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Brief vom 30. September 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


853.


[094]
St Clou den 30 September 1717 (N. 10).
Hertzallerliebe Louise, gestern, wie ich eben in kutsch sitzen wolte, bracht man mir Ewer liebes schreiben vom 14 dießes monts, no 13. Es ist mir von hertzen leydt, daß Eüch die gutte teütsche lufft nicht beßer zuschlegt undt Ewere gesundtheit nicht beßer zu Franckforth, alß zu Londen, ist. Hir ist die hitze nun gantz vorbey undt wir haben in allen kammern feüer. Mich verlangt sehr, liebe Louisse, wider brieff von Eüch zu haben, umb zu erfahren, wie es nun mitt Eüch stehet. Ewere liebe schreiben bekomme ich allezeit gar recht, itzundter etliche posten nach einander. Ewere postage nach Franckfort seindt just die tage, so ich in der gantzen wochen ahm wenigsten zu schreiben [habe]; also habt keine scrupel, wen ich Eüch große brieff schreiben! Daß öhl von capahu ist eygendtlich kein öhl, sondern eine gomme,[1] so von einem baum in America fliest; man heist es auch offt le beaume de copahu. Es ist eine gutte sach, der geschmack ist zwar bitter, aber der geruch gar nicht unahngehm; den es richt eben wie cedernholtz. Daß copahu macht den wein bitter, man läst es in wein mitt dem gelb von einem ey zergehen, so wirdt es dick undt weiß wie milch. Die Rotzenheusserin nimbts auch, aber mitt widerwillen, welches mich [095] desto mehr wunder nimbt; den sie kan doch allerhandt wüstereyen schlucken. Zu Versaille, wie sie die gelbsucht hatte, dranck sie 2 mahl deß tags ein dranck, welchen man von 6 schritten richen kunte undt stanck wie eine gantze apoteck, undt dießes, daß woll richt, kan sie nicht nehmen; daß werff ich ihr sehr vor. Man hatt ihr gestern auß precaution zur ader gelaßen, daß hatt sie recht lustig gemacht, hatt unß alle lachen machen. Gestern ahn taffel sagt sie, [sie] woll sich morgen voll undt doll sauffen; den daß were die ordre von der aderläß, den ersten tag maßig, den andern tag fräßig, den 3ten tag voll undt doll. Die churfürstin zu Pfaltz ist nun schon in Ittallien. Ich habe gestern brieff von unßerer hertzogin von Modene bekommen, die schreibt mir, daß sie zu Trente (so, wie ich glaube, man auff Teütsch Trient heist) erwardt wirdt. Der großhertzog, ihr herr vatter, hatt I. L. einen gantzen hoff entgegen geschickt, 2 hundert personnen, garden, edelleütte undt 4 damen von der grösten qualitet von dem landt. Ich wuste, daß ihre fraw mutter nicht leyden würde, daß sie durch Franckreich kämme, undt hirin hatt sie groß recht; Franckreich ist kein ort vor churfürst undt churfürstinen, sie seindt hir wie fisch auß dem waßer undt machen sotte figuren. Ich weiß nicht, warumb man den printz von Sultzbach nicht churprintz heist; er ist es ja itzunder in der that; den der churfürst will woll so lang leben, alß der pfaltzgraff von Sultz graff von Sultzbach, also bleibt der printz doch churprintz; den solte sein herr vatter churfürst werden, were er ja auch churprintz, also meines erachtens solte er den nahmen schon führen. Man sagt, daß die printzes, wie sie ihre schwigereltern gesehen, hette sie sie so schlegt gefunden undt so ellendt undt wunderlich gekleydt, daß sie bitterlich drüber geweindt hatt. Aber ist es nicht vielleicht, daß dieße pfaltzgräffin auch ein schuß hatt, wie ihr herr vatter undt oncle gehabt? Den sie ist landtgraff Wilhelms von Rheinfels dochter, der der gescheydtste nicht ist sowoll alß sein herr bruder, landtgraff Carl, war. Wir haben wenig neüe zeittungen hir. Ihr werdet wißen, wie der papst den milord Petterbouroug[2] zu Boulogne in Ittallien hatt gefangen nehmen laßen. [096] Niemandts weiß die ursach; er ist 4 tag in weibskleydem herumbspatzirt; mitt viellem verstandt hatt dießer man doch auch ein schuß undt ist narisch genung, soll gleich gesagt haben, er frage nichts darnach, wen man ihn schon umbbrachte; den er hette seine harangue fertig, so er dem pöpel machen wolte. Man solle ihn gefragt haben, ob er kommen were, den chevallier de St George[3] auffs königs in Englandts befehl zu ermorden, so solle er geantwortet haben: Nein, der könig ist incapabel, ein solche ordre zu geben, aber vor den printz von Wallis wolte er nicht gutt sein, den der were es capable. Unßere geweßene dame d’honneur undt hernach hoffmeisterin von unßerm kleinen könig ist nun witwe; ihr herr[4] ist vorgestern gestorben. Daß ist alles, waß ich weiß; ich will aber erst mein paquet dießen abendt machen, im fall ich noch etwaß neües erfahren solte, Eüch solches zu bericht[en]. Erfahre ich nichts, so nembt hirmitt vorlieb undt seydt versichert, daß Eüch niemandts lieber hatt, alß ich!
P. S.
Donnerstag abendts, wie ich eben spatziren gefahren, hatt man mir, liebe Louisse, Ewer liebes schreiben vom 18, no 14, gebracht sambt den gazetten, wovor ich Eüch sehr dancke. Ihr sagt mir [097] kein wordt von Ewerer gesundtheit undt daß wolt ich ahm liebsten. Meint Ihr den, liebe Louisse, daß mir Ewere gesundtheit nicht mehr ahngeht, alß die gemeine zeittungen, undt daß ich nicht lieber Ewere brieffe leße, alß die zeittungen? Wen daß ist, liebe Louisse, so kendt Ihr mich noch nicht, undt daß schnoffencirt[5] mich recht, wie die fraw von Rotzenhaussen alß pflegt zu sagen; aber ernstlich davon zu reden, so verdrists mich doch. Seydt ein wenig gerechter in waß mich betrifft, undt glaubet, daß, wen ich Eüch nicht in der that lieb hette, würdet es mir kein mensch in der welt sagen machen, daß ich Eüch lieb hette! Ich bin nur gar zu sincere in dießem stück undt alle, die mich kennen, könnens Eüch sagen; seydt den ein wenig gerechter in waß mich betrifft, liebe Louisse! Ich werde jetzt eßen gehn, ein wenig salat undt ein pfiersing. Adieu! So zornig ich auch gegen Eüch bin, will ich doch nicht enden, ohne Eüch von hertzen zu ambrassiren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. September 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 94–97
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0853.html
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