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Paris den 25 November 1717 (N. 26).
Hertzallerliebe Louise, seyder vorgestern bin ich noch mitt
zwey von Euern lieben schreiben erfreüet worden, ein altes vom
30 September, so mir Ewerer elsten niepce schwager überreicht,
monsieur d’Arcy,
[1] undt ein frisches vom 13, no 30. Monsieur
d’Arcy spricht nicht gar übel frantzösch vor ein Engländer. Er hatt
seine comtesse d’Essex in Hollandt gelaßen. Ich habe ihm gesagt,
daß Ihr mir ihn sehr recommandirt habt. Daß ist alles, waß ich
Eüch auff dießen alten brieff sagen kan. Ich komme jetzt auff
Ewer liebes schreiben vom 9ten, so ich letzt verwichenen sontag
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nicht habe beantworten können. Man ist ihn dem wüsten Paris gar
zu erschrecklich geplagt; ich bin ohne daß nicht lustig undt in
rechten sorgen. Vor anderthalb jahren hatt sich mein sohn einen
abscheülichen schlag auff ein aug geben, daß daß gantze aug voller
geronnen blutt geworden. Er hatt gleich seinen augendockter
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hollen laßen, welcher ihm zwar gutte mittel geben, ihm aber dabey
eine regulirt leben vorgeschrieben in eßen, in drincken etc. Aber
da hatt sich mein sohn nicht zu resolviren können, hatt seine
ordinarie leben fortgeführt, welches sein aug verschlimmert. Die
ungedult ist ihm ahngekommen, hatt den rechten augendockter
verlaßen, allerhandt gebraucht, so man ihm propossirt, undt sich in nichts
zwingen [wollen], viel dabey in seinen geschäfften geschrieben undt
leßen müßen. Daß hatt ihm daß aug schir gantz zu schanden
gebracht. Jetzt hatt er sich zur ader gelaßen undt gestern purgirt.
He[u]tte versucht er ein pulver von einem curé,
[3] so ein Teütscher
dießem curé geben, so 8 stundt große schmertzen solle machen
undt erstlich eine große inflamation verursachen; man muß es zwey
oder 3 mahl brauchen. Ich fürchte aber, daß er gantz blindt ahn
dem aug werden wirdt, undt daß rechte deücht von natur nicht
viel, habe also mitt recht zu fürchten, daß er in wenig zeit gar
blindt wirdt werden. Ihr könt leicht gedencken, wie mich diß
unglück betrüben muß undt in ängsten setzen. Aber ich komme
wider auff Ewer liebes schreiben. Die wünsche, so Ihr mir thut
zu meiner seeligkeit, seindt woll die besten, so man immer thun
kan, dancke Eüch von hertzen davor. Ich meinte, er
[4] wehren in
Franckfort selber reformirte kirchen. Freylich ist es gemächlicher,
in seine cammer zu comuniciren; allein ohne kranck-sein erlaubt
man es einem hir nicht. So gern ich auch in dem advent wolte
predigen horen, so kan ich es nach dem eßen nicht thun; den
sobaldt ich waß geßen undt predigen höre, kan ich mich deß schlaffens
unmöglich enthalten. Weder die reformirtten prediger, noch
catholischen pfaffen werden ihr leben nicht zugeben, daß sich die 3
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christliche religionen vereinigen mögen; so wollen alle regieren undt
daß ging nicht ahn, wen die religionen sich vergleichen solten. Es
muß, wie Ihr gar recht sagt, liebe Louisse, gott dem allmächtigen
heimgestelt werden, den es allein sein werck kan sein. Madame la
printzes ist wider woll undt ohne schmertzen. Mylord Sterce
[5] hatt
ein abscheülich geschwehr under dem arm gehabt, daß ist zweymahl
eingeschlagen, worauff er ein gar starck fieber bekommen, so daß
er meinte, zu sterben. Man hatt aber so viel zeügs auff sein
geschwehr gelegt, daß es wider kommen undt man es hatt öffnen
können. Seyder dem ist er wider woll undt wirdt baldt wieder
außgehen. Letzmahl, alß ich Eüch der printzes von Wallis
niederkunfft bericht, hatte ich mademoiselle de Malauze schreiben noch
nicht geleßen, so ich seyder dem gethan undt darin gesehen, daß
Ewere niepce, die gräffin von Degenfelt, glücklich ins kindtbett
kommen, aber nur eine dochter bekommen, welches wie
[6] junge
eheleütte, fürchte ich, undt derowegen Eüch auch betrüben wirdt. Aber
Ihr könt doch den trost faßen, liebe Louisse, daß, weillen daß
kindtbett glücklich abgangen, daß es ein andermahl einen sohn
geben wirdt; wünsche Eüch doch glück, liebe Louise, zu dießer
