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Brief vom 27. Januar 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


885.


[173]
Paris den 27 Januari 1718 (N. 45).
Hertzallerliebe Louise, vor 2 tagen habe ich abermahl 2 von Ewern lieben schreiben auff einmahl entpfangen sambst den gazetten, wovor ich Eüch sehr dancke, werde auff beyde heütte andtwortten, wie ich sie entpfangen, fange alß[1] bey dem ersten von no 3, den 8 dießes monts, ahn. Will nur noch vorher sagen, daß ich Eüch bitte, liebe Louise, wen Ihr mir bericht, vom wie vielten mein datum war, so setzt auch dabey, von welchem chiffer, undt so baldt Ihr mein schiffer in irtum findt, so bericht michs! Bißher gehen meine brieffe zimblich richtig. Gott gebe, daß es dawern mag! Seydt in keinen sorgen wegen Ewere niepcen undt neveus! Ich bekomme alle woche 2mahl brieff auß Englandt, kommen allezeit den 5ten tag über; were ihnen waß wiederfahren, würde ich es wißen, contrarie die printzes schreibt mir, sie hette den graff Degenfelt gesehen undt er hette E.[2] L. gesagt, er were willens, mich dießen sommer mitt seiner gemahlin zu besuchen, wen ich zu St Clou sein würde. Hirauß [174] segt Ihr woll, daß sie frisch undt gesundt sein müßen. Graff Degenfelt kan woll exact im schreiben sein, daß deßwegen seine leütte nicht so richtig seine brieff auff die post tragen. Es kan auch gar woll sein, daß man bey itzigen troublen in Englandt aller frembten brieff auffmacht undt examinirt, waß sie schreiben. Drumb solt Ihr Eüch so geschwindt keine gedancken machen, wen Eüch bey itzigen zeitten eine post fehlt; aber ich fürchte, daß, Eüch selbst zu quällen, ein wenig in Ewer naturel ist; daß solt Ihr doch suchen zu corigiren, den es macht einen unglücklich. Mein gott, liebe Louise, man hatt, ohne sich selber zu plagen, unglück genung in dießer weldt. Ich schreibe gar nicht spat mehr, da ich vor dießem ahm allerfrühsten erst umb halb 2 nach bett gangen; nachdem[3] ich zu bett gehe, stehe ich wider auff, bin doch allezeit 8 stundt im bett. Also, liebe Louisse, solt Ihr deßwegen gar nicht in sorgen sein. Daß könt Ihr woll gewiß sein, daß ich keine post nie verseümen, Eüch etwan wenig oder viel zu schreiben, nachdem ich zeit habe. Melancolisch sein, ist sehr ungesundt; da solte Ihr Eüch vor hütten. Ich kan nie vor eine genereusse action halten, wen ich ahn die schreibe, die ich lieb habe; kan mein brieff ihnen zum trost dinnen, bin ich schon genung recompensirt, diß vergnügen zu haben. Schreiben kan mir nie schaden, wen ich es nicht a exces thue, wie nun nicht mehr geschicht. Ich verliehre nichts, nicht ins opera zu gehen; den ich frage nichts mehr darnach, gehe ahm meisten auß pure complaisance vor meine enckeln hin, viel mehr, alß vor mein eigen lust. Freyllich weiß ich nur zu woll, waß in Englandt vorgeht. Die printzes jamert mich von grundt meiner seelen, meritirte, viel glücklicher zu sein. Zur[4] wunsch der einigkeit dortten sage ich von grundt deß hertzen amen. Die fürstin von Siegen muß eine gutte freündin sein, der gräffin von Ussingen so gutten raht zu geben haben; den höfflich zu werden, wirdt sie beliebt machen, welches ich gerne höre wegen ihrer gutten, ehrlichen schwester, der marquise de Dangeau, gern gönne, sie ist eine recht tugendtsam, ehrlich mensch, so von jederman estimiret. Aber ihr oncle, der bischoff von Strasburg, hatt ihr einen gar zu ungleichen heüraht thun machen; sie lebt mitt dem man so woll, alß wen er nicht allein ihresgleichen, sondern auch über sie were. Ich bin fro, daß [175] Ihr meinem vettern, dem printzen von Hessen-Philipsthal, so ein gutt zeügnuß gebt, daß er fein ist; den man hatt mir versichert, daß landtgraff Philips seine kinder wie bauern hette erziehen laßen undt selber alß ein burger in Hollandt lebt. Freylich ist der heßische printz leiblich geschwister-kindt mitt dem könig in Dennemarck: seine fraw mutter undt landtgraff Philip seindt ja schwester undt bruder geweßen. Ich dencke, weillen dießer herr woll geschaffen ist, solte der könig vielleicht jalous von ihm geworden sein von einiger metres; den der arme könig ist weder hübsch, noch woll geschaffen, were also kein miracle, wen so eine dame den hübschen vettern lieber bekämme, undt eine interessirte person merckt solches baldt undt daß setzt keine freündtschafft. Es seindt viel leütte, so übel außsehen, wen sie halirt[5] undt von der son verbrenndt sein; daß ist vielleicht dießen landtgraffen auch geschehen. Ich hab lachen müßen, daß der fürst von Waldeck nach seinem obersten leüfft, so ihm mitt dem gelt von seinem regiement durchgangen. Ich fürchte, der liebe frieden wirdt nicht lang wehren, weillen der keyßer undt könig in Spanien so starck werben; ich dencke aber, wie im opera von Thessée[6] gesungen worden:
Que la guerre sanglante passe en d’auttres estats,
O Minerve savante, o gueriiere Palas, o gueriere Palas!
