[158]
Paris den 2 Januari 1718 (N. 39).
Hertzallerliebe Louise, ich glaube, ich habe Eüch schon daß
neüe jahr gewünscht; aber ich bin seyder gestern noch so voller
neüjahrswünsch, daß ich nicht laßen [kann], Eüch noch eine
volkommene gesundtheit vor dieß undt noch vielle jahr sambt viel
trost undt vergnügung zu wünschen undt alles, waß Eüch ahn leib
undt sehl gutt [und] nützlich ist. Kome jetz[t] auff Ewer letztes
liebes schreiben von 18 December 1717. Dancke Eüch sehr vor
die letzte 2 schachteln vom nurnbergischen p[f]laster. Ich habe
Eüch, liebe Louisse, letztmahl mitt so großer eyll geschrieben, daß
ich Eüch nicht besagt
[1] habe, daß die frantzösche beschreiben woll
sagen, wozu daß pflaster gutt ist, aber nicht, wie man es brauchen
solle; daß stundt im andern. Man kans nicht brauchen, wen man
nicht weiß, wie mans brauchen soll; die es drucken laßen, haben
also sehr gefehlt. Es scheindt woll clar, daß Ihr keine post verfehlt,
liebe Louise! Ich weiß nicht, wie ich dieß jahr enden werde, aber
ich habe es, gott lob, mitt volkomm[en]er gesundtheit ahngefangen
undt gestern abendt in der ittallienischen commedie woll von hertzen
gelacht. Es seindt exellente acteurs, Harlequin, Lelio, Pantalon
undt le docteur Lanternino, können nicht beßer sein. Es ist ein
ingenieur hir, so monsieur Herman heist, der macht eine machine
von blech, daß hatt er auff meine caminer gesetzt, sie rauchen nicht
[159]
mehr; ich wolte, daß Ihr auch so eine machine auff Ewer cammer
cammin [hettet]. Ich bin wie Ihr, ich kan keine oven vertragen.
Ich weiß nicht, ob Ihr Eüch noch erin[e]rn könt, wie ich zu
Heydelberg war; so baldt alß man mein pressentz ein wenig zu sehr
erhitzt war,
[2] machte ich alle fenster auff, habe es nie vertragen
können. Nicht[s] ist den gemähls schadtlicher, alß der rauch. Ich
weiß woll, wo Ewere cammern im englischen bau wahren. Mein
bruder s., ehe man ihn zu die manßleütte gethan, und ich seindt
auch in unßern ersten jahren da logirt geweßen. Alle titteln undt
maniren von Franckreich seindt so different von die teütschen,
daß man lang sein muß, ehe man sich dran gewohnt. Man gibt
selten tittel in Franckreich. Der konig hatt nie leyden wollen, daß
man seinen h. sohn, monsieur le dauphin, altesse royale heißen solte;
man hatt ihn nur monseigneur geheißen. Es ist deß churfürsten
von Bayern
[3] eygene schuldt, daß man ihn hir in Franckreich so
nieder gehalten; den er selbst hatt sich erniederigt; ahnstatt sich
zu seinen leiblichen neveux zu halten, ist er nur mitt den printzen
undt printzessinen du sang umbgangen undt hatt sich contentirt,
mitt denen zu eßen undt auff die jagt zu fahren, undt ahnstatt mitt
damen von qualitet umbzugehen, hatt er nur grissetten bey sich
gehabt undt lautter dergleichen gentillessen. Ihr betriegt Eüch sehr,
liebe Louisse, wen Ihr meint, daß Chur-Bayren fro ist, wider in
seinem landt undt ehren zu sein. Er regrettiret alle tag daß
luderleben, so er hir geführt. Wen daß geschrey war ist, so vom
churprintz von Saxsen geht, daß I. L. so gar übel bestelt zum heürahten
sein soll, thut er woll übel, darnach zu trachten, undt wirdt nicht
mehr ehre, noch erben davon tragen, alß der junge hertzog von
Württenberg. Daß ordre vom gültten fließ ist zu gemein, umb daß
man es sehr wünschen solle. Ich habe vergangen mittwog brieff
von der gräffin von der Bückenburg entpfangen vom 12/23
[160]
December 1717; die bericht mich, daß die gichter undt fieber, gott
lob, die printzes verlaßen; schrepffen undt spanische fliegen haben
I. L. courirt; allein sie seindt noch gar matt, welches woll kein
[wunder ist]. Die sach mitt dem könig undt dem printzen ist leyder
noch nicht zum endt; aber man hatt doch hoffnung. Gott gebe,
daß die erste zeytungen waß guts sein mögen! Warumb hatt man
mitt der tauff vom freüllen von Degenfelt nicht gewahrt, biß die
printzes wider gesundt ist? so hette sie es selber halten können.
Ihr habt den nahmen von Ewerer kleinen niepce recht errahten;
allein ich habe übel gefunden, daß man sie nicht eher Caroline,
alß Wilhelmine, geheißen hatt, erstlich weillen deß kindts leibliche
fraw mutter so geheyßen, zum andern weillen es der nahme ist,
welchen die printzes von Wallis unterzeichnet. Ihr könt woll
gedencken, lieb Louise, daß ich den graffen von Degenfelt von hertzen
gern dinnen wolt, wen es bey mir stundte; aber ich sehe leyder
nicht, worin ich ihn werde dinnen können. Der könig in Preussen
hatt auch frembten in seinen dinsten. Ich keine
[4] einen Frantzoßen,
so Ferand
[5] heist undt sich hir geschlagen hatt, deß wegen
durchgehen müßen, der woll dort dran ist undt sich dort geheüraht hatt.
Also segt Ihr ja woll, liebe Louisse, daß es nicht wahr ist, daß man
ahm berlinischen hoff keine frembden ahnnimbt. Aber da bekomme
ich schreiben von hertzog von Lotheringen, meiner dochter undt
meine encklen, muß also wieder willen schließen undt vor dießes mahl
nichts mehr sagen, alß daß ich von gantzer seelen biß ahn mein
[endt] nie auffhören werde, Eüch von hertzen lieb zu behalten.