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Brief vom 2. Dezember 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


869.


[139]
St Clou den 2 December 1717 (N. 29).
Hertzallerliebe Louisse, vergangen sontag habe ich Ewer liebes schreiben vom 16 November; no 31, zurecht entpfangen undt vor heütte verspart; dancke sehr vor die gazetten, die seindt Lenor ihr profit, den sie ist noch hir, wirdt erst übermorgen über 8 tag nach Strasburg, aber nicht lang auß sein, wilß gott. Es ist mir lieb, daß meine brieffe Eüch woll überlieffert werden. Monsieur de Torcy ist gar mein freündt nicht; konte er waß finden, mir zu schaden, würde er es nicht unterlaßen; aber da ist mir nicht bang bey, mein sohn kendt mich zu woll undt weiß, wie hertzlich ich ihn liebe, also würde es schwer sein, mich mitt ihm zu brouilliren. Daß die brieffe woll zupitschirt sein, will nichts sagen; sie haben eine materie von quecksilber undt handerzeugs,[1] daß pressirt man [140] auff daß pittschir, daß nimbt just die große vom pitschir; wen sie es abgedruckt haben undt man es in der lufft lest, wirdt es gar hart, daß man wider mitt pitschiren kan, brechen alles sigelwacks vom brieff ab, sehen, ob daß waxs schwartz oder roht ist; wen sie die brieffe ge[le]ßen undt abcopirt haben, pitschiren sie es wieder sauber zu; es kan kein mensch sehen, daß es auffgemacht worden. Mein sohn kan die gama (so heist man die matterie)[2] machen; ich brauch es nur zu kurtzweill. Daß geschicht offt zu Paris, daß feüer ahngeht undt leütte verbrendt werden; die orangers seindt nicht verbrendt, sie wahr[e]n noch nicht in der orangerie. Mein dochter flatirt sich, den 10 Februari hir zu sein, aber ich kans nicht glauben; ich sehe woll, daß ihr herr auch lust darzu hatt, allein er hatte[3] einen favoritten, deßen fraw deß hertzogs metres, die zigen ihn biß ahns hembt auß; die werden dieße reiße nicht erlauben, stecken lieber daß gelt davor in ihrem sack. Wo interesse regirt, kan man auff nichts bauen. Ich werde fro sein, mein dochter zu sehen; allein ich weiß auß langer experientz, daß die sachen, so man in dießer weldt ahm meisten wünscht, schlagen ahm üblesten auß. Vor 16 jahren, wie der lotteringische hoff herkamme, gleich den 3 tag hernach bekamme meine dochter die kinderblatter; gott weiß, waß nun geschehen wirdt. Meine dochter kann keine chaisse a bras haben, wo ich bin, noch mein sohn undt seine gemahlin auch nicht; also kan der hertzog von Lotheringen keine haben, wo ich bin, aber im überigen wirdt man ohne ceremonien leben. Monsieur d’Arcy[4] ist wider weg, wirdt seine comtesse d’Essex in Hollandt hollen undt wider nach Englandt führen. Ich finde monsieur d’Arcy weder hübsch, noch [heßlich], er ist von denen leütten, auff welchen auff dießen puncten nichts zu sagen ist; er ist mehr klein, alß groß. Ihr werdet auß einem von meinen schreiben nun woll ersehen haben, daß er mir Ewern brieff überlieffert haben.[5] Ich weiß nicht, liebe Louisse, worumb Ihr mich umb verzeyung bitt, Ihr habt ja nichts unrechts gethan. Weillen Ewere englische brieffe so unrichtig gehen, kan es woll geschehen, daß Ihr Ewer petitte niepce gebuhrt durch mich, ich will sagen durch meine schreiben, erfahren werdt, wie auch I. L. der printzes von Wallis glückliches kindtbett mitt einen gesundten printzen. Wir haben jetzt gar wüst wetter hir, der frost [141] hatt auffgehort, es regenet alle tag, ist warm dabey, ein recht ungesundt wetter; man hört auch, daß viel leütte kranck werden. Mein sohns aug war ein wenig beßer, aber er hatt seine kleine soupé mitt zu galanten damen wieder ahngefangen; ich fürchte, daß diß