Seitenbanner

Brief vom 19. Dezember 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


874.


[150]
Paris den 19 December 1717 (N. 34).
Hertzallerliebe Louise, gestern, alß ich auß der ittallien[is]che[n] commedie kommen, habe ich zwey von Ewern lieben schreiben auff einmahl auff meiner taffel gefunden, vom 4 undt 7 dießes monts, no 36. 37. Ich habe noch ein altes vom 30 November, so ich noch nicht habe beantwortten [können]; werde auff daß erste undt letzte heütte andtworten undt daß vom 4 biß donnerstag sparen; den ich habe keine zeit genung, sie alle 3 heütte auff einmahl alle 3 zu beantwortten; den ich habe noch etliche gar große schreiben von [meiner] dochter zu beantworten, muß heütte zum könig vor dem eßen, nach dem eßen fahre ich aux Carmelitten; hernach, wen ich wider werde kommen sein, gehe ich mitt madame d’Orleans ins opera. Also segt Ihr woll, liebe, daß ich wenig zeit vor mir zu schreiben habe; dazu bin ich ein wenig matt, den gestern hatt man mich wieder purgirt, bin 16 mahl zu stuhl gangen, daß matt ab, der dockter aber versichert, [daß ich es nöthig] gehabt habe. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme, fange bey dem frischten ahn vom 7, no 37. Bin fro, zu sehen, daß meine brieff nicht verlohren werden undt Ihr sie doch entlich entpfangt, liebe Louise! Wir hatten gehofft, daß mein sohns aug beßer werden solte, weillen daß [151] schwartze pulver einen gutten effect gethan hatte; allein es ist dabey geblieben undt nicht weitter, ob mein sohn gleich daß pulver noch einmahl gebraucht hatt. Aber der man, so es gibt, verzweyffelt noch nicht [an] seinem remedes; den er sagt, er habe die experientz, daß, wen man die geringste beßerung im ahnfang verspürt, daß man ohnfehlbar courirt wirdt. Aber es gehört lange zeit dazu undt in den ersten zwey monaten kan man keine beßerung verspüren, müßen unß also noch mitt dießer hoffnung abspeißen. Gott gebe, daß es so gehen, wie der dorffpfar es sagt! Es ist woll war, daß meines sohns metressen, wen sie ihn recht lieb hetten, vor sein leben undt gesundtheit sorgen [würden]. Aber ich sehe woll, daß Ihr, liebe Louisse, die frantzosche weiber nicht kent; nichts regirt sie, alß ihre desbeauchen undt interesse. Dieße leichtfertige maistressen p[r]eferiren ihr plaisir undt bezahlungen geht vor alles, nach der person fragen sie kein haar. Daß deücht mir eckelhafft, undt were ich ahn meines sohn platz, solte mir dieß[e]s gar nicht gefahlen; aber er ist dran gewohnt; daß ist ihm alles, wen sie ihn nur divertiren. Er hatt noch waß anderst, so ich nicht begreiffen kan, er ist nicht jalous, leydt, daß seine eygene bedinten bey seinen maitressen liegen. Daß deücht mir abscheülich undt weist woll, daß er keine rechte liebe zu ihnen trägt, könte sich also desto eher corigiren; aber er ist so sehr ahn dem luderleben gewohnt, bey ihnen zu eßen undt zu drincken, daß er sich nicht davon reißen kan, welches mir offt sehr zu hertzen geht. Aber ich will hoffen, daß unßer herrgott ihn auß dießem labirint einmahl erretten wirdt undt auß aller böße leütte hände ziehen, so ihm zu dießem allem helffen, umb gelt von ihm zu ziehen. Aber hiemitt genung von dießer verdrießlichen sach! Der junge könig gibt mir alle jahr ein par vissitten, woll gegen seinen willen undt danck. Er kan mich nicht leyden; es ist, glaube ich, weillen ich ihm ein par mahl gesagt, daß es einem großen könig, wie er seye, übel ahnsteht, mutin undt opiniatre zu sein. Paris kan mir nie gefahlen, aber wen eine sache sein muß, muß man sich woll drinen ergeben, dancke Eüch, liebe Louise, vor Ewern gutten wünsch dazu. Ich kleydte mich alle windter gar warm, den ich kan daß feüer nicht leyden, werme mich nie. Ich kan die frantzösche weiber nicht begreifen, so allezeit die naß ins fewer stecken; mir solte übel werden, wen ich