Es kan mir nicht leydt sein, wen der keyßer den papst ein wenig butzen solte; er hatt es hoch von nöhten, umb seinen hoffardt zu dempfen. Ich leße mein lebe[n] nichts, waß den papst ahngeht, habe also den brieff nicht geleßen, so der papst ahm churprintzen von Saxsen schreibt; zudem so seindt solche brieffe ordinarie in Latein, da ich kein wordt von verstehe. Wen mein sohn wolte, würde er geschwinder couriren; aber dazu kan man ihn nicht resolviren, die verfluchte damen verfolgen ihn zu sehr. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben, liebe Louise, durchauß beantwortet. Ich will noch ein par wordt auff daß zweyte sagen, hernach meine pausse machen. Ich bin nun, gott lob, wider gar gesundt, habe aber nahe bey 3 wochen einen abscheüllichen husten undt schnupen gehabt. Ich habe nichts anderst dazu gethan, alß wen ich starck gehust, ein wenig callon[?] im mundt zu nehmen. Alles ist von sich selber vergangen, muß [176] also glauben, liebe Louisse, daß Ewer gutt gebett mich wider gesundt gemacht. Ich mögte wünschen, daß meine gutte wünsche ahn Eüch so woll mögten erfüllet werden, alß der Ewerige ahn mir, so würdet Ihr vor Eüch selber, liebe Louisse, nichts zu wünschen haben. Die schwartzen schachteln, so ich gern hette, seindt eben, die Ihr mir beschreibt. Es ist mir leydt, daß man es nicht mehr finden kan; ich wolte meine enckellen mitt erfrewen, den man hatt keine hir. Dieß[en] abendt, liebe Louisse, werde ich Eüch ferner entreteniren, muß nun auffhören.
Donnerstag, den 27 Jan., umb halb 3 nachmittags.
Ich habe heütte spät geßen, drumb schreibe ich auch wieder spät; nach dem eßen habe noch ein halb stündtgen, wo ich geblieben war, aber da kompt mein secretarius undt bringt mir brieffe zu unterschreiben.
Es wahren nur ein halb dutzendt brieff zu schr[e]iben, also baldt geschehen. Ich komme wieder auff Ewer liebes schreiben, aber da kompt man mir jetzt sagen, daß die kutzschen kommen sein. Ich muß also zur großhertzogin, nach dem opera werde ich dießen brieff außschreiben. Ich habe doch den vortheil, daß er nicht mehr klein, sein kan. Es ist just eben halb 6 abendts undt ich komme von der großhertzogin, welche ich in gar gutter gesundtheit gefunden habe. Aber ich werde kaum dieße seytte außschreiben, so wirdt man mich ins opera hollen; den in dießer stundt pflegt es ordinari ahnzufangen. Biß man mich rufft, werde ich schreiben, kan aber weitter nicht, den da kompt mein sohn undt holt mich.
Umb 3/4 auff 9 abendts.
Da komme ich auß dem opera undt will noch Ewern brieff völlig außschreiben, liebe Louise! Es ist leyder nur zu war, daß mein neveu a la mode de Bretagne[7] gar zu sparsam ist undt nicht königlich genung lebt. Aber ich würde mich glückseelig schätzen, wen ich dem graff Degenfelt einige ahngenehme dinsten erweißen könte. Ich kan nicht sagen, wie sehr mich die königin in Poln jamert. Dieße heüffige threnen konnen ihrem herrn sohn kein [177] glück bringen. Ich weiß deß konigs in Poln[8] prophezeyung nicht, alß daß sein geschlegt, seine linie, gantz außsterben solle, undt da ist groß aparantz zu; den ein herr, der sein leben so abscheülich desbeauchirt hatt, wie dießer, muß mehr im 50 jahr verschließen sein, alß ein ander in 70. Also, obgleich die konigin sterben solte, würde der könig nicht viel erben mehr zu hoffen haben. Mein vetter, der herr landtgraff von Cassel, hatt mir selber geschrieben, daß seines sohns gemahlin schwanger ist. Es war vor etlichen jahren hir einer, so Boyer hieß, ein edelman, der wolte le mouvement perpetuel finden, allein es ging nicht ahn; mein sohn sagte es gleich, daß es nicht ahngehen konte. Ich bin fro, wen Ihr Eüch, liebe Louisse, in gutter geselschafft ein wenig verendrung gebt. Ihr habt woll recht, keine assamblee, noch spiel im hauß zu halten; daß macht zu viel ungelegenheit. Es ist eine schande, daß Churpfaltz Eüch so lang auffhelt; daß kan man nicht interessirt sein,[9] daß seinige, umb zu leben haben, zu fordern. Den brandt von Neüburch habe ich erfahren, es war daß commediehauß, daß abgebrandt ist. Hiemitt ist Ewer brieff vollig beantwortet, ambrassire Eüch von hertzen, habe Eüch recht lieb undt gehe zu nacht eßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Januar 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 173–177
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0885.html
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