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Brief vom 11. November 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


863.


[121]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 11 November 1717, umb halb 8 morgendts (N. 21).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag habe ich Ewer liebes schreiben vom 26 October, no 25, zu recht entpfangen, muß Eüch aber heütte wider in eyll andtwortten; den ich werde dießen morgen nach Paris undt mitt meinem sohn eßen, muß mich also eyllen, den umb 9 muß ich mich ahnziehen, umb halb 11 in kirch, vor noch zur großhertzogin, ihr adieu zu sagen; den I. L. werden heütte weg, umb nicht wider zu kommen. Ich werde leyder auch übermorgen 8 tag von hir wieder in daß trawerige Paris, daß liegt mir gantz schwer auff dem hertzen. Erstlich, so ist mir dieße lufft nicht gutt, zum andern, so bin ich immer dort geplagt, undt zum 3ten, so bin ich bitter übel dort logirt undt es kan nicht anderst sein, noch geendert werden, undt zum 4ten, so muß ich gantz allein dort eßen, welches langweillig undt widerlich ist; den man hatt hundert menschen umb die taffel stehen, die sehen einem in maul; ich habe es nie gewohnen können. Aber es ist auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme; den ich habe wenig zeit. Mich deücht, daß unßer comerse nun zimblich woll gehen; den den 12 tag entpfange ich Ewer schreiben. Mich deücht, die meinige, so Ihr entpfangt, müßen, wie ich sehe, lenger, alß 11 tag, unterwegen sein. Ich hatte Eüch ja versprochen, fleißig zu schreiben, wen Ihr wider in Teütschlandt sein würdet, undt ein schelm, der sein wordt nicht helt. Ich schreibe alle nachmittags mitt großem geraß, ich bins gewohnt; den vor dießem spilte Monsieur a la bassette in meiner cammer, welches ein abscheülich geraß macht, schreyen offt [122] alle zusammen, daß hatt mich dran gewohnt. In Franckreich spilt man lombre nicht auff Spanisch, sondern mit großen gethuns undt sprechen braff drein; Frantzosen insonderheit schweigen zu machen, lest sich nicht thun; nicht allein die spillen, sondern auch die zuseher sprechen mitt großem geschrey; aber man spilts zu [St] Clou nicht umb gelt: Ich wolte, liebe Louise, daß Ihr hir schachspiel lehrnen kontet. Alle schachspieller höre ich sagen, wie Euch, das sie lieber mitt denen spieller spiellen, so beßer spillen, alß sie, alß mitt denen, so es nicht so woll können, alß sie. Die erste dauphine hatt einen kleinen pagen von 12 oder 13 jahren, ein sohn von einem maistre d’hostel de quartier, der hieß Fretteville, der spilte beßer schach, alß alle große spieller bey hoff. Letzverstorbener monsieur le prince sperte sich mitt dem hüben ein, umb nicht irr gemacht zu werden, aber der page gewahn ihm allezeit ab, welches monsieur le prince doll macht, daß er offt sein eygene peruque vom kopff rieß undt dem pagen ins gesicht wurff, wen er ihn schachmatt gemacht hatte. Hir spilt man die große spiel, alß bassette, pharaon undt landtsknecht gar ernstlich; solte jemandts dabey lachen oder vexiren wollen, würde er übel entpfangen werden. Es ist mir lieb, daß die kleine Spina woll ahnkommen ist undt einen reichen man bekommen. Mich wundert, daß Ihr Eüch der Spina nicht mehr erinert; Ihr habt sie offt gesehen, den I. G. s. der churfürst, unßer herr vatter, ließ sich alß merger von ihr verzehlen, die sie gar woll zu verzehlen wuste. Aber wer ist der fürst von Ilstein oder Itzstein?[1] da habe ich nie von gehört. Mich wundert, daß man nicht in druck erfahren, wie daß beylager zu Neüburg gehalten worden; den vor dießem druckt man lautter solche sachen mitt allen umbständen zu Heydelberg. Die opera werden woll ittaliensch sein; den in Teütschlandt liebt man nur die ittalliensche musig; die kan ich nicht leyden, deucht mir, daß es lautt, alß wen die katzen auff den dach mitt einander miauen. Ich erfreüe mich, daß der itzige churfürst Eüch gerechtigkeit schaffen will. Ich kan leicht begreiffen, daß nichts langweilligers undt verdrießliche[r]s ist, alß affairen. Ich kan nicht begreiffen, wie man es lehrnen kan. Ich hatte gemeint, daß l’abbé Bouquois espitaphe von Langallerie von monsieur de Monseau [gemacht] worden; den sein stiehl lautt schir so; dazu hatt abbé Bouquoy nicht, wie die Catholischen sonst thun, seine seel recomandirt, noch gesetzt: Priés dieu pour son [123] ame! Langallerie baß, die comtesse de Soisson, liegt auff den todt. Es ist mir recht leydt; den es ist ein gutt, ehrlich mensch, so mir woll gedint hatt. Abbé Bouquoy hatt her kommen [wollen], es ist ihm aber in gnaden abgeschlagen worden, es seindt hir narren genung. Wen die könig[in] in Poln noch kinder bekommen konte, thet der könig in Poln nicht übel, noch einen sohn dem landt zum besten in die weldt zu bringen. Der churprintz ist nicht gezwungen worden, catholisch zu werden, weillen weillen er es schon seyder 5 jahren heimblich ist; hette sich nicht so lang spern sollen, es hernach zu werden. Des menschen sin ist nicht allezeit derselbe, baldt denckt man auff ein manir, baldt auff eine andere. Daß geschrey geht, daß er impuissant ist, also wirdt daß landt nicht zu fürchten haben, nach ihm einen catholischen herrn zu haben. Die ertzhertzogin wirdt nicht beßer mitt dießem man versehen sein, alß die hertzogin von Württenberg mitt ihrem printzen. Ich weiß, waß krachende knie sein, beklage Eüch, liebe Louisse, desto mehr; pomade divine ist gutt dazu. Ich habe zu spät dazu gethan, sonsten weren meine knie beßer. Habt Ihr noch pommade? Man hatt, seyder wir hir sein, frische gemacht; wen Ihr wolt, will ich Eüch frische schicken. Es ist kein wunder, daß mein sohn nicht geliebt ist; wen waß vacant ist, fordern es hundert personnen; nur einer kans haben, da seindt 99 malcontenten; dazu, weillen er nicht bigot ist, haßen ihn münchen undt pfaffen; undt zum 3ten, so seindt seine falsche schwager, seiner gemahlin brüder, spargiren laütter böße lügen bey dem popel gegen ihm auß, umb ihn verhast zu machen; daß ist sein danck, sich so mißheüraht zu haben. Ein ander mahl ein mehres; nun muß ich mich anziehen. Adieu, liebe Louisse! Biß auff sontag, so mir gott daß leben verleydt, werde ich vollig auff daß überige andtwortten, nur jetzt sagen, daß ich Euch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. November 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 121–123
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0863.html
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