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Brief vom 20. Januar 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


883.


[168]
Paris den 20 Januari 1718 (N. 44).
Hertzallerliebe Louise, dieße woche habe ich nichts von Eüch entpfangen; aber es nimbt mich nicht wunder, durch daß abscheüliche wetter undt wegen können die arme courir nicht renen. 3 tag hatt es so hart gefrohren, daß die Seine mitt eyß gangen, darnach hatt es geschneyet, nachts hatt es abscheülich geregnet, heütte geht ein starcker windt undt regen. Vergangen sambstag habe nach der ittallienschen commedie Ewer liebes schreiben von no 2 undt 4 Januari zu recht entpfangen, worauff ich heütte andtwortten werde. Es ist jetzt ein 1/4 auff 10; waß ich nicht dießen morgen werde außschreiben können, hoffe ich dießen abendt zu thun, nachdem [169] ich der großhertzogin eine vissitte werde geben haben undt mitt meinen enckelen ins opera gewest sein. Es ist mir lieb, liebe Louise, daß Ihr meine schreiben so richtig endtpfangt, hoffe also, daß, womitt ich Eüch ahngebunden, auch sicher überkommen wirdt; den ich weiß, daß so kleine bagatelle Euch ahngenehm sein, liebe Louise! Vergangen sontag habe ich brieff von unßere lieben printzes von Wallis, wie auch von der gräffin von der Buckenburg vom 10 Jan. / 30 December [empfangen]. Die printzes hatte gar eine starcke gallen-colique gehabt, ware doch wider woll, im überigen war alles leyder noch in dem selbigen standt undt so wenig hoffnung, daß alles wider gutt werden solte, daß der printz undt die printzes ein hauß in Londen suchen, drin zu wohnen. Bey dem großen sturm, so nun geht, werden wir schwerlich brieff dieße woch bekommen. Alle menschen betawern die liebe printzes, der printz ist aber nicht so sehr geliebt; vielle geben ihm groß unrecht. Ich habe ein wenig die freyheit genohmen, zu sagen, daß der printz nicht eyffer genung bezeüge, wider ins königs, seines herrn vatter, gnaden zu kommen, daß alle soumission, so er seinem könig undt herr vatter thun würde, ihm mehr ehre, alß schanden, geben könte. Der printzes convulsionen seindt, gott lob, verbey, sie hatt keine bey ihrer colique bekommen, da man doch ordinari bey hatt. Gott wolle ihr gnädig beystehen, sie trösten undt wieder freüde verleyen undt gegen ihren feinden beystehen! Man hatt mehr betten von nöhten, alß nie; den es ist nun eine dolle zeit. Überall hört man von nicht, alß uneinigkeit, zanck undt zwitracht undt von allerhandt laster gehn im schwang, falschkeit, morden, stehlen, leichtfertigkeit. Es ist, alß wen die alte schlang, der teüffel, sich von seinen ketten loßgerißen hette undt in der lufft regiert. So viel übels hört man überall, also alle gutte Christen woll ursach zu betten haben. Ich weiß die unglück, so mitt dem gewäßer geschehen, es sollen mehr alß 20 m. menschen dadurch umbkommen sein.[1] Es geht gar langsam mitt meines sohns aug zu, welches aber nicht zu verwundern ist, den er will sich in nichts in der welt schonnen; er macht mich offt recht ungedultig mitt. Die fürstin von Nassau-Siegen, ist daß nicht deßen fürsten von Nassaus gemahlin, der ein wenig geschoßen ist undt hir zu Paris herumb schwürmbt undt hungers stirbt? Alle [170] wog[2] hab ich schir ein brieff von ihm, welchen ich aber nicht beantwortte; den ich bin in keinem standt, fürsten zu unterhalten können. Die gräffin von Ussingen wirdt nichts guts mitt ihrem hoffart außrichten; ihre schwester ist gar nicht so, nur gar zu demütig, wie auß dem heüraht scheindt, so sie gethan. Sie hette von nohten, daß es hir wie in Englandt [wäre], da die, so von großer qualitet sein, alß ihre mäner, ihren eygenen nahmen behalten. Ihr verliehrt nichts dran, den fürsten von Waldeck nicht zu sehen; er ist heßlich undt sicht thum ist,[3] ich weiß aber nicht, ob er es ist, den ich habe keine große conversation mitt ihm gehabt. Die fürstin von Ziegen[4] muß mehr verstandt haben, alß madame Dangeau schwester, die fürstin von Ussingen. Ich kan mir leicht einbilden, wie baldt man den[5] assambléen müde kan werden; den ich finde mich auch nicht gern, wo viel leütte sein. Mitt dem alter wirdt man alle die sachen müht; spatziren-fahren ist gesunder, alß vissitten, ruhe undt gemachlichkeit hatt man doch endtlich ahm liebsten. Ach, liebe Louisen, behalt die resolution nur fest, Eüch nicht ohnnöhtig zu betrüben undt quellen! den daß macht gar gewiß kranck undt hilfft zu nichts in der weldt. Hiemitt ist Ewer liebes schwem[6] vom 4, no 2, vollig beantwortet. Ich komme, jetzt komme ich auff daß vom letzten tag im vergangenen jahr, no 44. Ich mag viel oder wenig zeit haben, so werde ich doch keine post verseümen, daß kont Ihr, liebe Louise, versichert sein; alle sontag undt donnerstag werde ich Eüch schreiben. Unßere printzes hatt eine predig zu Londen gehört, da sie sehr content von ist undt keine predig verseümen will. Mylord Stairs hatt mir sein leben nicht von den gallerien gesagt, sondern der secretarius von der hollandischen ambassade. Mylord Stairs ist gar kranck geweßen, were schir gestorben. Seine fraw hatt ein groß lob hir erworben durch die trewe undt sorg, so sie ihrem man in seiner langwihrichen kranckheit bezeügt. Mein sohn undt ich stehen gar woll mitt einander, seindt auch nie brouillirt geweßen, alß nur umb seinen närischen heüraht; dancke Eüch sehr, liebe Louise, zu wünschen, daß unßere einigkeit dawern mag. Ich weiß nicht, wie es die beichtsvatter machen, allein man sicht niemandts endern, noch frommer werden. Ich fürchte alß, [daß] es [nicht] beßer bey den h. [171] pfarher auch zugeht. Daß ist woll gewiß war, daß die mehr zu entschuldigen sein, so durch passion sündigen, alß die, so es umb interesse thun. Aber es wirdt spatt, ich muß mich ahnziehen undt eine pausse machen. Dießen nachmittag, ehe ich zur großhertzogin fahr, hoffe ich Eüch noch zu entreteniren ein halbstündtgen, ehe die kütschen kommen.