den augen schädtlich sein wirdt. Es ist ein ellendt, daß so wenig maner in der welt sein ohne desbeauchen. Daß so gar gezwungene leben, so ich hir führen, kan mir dieße statt nie ahngenehm machen. Meiner dochter ahnkunfft wirdt vor so wenig zeit sein, wen sie auch kompt, daß es mehr betrübtnuß vermehren, alß benehmen wirdt. Nein, zu Bockenheim habe ich den nicht gesehen, noch gesprochen, so meinem Ambrossius so gleich war, sondern ich habe ihn zu St Clou gesehen, da er ein packwagen mitt tapetten hingeführt, undt Wendt sagte mir, es were Ambrossius sohn.[6] Es muß in der lufft sein, daß alles so still ist; den hir haben wir eben so wenig zeittungen, alß Ihr zu Franckfort. Ordinari bekomme ich deß donnerstags Ewere liebe schreiben; bekomme ich es heütte, werde ich es biß sontag sparen, Eüch aber doch nach dem opera sagen, wo ich es entpfangen. Gleich nach dem eßen habe ich mit mein gens d’affaire zu thun, die mir eine audientz gefordert haben, welches ordinarie vor sehr unahngenehme sachen ist; nach dießem werde ich zur großhertzogin a la Place-Royale, so mich gebetten, zu ihr [zu] kommen, hernach, wen ich wieder werde kommen sein, gehe ich ins opera. Alle dieße divertissementen, so mir vor dießem eine rechte freüde wahren, seindt mir nun gantz indifferent. Man spilt 4 mahl die woch opera, ich sehe es aber nur 2 mahl, den dinstag undt freytags habe ich zu viel zu schreiben, umb hinzugehen können; ich frag kein haar darnach. Waß ich noch ein wenig mehr liebe, alß daß opera, [ist die komödie,] aber ich kans doch auch woll entbehren, hette offt von St Clou hergekont könen[7] undt bin nicht kommen; den alle woch spilt man commedie im Palais-Royal. Daß ist alles, so ich vor dießmahl sagen kan. Schließlich versichere ich Eüch, liebe Louisse, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Wie ich wieder von der großhertzogin kommen bin, habe ich [142] Ewer liebes schreiben vom 20 November, no 32, endtpfangen undt noch vor dem opera geleßen. Weillen Ewer liebes schreiben gar kurtz ist, kan ich es noch vor dem nachteßen beantworten. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß die brieffe etlichmahl so gar geschwindt undt woll gehen undt andermahl so gar übel. Es ist nicht nöhtig, daß Ihr gar exact auff meine schreiben andtwortet; den meine schreiben seindt ordinari nur andtwortten auff die Ewerigen. Ist es möglich, liebe Louise, daß Ihr Eüch noch mitt deß ducs de Schömburgs affairen plagen wolt, nachdem er Eüch in Englandt so gar übel tractirt hatt undt gar keine danckbarkeit erzeiget, undt were es nicht beßer, da Ewere junge jahren vorbey sein, daß Ihr dencket, Eüch selber ruhe zu geben? den waß habt Ihr sonst von dießer qual? Mein sohn wirdt dem abbé Bouquoy keinen pasport schicken; er sagt, er hette narren genung hir, so ihn plagen. Aber wo hatte dießer arme teüffel 14000 fl. zusamen gesamblet? Wer einmahl narisch ist, bleibt man es all sein leben. Ihr werdtet auß meinen brieffen sehen, daß ich beßere zeittungen auß Englandt habe, alß Ihr; hoffe, daß meine schreiben Eüch die gutte zeittung von der printzes von Wallis undt eines von einer niepcen glücklich niederkommen sein, die printzes von Wallis von einen printzen undt die gräffin von einem freüllen. Hiemitt ist Ewer schreiben vollig beantwortet. Liebe Louisse, ich wünsche Eüch eine gutte, ruhige undt gesundte nacht undt lustiges auffstehen undt ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Dezember 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 139–142
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0869.html
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