eüch entpfangen, will doch ahnfangen, Eüch zu entreteniren. Wist mirs heütte danck! den ich bin heütte so matt, daß ich keine 2 linien außschreiben kan, ohne zu ruhen müßen. Vorgestern hatt man mir medecin geben, mana mitt sel vegetal, daß hatt mich von 9 morgendts biß 10 abendts geführt. Die erste nacht hatt es mich gar woll schlaffen machen, aber dieße nacht habe ich gar wenig geschlaffen. Man purgirt mich wegen meiner geschwollenen schenckel undt füß, sie seindt nicht viel, aber ein wenig beßer. Wie es weitter gehen wirdt, werde ich Eüch, liebe Louisse, berichten; aber ich bin persuadirt, daß ich sehr krencklich werde vor meinem endt werden; aber man muß woll gedult haben undt sich in den willen gottes ergeben; verjungern kan ich nicht, muß den nur mein partie faßen undt dencken, daß es, biß ich in jene welt reiße, alle tag schlimer wehrden muß. Also will ich mich drin ergeben undt nichts mehr davon sagen. Ich schicke Eüch hirbey einen brieff von dem närischen abbé oder comte de Bouquoy, worauß Ihr sehen werdet, wie sehr er sich über Eüch beklagt; daß hatt mich lachen machen. Wen Ihr meint, daß sein brieff die printzes von Wallis divertiren kan, so weist ihn I. L. auch! dern schicke ich andere närische brieff, I. L. zu divertiren, von einem kerl, der sich einbildt, daß er 4 taußendt jahr gelebt hatt, man, weib, thier, printz von Spanien undt cardinal de Richelieu geweßen ist undt diß hauß gebauet undt dem verstorbenen konig geschenckt hatt. Ich habe noch ein par brieff von Eüch, die ich noch nicht habe beantwortten können, vom 18/26 November undt vom 8/19 November. Ich werde sie heütte nicht alle beyde beantwortten, sondern nur daß frischte, undt vor die gutte potschafft, so Ihr mir von der printzes von Wallis jetzt, gott sey danck, gutten gesundtheit gebt, schicke ich Eüch, liebe Louise, ein klein bottenbrott, nehmblich ein gantz schlecht schächtelgen von golt mitt ein klein demanten ringelgen mitt 4 kleine, aber wahre grüne demäntger, wünsche, daß sie Eüch gefallen mögen, undt hoffe, daß es noch waß rares in Englandt mag sein, rechte grüne demantier zu sehen. Ich bitt, schreibt mir, ob sie gemein in Englandt sein, oder nicht! Freylich, liebe Louisse, höre ich gern zeittung von unßer liebe printzes; aber waß mich recht verdrist, ist, daß man mir, umb mich doll zu machen, die brieffe gantz auffhelt. Man hatt groß recht [047] zu glauben auff der post, daß man mir mitt dem brieff-auffhalten verdruß ahnthut, den daß ist gar war. Man sagt hir, die printzes wer schir umbs leben kommen, weillen ein englischer accoucheur nicht hette leyden wollen, daß die teütsche hebamme die printzessin helffen solle, undt daß der streitt die printzes schir daß leben gekostet hette. Ich mögte wißen, liebe Louisse, ob es war ist. Ich bin fro, daß Ihr Eweres husten undt schnupen wider quit seydt; den es ist eine verdrießliche undt ungedultige sache; es verdriest mich recht, wen ich ihn habe, ob [wol], waß ich nun habe, gefährlicher sein solle, alß husten undt schnupen. Mich deücht, das Churpfaltz beßer thete, seine fraw dochter dem printzen von Sultzbach, seinem rechtmäßigen erben, zu geben, alß sich selber zu heürahten; den nimbt er eine ertzhertzogin, so wirdt er mir die Pfaltz auff neüe ruiniren, da hergegen, wen er nur seine printzessin dem printz von Sultzbach gibt, kan er seinen hoff regliren, wie er will, undt die übermäßige despanse, so sein herr bruder gehabt, abschaffen. Ich wünsche von hertzen, daß das arme Heydelberg dießem jetzigen churfürsten gefahlen möge, damitt er daß liebe schloß wieder zurecht möge machen laßen: den ich kan nicht laßen, mich noch immer vor den ort meiner geburdt zu interessiren. Daß kan ich nicht begreiffen, daß man sich so leicht in den verlust seines eintzigen sohn getrosten kan; daß findt ich sehr christlich undt admirabel, aber nicht imitable, die kunst habe ich mein leben nicht gekönt. Zu kinder-seügen solte man nichts, alß gutte gesundte beuerrinen, nehmen undt keine graffinen. Wen ein weib schwanger ist, kan es eben so baldt ein madgen, alß einen buben, geben. Der konig von Engellandt hatt die hertzogin Louisse eine betrübte vissitte geben, ursach zu sein, daß alle lust auffhort; der[1] hertzogs heßlich gesicht muß unglück gebracht haben. Zu Paris sagt man, der konig von Engellandt wolle nicht mehr nach Engellandt, sondern dem printzen, seinen sohn, Engellandt überlaßen; daß habe ich mühe zu glauben. Ich dancke Eüch vor die 2 kupfferstück von den 2 Turcken, finde sie recht woll gestochen, undt der jüngste ist ein recht schönner mensch. Engländer seindt wunderliche köpffe undt threhen alles übel auß. Mehomet undt Mehemet ist all [eines]; waß wir Mahomet außsprechen, heißen sie Mehmet; Ibrahim ist Issac.[2] Umb gottes willen, liebe Louisse, braucht keine brillen nicht, gebt Eüch ein wenig [048] gedult! Daß gesicht kompt wider, ich habe es selber experimentirt; ich leße jetzt reinere schrifften, alß vor 10 jahren. Aber da kommen so viel verhindernüße, daß ich auffhören muß undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Dezember 1716 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 45–48
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0794.html
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