Donnerstag, den 20sten, umb 1/4 auff 3 nachmittags.
Ich [h]abe noch ein gutt halbstundt zu schreiben; daß, hoffe ich, wirdt meine andtwort vollig machen, daß ich nach dem opera nichts mehr werde ahn Eüch, liebe Louisse, zu schreiben haben. Wir haben schir allezeit daß unglück gehabt, daß Teutschlandt allezeit Franckreich nicht allein nachafft, sondern auch alles doppelt macht, waß man hir thut; derowegen wundert michs nicht, daß man in Teütschlandt, Franckreich zu copieren, so doll lebet. Aber da kompt der marecha[l] d’Estré[7] undt press[en]tirt mir deß czaars neuveu, muß also wider meinen willen eine pausse machen undt erst nach dem opera schreiben.
Umb 5 abendts, donnerstag.
Da komme ich wider von der großhertzogin, welche ich, gott sey danck, in volkomm[en]er gesundtheit gefunden habe. Ich werde Eüch nicht lang unterhalten, den ehe eine halbe stundt verbeygeht, geht man ins opera; doch biß man mich ruffen kompt, werde ich schreiben. Ich habe, wie ich ahn taffel gangen, ein schreiben von der printzes von Wallis bekommen, habe es noch mitt[8] gantz außleßen können. Der ahnfang hatt mir gar nicht gefahlen; den im ahnfang habe ich gleich gesehen, daß die printzes noch nicht zu St James ist; zum andern so hatt die printzes einen großen bludtsturtz gehabt, welches auch nicht gutt ist. Dießen abendt ahn meine toillette werde ich daß überige leßen. Da rufft man mich, muß meine dritte pausse machen.
Da komme ich mitt meinem sohn auß dem opera. Ich komme wieder auff Ewer liebes schreiben. Seydt in keinen sorgen! ich werde mein leben nichts in Englandt schreiben, so Eüch händel machen kan. Ich glaube, daß der könig den Englandern weißen [172] wollen, daß ihm nichts zu lieb ist, wen es einen vom parlement betrifft, undt das er sie dadurch gewinen will. Alle menschen meinen wie Ihr, liebe Louisse, daß der printz mehr gethan, alß man weiß, undt daß der mylord Argisle[9] ihn zu etwaß persuadirt hatt, so nichts guts ist. Ich bin persuadirt, daß, wen der konig meint, daß, wie er mitt dem printzen verfährt, den Engländern zuwieder were, würde er es nicht thun. Die duchesse de Munster würde sich ein eweg[10] [verdienst erwerben,] wen sie die königliche famille wider vereinigen würde. Ich sage von hertzen amen zu Ewerm wunsch, daß die gantz famille wieder mag vereyniget werden. Wen der printz von [Nassau] nichts anderst bekompt, alß von mir, kan er woll hungers sterben; ich habe nur, waß mir nohtig, undt gar keine mittel, einen fürsten zu erhalten;[11] vor meinem standt bin ich mehr arm, alß reich. Waß hatt der herr hir zu thun, warumb geht er nicht in Teütschlandt? Er macht sich hir nur außlachen von jederman. Es seindt dolle kopffe, sein bruder undt ehr; sein bruder, so deß marquis de Nesle schwester geheüraht, wolte mitt aller gewahlt von mir wißen, warumb seine gemahlin ihn nicht leyden [könne]. Er stinckt abscheüllich auß dem mundt; ich hatte ihm gesagt, daß ich glaube, daß diß die ursach seye. Ich dancke Eüch von hertzen vor alle Ewere gutte wünsche, liebe Louisse, undt wünsche Eüch hergegen alles, waß Ewer hertz begehret, undt seydt versich[ert], hertzallerliebe Louisse, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
Ich kan ohmoglich dießen brieff überleß[en]; entschuldiget die fehler!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Januar 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 168–172
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0883.html
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