dochter. Die printzes von Wallis ist, gott lob, glücklich geweßen,
sie hatt den sohn bekommen. Gott wolle alles zu ihrem besten
außschlagen laßen! Die … seindt offt schuldig, daß man keine
brieff bekompt. Es ist gar gemein, daß weiber in den 10ten mont
gehen, wie die printzes von Wallis, aber nicht, daß sie, wie dieße
printzes, 5te woch schmertzen haben. Ich habe nur 3 kinder
gehabt, aber nie nichts extraordinaris. Mein leben habe ich mich
nicht blessirt, habe meine kinder biß zu endt deß 9ten mont
getragen, im ahnfang braff gekotzt, hernach alle tag ohnmachtig worden
worden, doch immer meinen geraden weg fortgangen, habe aber 10 stundt
in den großen, unleydtlichen schmertzen gelegen undt so 3 gesundte
kinder daher gesetzt, davon mir gott daß erste genohmen. Meins
herrn s. dockter, der alte monsieur Esprit, hatt ihn umgebracht,
alß wen er ihm eine pistole im kopff geschoßen hette. Daß seindt
aber alte geschichten. Liebe Louise, ich ich komme wider auff Ewer
schreiben. Warumb ist der hertzog von Schomburg nicht mitt seinen
kindern in die statt? den es fengt doch ahn, vor einem alten herrn
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kalt auff dem landt zu werden. Daß ist gar zu wunderlich, daß
der duc de Schonburg seine kinder in ein ander hauß, alß daß seine,
schickt, daß ist unerhört. Ich wünsche von hertzen, daß es Eüch
Ewer leben lang nicht gereüen möget alle ungemach, so Ihr Eüch
selbsten vor Ewern neupheu undt niepcen ahnthut. Ich habe aber
abscheüliche exempel von dergleichen gesehen, so mich bang vor
Eüch machen. Gott gebe, daß ich mich betriege undt es Eüch
beßer gehen mag! Aber es ist 11 geschlagen, ich muß meine
ordinarie pausse machen. Nach dem opera werde ich außschreiben,
wo es mir möglich ist. Die großhertzogin muß ich dießen
nachmittag besuchen, von dar werde ich, wen ich wider kommen sein
werde, ins opera gehen. Adieu den biß dießen abendt, da ich Eüch
weitter entreteniren werde! Paris ist unleydtlich mitt allen den
interuptionen, mogte offt zum naren drüber werden. Seyder ich
auffgehört, zu schreiben, bin ich zu meinem sohn. Er hatt nicht so
viel gelitten, alß er gemeint, daß er leyden würde. Man muß
morgen [wißen], ob es geholffen wirdt haben. Ich komme aber wieder
auff Ewer liebes schreiben, wünsche von hertzen, daß Churpfaltz
Eüch in alles vergnügen möge undt gerechtigkeit schaffen. Ich bin
fro, daß Ihr wider in gutter gesundtheit seydt, liebe Louisse! Der
allmächtige erhalte Eüch dabey! Ihr ma[c]ht mir daß waßer in den
mundt kommen; den ich eße nichts liebers, alß kohl, sauerkraut
undt stockfisch, wolte alle delicatten speyßen davor quittiren
undt verlaßen. Hir können sie es leyder nicht gar woll zurichten.
Ich glaube, daß es ist; weillen kein schmaltz in gantz Franckreich ist.
Stockfisch ist nicht ungesundt, den richten sie woll hir zu, werde
morgen eßen. Braunen köhl ist gesundt vor die brust. Ich habe
mir einmahl gar einen starcken husten mitt courirt. Wie der könig
in Poln noch printz undt hier war, war mein gutter freündt
Haxsthaussen
[7] sein hoffmeister; der hatte teütsche köche, durch die ließ
ich mir kohl zurichten, daß hatt mich courirt, brustwehe undt husten
vertrieben. Lenor ist froh, daß ihr neveu gestorben, aber ihr
schwester, die fraw von Schelm, lebt noch, ist aber lahm ahn händt
undt füßen. Ihre dochter ist gestorben, aber die mutter nicht; aber
der sohn, so nun gestorben, hatt seine eygene mutter auß dem
hauß gejagt undt alles bestollen. Lenor ist also fro, das er todt
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ist. Zu allen zeitten hatt gott der allmächtige gutte undt böße
leydt
[8] in der weldt gelaßen. Er
[9] war, glaube ich, umb daß die
boßen die gutten brilliren macht,
[10] undt in alles erscheinet deß
höchsten macht. Man sagt auch mehr bößes, alß in der that ist; aber
daß wenig gottesforcht hir im landt ist, ist gar war. Man ruff[t]
mich, mein salatgen zu eßen, muß schließen. Adieu! Ich
ambrassire ich
[11] von hertzen. Sontags-post hoff ich auff Ewer liebes
schreiben vom 13 zu andtwortten undt Eüch zu versichern, daß ich
Eüch von hertzen lieb behalte.