so im feüer stecken solte. Es ist bey weittem nicht [152] so warm hir im landt, alß zu Manheim. Die letzte brieff auß Englandt haben mich in sorgen wegen unßer printzeß von Wallis gesetzt, sie hatt so große kopffschmertzen. In dießem augenblick bekome ich ein schreiben von der gräffin von der Bückenburg, die macht mir entschuldigung, daß die printzes mir nicht schreibt; sie ist zwar von leib gesundt, doch noch sehr matt. Ihr schreiben, ich will sagen der graffin schreiben, ist vom 2/13 dießes monts dadirt. Dießen abendt solte die tauff von Ewer[e]r kleinen niepcen fort gehen[1] undt man wirdt sie Wilhelmine Helene heyßen. Die printzes ist erschrecklich betrübt. Es scheindt, alß wen unruhe zwischen dem könig von Engellandt undt ihnen sein solte; daß wer eine rechte sach vor die Englander, vatter undt sohn zu plagen. Gott wolle ihnen alle[n] beystehen! Mich wundert, daß der duc de Schonburg seine dochter nicht im kindtbett besucht. Ich weiß nicht, wie die welt nun wirdt, man folgt seine schuldigkeiten nicht mehr in den famillen. Es wundert mich nicht, daß der graff Degenfelt sein dochtergen so lieb hatt; alle vätter lieben allezeit ihre dochter mehr, alß ihre sohn, undt die mütter haben die sohn ahm liebsten. Sie seindt beyde jung genung, die zwey eheleütte, umb buben undt medger in die menge zu haben. Aber es ist nun zeit, daß ich eine pausse machen; weillen ich zum könig muß, muß ich mich eher ahnziehen, alß ordinarie. Gleich nach dem eßen, biß ich ins closter fahre, werde ich Eüch dießen nachmittag entreteniren, hoffe, nach[2] ein bogelgen zu schreiben können. Ihr nemb[t] eine gutte resolution, liebe Louise! Gott gebe, daß Ihr drauff bleiben mögt undt Euch nicht vor der zeit plagen!
Sontag umb halb 3 nachmittags.
Ich bin erst umb ein 1/4 auff 2 von hoff kommen, den ich habe den könig ahn taffel gefunden, also nicht eher weg gekönt, biß der könig auffgestanden; drumb fange so spät ahn, wider zu schreiben. Aber da sehe ich meine kütschen hereinkommen, aber meine damen seindt noch nicht kommen, kan also noch dießes blat außschreiben. Mich wundert, daß die gräffin von der Bückenburg nichts von deß Kilmansecks[3] todt sagt. Sie mag nur einen Frantzoßen heürahten, so wirdt sie ebenso einen ruhigen man finden, alß sie gehabt hatt; aber sie muß sich auch resolviren, ihn alles zu thun laßen mitt man [153] undt weibern, waß er will, so werden sie gutte freündt bleiben. Aber da kommen meine damen, ich muß weg.
Wie ich eben mitt meinen kindern undt kindtskindern auß dem opera kommen, habe ich den comte d’Harcour,[4] deß prince sohn, [angetroffen,] so eben auß Lotteringen kommen, undt bringt mir ein schreiben von meiner dochter von 17 bogen. Muß ihr gleich wider schreiben, kan derowegen meine intention nicht fortsetzen, auff Ewere zwey schreiben zugleich zu andtwortten; den ich kan nicht einmahl daß, so ich ahngefangen, gantz beantwortten, sage nur noch, daß ich glücklich genung geweßen, mitt keine böße leütte umbzugehen; den ich bin leyder schwach genung, daß, wen gott zugeben hette, daß ich in bößen händen gefahlen were, daß ich mich vielleicht auch verdorben hette, habe also woll ursach, gott zu dancken undt ihn ferner ahnzuruffen, mir beyzustehen undt mich nicht zu verlaßen. Ich thue mein bests, wo ich kan, wie Ihr auß beyliegendten placet[5] ersehen [werdet]. Ich habe auch noch vor die 4 gebetten, aber die seindts nicht [werth], seindt auch nicht wegen religion in den gallern, sondern weillen sie heüßer gebrendt undt weiber violirt haben. Adieu! Es ist spat, ich muß ahn mein dochter schreiben, wie schon gesagt, versichere Eüch nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Dezember 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 150–153
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0874.html
Änderungsstand:
Tintenfass