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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Londre.
Paris den 22 Januari 1717.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen dinstag habe ich zwey von
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Ewern lieben schreiben auff einmahl endtpfangen, vom 31 December
1716 undt vom 3/14 Januari 1717. Ich habe schon vergeßen, waß
ich zu chiffriren
[1] habe, drumb habe ich schon wider 2 oder 3 mahl
ohne schiffer geschriben. Ich bitte Eüch, schreibt mir, wie viel
brieff Ihr von mir entpfangen habt von dießem jahr! so kan ich
wider ahnfangen, zu chiffriren. Ich bitte Eüch taußendtmahl umb
verzeyung; aber ich habe lachen müßen, so wenig ich es auch im
sin habe, über Ewer incognito von Londen undt allen umbstanden.
Gott verzeye mir! aber ich glaube, daß Ewer schwager hofft, daß
die 2 verliebten etwaß närisch ahnstellen mögen undt die dochter
schwanger werden undt er ursach bekommen möge, böß zu sein
undt zu sagen, er woll[e] ihr nichts geben, sie hetten sein hauß
verschimpfft, undt daß er also der dochter nichts zum heüraht geben
wolle; den sonsten hette er Eüch 3 gewiß nicht nach Londen
geschickt. Die historie von der [stimme] ist nicht ohne exempel. Ich
habe ahn I. G. s. unßer herr vatter hör[e]n sagen, daß wie oncle
Edewart gestorben, haben sie so eine stimme gehört, sie attribuirten
es dem geblüdt zu undt nicht, daß sie es in der that gehört hatten.
Waß mich almbelangt, liebe Louisse, so meine ich, wen ich sitze,
gar gesundt zu sein; aber gehe ich 2 kammern durch, so muß ich
schnauffen, wie ein dantzber, habe gar keinen ahtem mehr; alle
abendt geschwellen mir die füße undt bein; 2 nachte schlaff ich
woll, hernach 5, oder 6 gar übel; einen tag eße ich woll, hernach
etlich tag bin ich ohne apetit. So ist mein standt nun; waß weitter
drauß werden wirdt, mag gott wißen. Waß ich aber woll weiß, ist,
daß so lang ich leben werde, werde ich Eüch lieb behalten, liebe
Louisse!