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Brief vom 27. Oktober 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


860.


[114]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou 12 October[1] 1717 (N. 16).
Hertzallerliebe Louisse, morgen werde ich nach Paris, drumb fange ich Eüch heütte ahn zu antworten; den zu Paris kan ich ohnmöglich schreiben; den gleich wen ich ahnkomme, besuche ich madame d’Orleans, so husten undt schnupen hatt, hernach gehen wir zum eßen, nach dem eßen sitze ich wider in kutsch undt fahre über den pont neüff zu madame la princesse, so auch kranck ist, hernach aux Carmelitte, wo etliche damen zu mir kommen, von dar ins Palais-Royal, gehe in die commedie undt den wider her; also segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ich morgen keine zeit haben werde, zu schreiben. Ich bin froh geweßen, Eüch auß Englandt zu wißen, undt nun wolte ich, daß Ihr noch zu Londen wehret; den ich habe vergangen montag 2 brieff von unßer printzes von Wallis bekomen, die war den 18 in den großen schmertzen, umb ins kindtbett zu kommen. Ich sehe woll durch waß I. L. mir sagen, daß sie meindt, daß es übel ablauffen wirdt, daß ängstet mich recht, insonderheit wegen deß accident, so I. L. bey madame de Schosburg[2] begegenet mitt dem harten stoß von der kutschen, da ist kein vexir[er]ey mitt, daß kan ein kindt übel threhen. Gott behütte davor! Verlange sehr, wider zeittung zu haben, wie Ihr, liebe Louisse, woll dencken könt.
Mitwog abendts.
Heütte morgen habe ich auffhören müßen, umb mich [115] ahnzuthon, hernach ist großhertzogin kommen, seindt in die kirch, nach der kirch zur taffel, gleich nach dem eßen bin ich spatziren gefahren; den der dicke nebel, so heütte morgen war, ist gefahlen undt es ist daß schönste wetter von der weldt geworden. Ich habe spatzirt in calesche von 3 biß halb 5, herna[c]h war ich kaum in me[i]n cabinet, so ist madame la duchesse de Berry zu mir kommen undt ein gutte stundt geblieben, hernach hatt man ins gebett geleütt, wo ich hingangen.
Donerstag, den 28 October, umb 7 morgendts.
Ich habe mitt aller gewalt auffstehen müßen; aber ich bin auch 8 gutter stundt im bett gelegen, den ich legte mich gestern umb ein viertel auff 11 undt bin erst umb halb 7 auffgestanden, also mehr, alß 8 stunden. Mein dockter, monsieur Teray,[3] fordert mir nicht mehr. Nachdem ich dan mein morgengebett vericht, komme ich, Eüch, liebe Louise, zu entreteniren. Ich muste gestern kurtz abbrechen, den es war ahngericht undt ich wolte mitt der großhertzogin zu nacht eßen, weillen I. L. heütte weggehen. Ich weiß nicht, weillen es schon spat im jahr ist, ob sie, wie ordinarie, biß sontag wider kommen wirdt, habe also ein wenig haußehre thun müßen. Nun aber kan ich Eüch ohne interuption entreteniren, den umb 7 kommen keine. Durch waß ich Eüch gestern abendts gesagt, segt Ihr unßer gantzes leben hir. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben vom 12, no 21, komme. Es ist mir von hertzen lieb, liebe Louise, daß Ihr wider beßer seydt. Daß Ihr noch matt seydt, ist kein [wunder]; wen man die 50 ereicht hatt, kompt man nicht so baldt wider zu kräfften; es ist noch ärger, wen man über 65 ist, wie ich, bin noch nicht wider ersetzt von der medecin, so ich vor 6 tagen genohmen. Hettet Ihr hir den fluß im halß, würde man Eüch braff zur ader laßen. Sie wißen hir, wie sie sagen, kein sicher remedie vor halßwehe, umb zu verhindern, daß keine geschwer im halß kommen. Mitt artzneyen leben ist nicht mehr leben, ich haße es abscheülich, macht mich trawerig. Ich habe mein leben weder badt, noch sauerbrunen gebraucht, wer mir woll leydt, wen ich ihn brauchen müste, undt ahn brauchen kan ich mein leben keine lust nehmen. Ich sage alß [116] zur großhertzogin, daß ich glaube (undt es ist war), daß die reißen ihr beßer bekommen, alß daß badt undt sawerbrunen. Ich bin verwundert geweßen, daß man der printzes von Wallis den sawerbrunen hatt drincken machen. Vor dießem hatt man den schwangern weiber nichts geben, daß treibt; man hatt es vor gefahrlich gehalten. Gestern habe ich ein schreiben vom 21 von dießer lieben printzes bekommen, sie war noch in den schmertzen; daß macht mich bang undt fürchten, daß daß kindt matt ist undt sich nicht hilfft; unterdeßen matten die schmertzen die mutter sehr undt man hatt starck von nöhten, ein kindt auff die welt zu bringen. Ich bin alß recht [verwundert], wen ich zu Paris so erschrecklich viel leütte sehe, wen ich betrachte, daß nur eine manir ist, auff die weldt zu kommen, undt wie schwer es helt, daß ein kindt glücklich undt gesundt auff die welt kompt, wie viel es außzustehen, biß es in maniglichen alter kompt, undt wie viel hunderterley maniren in der welt sein, zu sterben, so bin ich verwundert, daß so viel millionen menschen sein können. Gott ist woll in allen seinen wercken zu admiriren undt zu bewundern. Vor die Nürnberger schachteln mitt pflaster habe ich Eüch schon gedankt, werde den Louis d’or ahn Lenor geben. Ich finde es schandtlich, wen man commissionen nicht bezahlt. Ich leße offt viel sachen, ohne zu wißen, waß es ist; dancke Eüch sehr vor die nachricht. Ich wünsche von hertzen, daß alle Ewer affairen mitt Churpfaltz nach Ewerm wunsch abgehen mögen. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt wir haben gantz undt gar nichts neües hir. Ich hoff, daß wetter wirdt es machen, wie gestern; den der nebel ist eben so dick undt starck, alß gestern; hoffe, er wirdt fahlen, so werden wir schön wetter zu unßerer kleinen reiß haben. Adieu! Es schlegt 9, ich muß mich ahnziehen, umb nach Paris zu fahren, wie Ihr schon wist. Adieu biß auff sontag, wils gott, daß ich Eüch auffs neü versichern werde, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Oktober 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 114–116
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0860.html
Änderungsstand:
Tintenfass