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A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 19 September 1717 (N. 8).
Hertzallerliebe Louisse, dießen nachmittag habe ich Ewer lieb
schreiben von 7 dießes monts, no 11, zu recht erhalten. Ich bin
expresse umb 5 uhr wider vom spatziren kommen in intention, ahn
mein dochter außzuschreiben undt ein gar exacte andtwort auff Ewer
schreiben zu machen; allein wie ich mich eben gesetzt undt die
feder in die handt genohmen, ist madame la princesse mitt
mademoiselle de Clermont kommen undt biß 8ten geblieben, hernach habe
ich meiner dochter brieff außgeschrieben, jetzt auff daß Ewere.
Dancke vorher vor daß kupfferstück von der schlacht, wie auch vor
alle zeittungen. Ey, liebe Louisse, ich schreibe Eüch nicht, umb
artige Sachen von Eüch zu erfahren, ich schreibe, umb zu wißen,
wie Ihr lebt undt gesundt seydt, weillen ich mich vor Eüch, liebe
Louise, interessire undt Eüch recht lieb habe; findt sich aber dabey
waß artiges, nehme ich es mitt danck ahn. Es ist eine schandt,
daß dießer churfürst es eben macht, wie sein … Ihr hattet
mir ihn so gelobt, daß ich mich ein beßers zu ihm versehen hatte.
Ihr werdet gar woll thun, Eüch bey Churpfaltz zu beklagen über
dieße so gar hartte maniren. Wer ist der grobe herr zu
Heydelberg in der cammer, der so barbarisch undt ohnhöfflich haust? Wen
der churfürst so gutt undt gerecht ist, alß Ihr ihn beschreibt, solte
er solche poßen abstraffen undt nicht leyden. Ich habe nie gewust,
daß Ihr etwaß ahn meinem sohn zu pretendiren habt; warumb habt
Ihr so lang davon geschwigen? Ich were nie, daß man daß seine
fordert. Gelt jetzt fordern ist eine schwere [sache]; den nirgendts
nichts vorhanden ist, den man sucht, in alles deß verstorbenen konigs
schulden zu zahlen. Mein sohn hatt selber die pension alß regent
cedirt; deß konigs schulden wahren nicht mehr, alß 2 mahl
hundert-taußendt millionen; man muß lang kratzen, ehe sich dieße suma
findt. Zweyffelt nicht, daß ich mein bestes dazu reden, wen ich
davon höre! undt Ihr thut woll, mir die sach nicht unter händen
zu geben; den niemandts in der welt verstehet weniger die affairen.
Wen ich davon reden hore, oder man mir grichisch vorlest,
verstehe ich eins wie daß ander. Es ist leicht zu begreiffen, wie
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betrübt die fürstin Taxis über ihres brudern todt sein muß. Ein
bruder von einer von madame de Berry damen, so gestern abendts im
kindtbett gestorben, were schir auch vor betrübtnuß gestorben; man
hatt ihm müßen zur ader laßen, es ist auch ahn madame de Berry.
Man thut den frantzoschen printz groß unrecht; die keyßerin Amelie
hatt ahn ihre fraw mutter geschrieben, von deren ichs hab, daß der
printz Eugenius ihnen gutt lob geben undt gesagt, der comte de
Charolois
[1] were wie ein kleiner lew, wolte bey alles sein. Wen bey
dießen herrn daß gemüht so gutt wehre, alß das hertz undt courage,
so were nichts zu wünschen. Ihr habt recht, es ist ein gutt zeichen,
wen man nichts von den seinigen hört; den boße zeittungen fliegen
geschwindt wie der windt. Die ursach, warumb Ihr nicht in
Englandt könt, ist mir leydt, aber nicht, daß Ihr nicht hin werdt; es
ist billiger, daß die junge leütte reißen. Ist die wittib von fürsten
von Nassau-Ussingen nicht madame Dangeau schwester undt ein
freüllen von Lewenstein?
[2] Es ist eine große thorheit, sich wieder
zu verheürahten, wen man witwe ist. Da finde ich eben, waß ich
frage, weiß undt roht ist nun sehr im brauch. Nichts in der welt
macht mehr auß dem mundt stincken, alß falsche zähn. Thuts nicht,
liebe Louisse! es wirdt Eüch gereüen. Adieu, hertzallerliebe Louisse!
Ewer brieff ist völlig beantwort, bleibt nur überig, Eüch zu
versichern, daß ich Euch von hertzen lieb habe undt sehr beklage.