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Brief vom 9. Oktober 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


855.


[098]

A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 9 October 1717 (N. 12).
Hertzallerliebe Louisse, da entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 25 September, no 16. Umb Eüch allen scrupel zu benehmen, 2 mahl die woch ahn mich zu schreiben, so will ich Eüch, liebe Louisse, sagen, daß ich weder spillen, noch arbeytten kan undt daß ahn meine verwanten zu schreiben, mein einig amussement ist. Ich konte Eüch nicht lang entreteniren, so lang Ihr in Engellandt geweßen, weillen ich dieße dinstag undt freytag ahn mein dochter [099] undt auch ahn die printzes von Wallis zu schreiben hatte, denen ich beyde gar große mächtige brieffe schreibe; aber donnerstags habe ich kein post undt sontags nur einen brieff ahn mein dochter zu schreiben. Also segt Ihr woll, daß, wen ich sambstag ahnfange, ahn Euch zu schreiben, so kan es mir ja sontags gar keine mühe geben. Viel schreiben ist mir nicht verbotten, sondern daß wachen; auch daß spättste, so ich zu bett gehe, ist halb 12; ordinari bin ich umb halb 11 im bett, auch offt gar umb 10, wache also gar nicht mehr. Daß ist die lust vom commerse, zu andtwortten, wen man brieff bekompt. Helt daß Ewer dockter vor nichts, den magen verdorben zu haben? Daß halte ich vor waß gar schlimes, insonderheit weillen Ihr dabey abnembt. Drumb, liebe Louise, wen Ihr mir wider schreibt, so bericht mich doch noch eygendtlicher, wie es mitt Ewer gesundtheit stehet, undt gott segene den elixir, so man Eüch verordenet hatt! Ihr habt gar woll gethan, liebe Louisse, dem graff von Nassau nicht zu sagen, wie sein sohn zu Paris gespilt undt verlohren hatt. Ich bin fro, daß vatter undt sohn so woll mitt mir zufrieden sein. Clöster stehen dem gutten Heydelberg bitter übel ahn. Hatt Stübenvoll[1] nicht in der vorstatt logirt? Dießes alles ist in der vorstatt der herrn gartten, war ohne daß nicht zu groß. Daß kan mich recht verdrißen, das mans Capucinern geben. Man heist hir die Capuciner der Jessuwitten laquayen, den sie thun allezeit, waß die andern wollen. Alle Jessuwitter seindt zu Paris so gehast, alß in der Pfaltz immer. Es seindt ehrliche leütte unter ihnen, aber die meisten seindt sehr intrigant undt gar zu entreprenent, wie wir durch zwey beichtsvatter vom könig gesehen haben. Ich meinte, daß der Wetzel von den gutten Wetzellen wer, so man Wetzel von Marsillen heist undt davon einer cammerjuncker bey I. G. s. unßer herr vatter war undt der Veningern geschwisterkindt war; aber waß Ihr mir davon sagt, ist gantz waß anderst. Es were mir lieb, wen die Spina woll geheüraht were. Ihr seydt vielleicht verwundert, liebe Louisse, warumb ich Eüch heütte schreibe; die ursach ist, daß ich morgen bey madame de Berry zu gast gebetten bin a la Meutte im bois de Boulogne. Gutte nacht, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt wünsche, daß Ihr woll schlaffen möget undt gesundt auffstehen. Ich [100] behalte Eüch von hertzen lieb.
Sontag den 10 October, umb halb 9 morgendts.
Ich habe gestern meinen tag mitt Eüch geentet, fange heütte dießen wieder mitt Eüch ahn; aber Ihr könt woll gedencken, daß ich heütte morgen noch niemandts gesehen habe. Dieße vergangene nacht bin ich umb 11 uhr zu bette geweßen, habe 11 im bett gezehlt. Es muß zu Paris ein feüerbrunst entstanden sein, den ich habe ein abscheülich feüer umb zehn uhr gesehen; waß es geweßen, kan ich noch nicht wißen. Morgen werden wir daß hauß gar voll hir haben. Dießen abendt kompt unßer großhertzogin wieder undt morgen abents kompt madame d’Orleans mitt ihre dochter, mademoiselle de Valois, undt den duc de Chartre her, werden biß heütte über 8 tag bey unß bleiben. Ich bin in rechten sorgen wegen unßer königin von Sicillien; sie hatt einen abscheülichen bludtsturtz, daß ist etlichmahl gar gefährlich. Sie ist dießen 27 Augusti 48 jahr alt worden, glaube, daß ihre zeit sich verliehren will, wolt, daß es schon vorbey were, den viel seindt sehr kranck hiran; daß macht vielleicht auch Ewere schlime gesundtheit nun, welche mich auch in sorgen setzt. Aber ich muß schließen undt ahn mein dochter schreiben, den da schlegt es 9; umb halb 11 ziehe ich mich ahn, umb halb 12 gehe ich in kirch, umb 12 fahr ich hir weg. Ich will doch mein paquet erst dießen abendt machen, wen ich wider von der Meutte werde kommen sein. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen; erfahre ich waß neües, werde ichs Eüch noch berichten, wo nicht, so nembt hirmitt vorlieb!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Oktober 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 98–100
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0855.html
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