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Brief vom 30. Oktober 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


861.


[116]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 30 October 1717 (N. 17).
Hertzallerliebe Louise, ich will heütte auff Ewer liebes [117] schreiben vom 16, no 22, andtwortten; den morgen werde ich es nicht thun können, weillen ich mich zum h. abendtmahl bereytten will, den übermorgen ist daß fest von allerheyll[ig]en, wo die meisten leütte, so sich von regullaritet piquiren, zum h. abendtmahl gehen; meine regle ist, daß ich 5mahl deß jahrs zum h. abendtmahl gehe, ostern, pfingsten, den 15 Augusti, 1 November undt auff weinnahchten. Ich dancke Eüch, liebe Louisse, daß vor die 2 schachteln undt zeittungen, so in Ewern paquet. Man braucht daß Nürnberger pflaster hir sehr vor allerhandt geschwer, aber insonderheit vor die elster-augen, da brauch ichs auch zu, finde, daß es die älster- oder kräen-augen verhindert, hart zu werden, undt wen sie nicht hart sein, thun sie nicht wehe. Wen ein recept ist, so geschwindt heilt, laßen es die ba[r]birer gerne abkommen, umb die schaden lenger zu dawern machen; daß ist ihr gewin. Ich habe einen mylord Kent hir gesehen, der sagt daß seiner großmutter, weillen man keines mehr von dem alten findt undt man den handtgriff dazu verlohren, daß es niemandts mehr machen kan, undt daß daß neüe gar nichts mehr deücht undt denselben effect nicht mehr thut, so daß alte gethan. Es ist schadt, den es war ein trefflich pulver, mir hatts 2 oder 3 mahl daß leben errett.[1] Es ist leicht zu begreiffen, daß daß es Ewern teutschen kindern undt nach Eüch thut. Man sagt, sie hetten Eüch nie keinen heller gelaßen, Ihr habt ihnen alles geben, waß Ihr habt, biß auff alle Ewere juwellen undt bigoux. Ich gestehe, wie man mir Londen undt alle Engländter beschrieben, mögte ich nicht dortten sein. Es muß noch ärger sein, als hir, undt daß ist nicht wenig gesagt. Wir haben nun gantz undt gar nichts neües hir. Ich bin in sorgen vor zwey personnen, so mir lieb sein, vor die printzes von Wallis; ich förchte, weillen ihre kindtswehen so gar lang dauern, ohne daß sie niederkompt, so förchte, daß das kindt sich in mutterleib übel gethrehet hatt von dem hartten ahnstoß in meledy Chosberry[2] hoff, wie Ihr woll wist, undt daß war gar gefährlich. Sie spricht von sterben mitt ein solch courage, daß es zu verwundern ist. Gott wolle sie gnädig bewahren! Die zweyte person, vor welcher ich in sorgen bin, ist madame la princesse. Ich habe I. L. vergangen donnerstag besucht; sie nimbt taglich [ab] undt hat solche schmertzen, daß ihr die thranen davon in den [118] augen kommen. Es ist ein kopffwehe, so von den haaren ein fingerslang auff der stirn biß ahn den daß rechte augbraun, undt der schmertzen nimbt ihr beyde kinbacken so ein, daß sie den mundt nicht auffthun, noch reden kan ohne abscheüliche schmertzen; fürchte, es wirdt endtlich ein geschwehr drauß werden, so die arme fürstin auff einmahl ersticken wirdt. Bey ihr ist keine gefahr, blotzlich zu sterben, sie hatt alle ihr leben tugendtsam gelebt, viel mitt ihrem herrn auß[gestanden], der ohne die geringste ursach jalous war wie der teüffel undt sie greülich geplagt hatt. Sie ist nun in einer großen devotion, hatt aller lust abgesagt, sie liebt[e] daß spiellen undt die commedien undt spilt nie nicht mehr undt sicht gar kein specktacle mehr. Ich, die warheit zu sagen, glaube, daß sie von zu viellen betten kranck ist, den eine solche lange weill kan der leib nicht außstehen, ohne kranck zu werden. Daß ist alles, waß ich Eüch vor dießmahl sagen werde, ambrassire Eüch schließlich von hertzen undt bitte, zu glauben, daß ich Eüch, liebe Louisse, all mein leben von hertzen lieb behalten werde.
St Clou, sontag, den 31 October, umb 7 abendts.
Dießen abendt umb 4 uhr habe ich Ewer liebes schreiben vom 19 dießes monts, no 23, zu recht entpfangen, werde aber erst die andere post drauff antwortten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Oktober 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 116–118
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0861.html
Änderungsstand:
Tintenfass