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Brief vom 3. Februar 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


886.


[177]
Paris den 3 Februari 1718, umb 9 uhr morgendts (N. 46).
Hertzallerliebe Louisse, vor 2 tagen habe ich wieder zwey von Ewern lieben schreiben auff einmahl entpfangen, daß vom 15 undt daß vom 18 Januari, no 5 undt no 6. Ich kan nicht begreiffen, wo mein brieff vom 16 December so lang muß gestocken haben; den wehren die überfloßene geweßer dran schuldig geweßen, so hetten ja die frischere auch nicht eher ahnkommen können, also muß es eine andere ursach haben. Daß von 16 December geht woll hin, daß man es auffhelt oder nimbt, wen man Eüch, liebe Louisse, nur nicht daß vom 16 Januari excamortirt;[1] den ob zwar womitt ich Eüch den 15 ahngebunden, von keinem hohen preiß ist, so were es mir doch leydt, wen daß kleine blaue demantgen in [178] andere handen kommen solte, weillen die gefarbten demanten noch waß rares sein undt ich also gehofft, daß es Eüch gefahlen würde. Durch die zweytte nach meinen schreiben vom 9 Januari müst Ihr es erst entpfangen, den nach dem 9ten müß[t] vom 12 entpfangen, hernach daß vom 15 undt 16. Ich glaube, ich habe Eüch schon geschrieben, wie daß der Rüelle,[2] so den abbé de Bonnoeil[3] undt seinen knecht ermort, sich selber erstochen, wie man ihn gefangen hatt.[4] Der abt hatt kein gutt leben geführt, war nicht allein ein spieller, sondern hatte auch maistressen, war aber kein prister. Wen daß ist, meinen sie, es seye ihnen mehr erlaubt, undt dencken nicht, daß es nur mehr verbotten, aber nicht mehr verbotten[5] ist. Daß große spiel hatt allerhandt unglück nach sich gezogen, ist eine abscheüliche sache. Daß kleine spiel hatt, wie Ihr gar recht sagt, mehr guts, alß boß, gethan undt manche medisance verhindert, die hir mehr im schwang geht, alß ahn einigem ort in der weldt. Aber man muß auch die warheit sagen, die weiber seindt auch zu leichtfertig undt unverschämbt, insonderheit die vom grösten hauß sein, sie seindt arger, alß die in den hurenheüßern. Es ist eine schandt undt spott, waß man verzehlt, waß [sie] öffendtlich im bal gethan haben; man solte sie einspären. Ich kan nicht begreiffen, wie der man so gedultig ist; sein groß herr vatter hatt seine gemahlin auß viel geringere ursachen in ein schloß speren laßen, wo sie gestorben ist.[6] Wie ist es möglich, daß man nicht von solchen sachen sprechen solle, so öffendtlich geschehen? Es ist ein schandt, wie daß gantze hauß beschriehen ist; schwiger, mutter, döchter, geschwey,[7] alles führt ein leben, so [179] gar nicht standtsgemeß ist. Aber es ist ihre sach undt die meine nicht, mir nur leydt, daß sie mir so nahe verwandt sein undt eine so gar ehrliche großmutter haben, die schir vor leydt drüber stirbt. Aber hiemitt genung hirvon! Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben. Die fraw von Rotzenhaussen hatt Eüch gar gewiß auff Ewer schreiben zu St Clou geantwortet; ich habe den brieff in mein paquet geschloßen. Es müßen Eüch mehr, alß eines, von meinen brieffen fehlen, weillen Ihr daß paquet nicht entpfangen habt. Es wirdt der Rotzenheussern woll leydt umb ihren neveu [sein]; aber sie hatt noch größere betrübtnuß mitt ihrer so gar ungerahtene dochter, die fraw von Bernholt,[8] so ihr viel hertzenleydt macht auff allerhandt art undt weiß. Man hört nichts mehr, alß unglück undt betrübtnuß überall, es ist eben, alß wen der jüngste tag kommen solte; ich fürchte, sie wirdt kranck vor betrübtnuß werden. Hir ist der winter starck, die Seine geht voller eyß undt bey Seve[9] ist sie schon zugefrohren, welches einen von meinen bedinten ein groß unglück verursachet. Sein elster sohn, so gestudirt hatt, umb ein advocat zu werden, ging letztverwichen montag spatziren mitt seiner mutter brüder. Sie gingen lengst deß waßer, dem armen jungen menschen glische[10] der fuß, den es war gefrohren; er fiel ins waßer, wegen deß eyß konte ihm kein schiff zu hülff kommen, versoff gleich. Sein zweyter bruder war zu Paris geblieben, die zwey hatten sich unerhört lieb; wie er seines brudern todt erfahren, ist er in gichtern gefahlen undt die gantze nacht schir außer sich selber geweßen; vatter, mutter undt schwester wollen verzagen, ein erbarmblich specktacle. Meine letzte brieff auß Engellandt sein vom 16/27 Januarie, aber es war noch alles im schlimmen staudt. Man sagt hir zu Paris, daß die verfluchte Englander ihren möglichsten fleiß thun, den könig undt printzen gegen einander zu hetzen, damitt sie im parlement unter einander eine regence wehlen mögen undt nicht mehr unter dem printzen stehen sollen. Hirzu ist gar große aparantz; aber mich deücht, je mehr der könig undt printz solches mercken, je mehr sollen sie suchen, sich wider zu vereinigen; den sonsten mogten großere unglück folgen. Es kan nie keine ursach in der weldt sein, so einem sohn authorisiren kan, sich seinem vatter nicht zu unterwerffen, wer er auch sein mag, will geschweygen den, wen er [180] sein könig auch ist. Mich deücht, es ist nie keine große tendresse zwischen vatter undt sohn geweßen. Unßere seelige churfürstin aber gab dem sohn daß unrecht, mitt ihr selber hatt er nur daß letzte jahr woll gelebt. Abbé Dubois solle in Englandt kranck geworden [sein], daß mag ihn woll gehindert haben, den h. graffen von Degenfelt zu sehen. Ich glaube, er wirdt woll thun, Englandt erst nach seines schwigersvattern todt zu quittiren, waß man die droitte raison ist dießes. Ich wolte, daß meine freündtschafft Ewern kindern zu waß nutz sein könte. Der arme alte duc de Chomberg wirdt es woll nicht lang mehr machen, also könnt Ihr noch woll lange jahren Ewere kinder bey Eüch behalten. Ich bin nicht mitt Ewer elste niepce zufrieden; sie muß kein deütsch gemühte haben, weillen sie nicht danckbar ist. Aber da schlegt die uhr, ich muß auffhoren zu schreiben undt mich ahnziehen; den es wirdt spät. Nach dem eßen muß ich zur großhertzogin. Wen mademoiselle de Valois nicht zu großen lust ins opera hatt, mögt ich Eüch woll in wehrendem opera schreiben. Daß werden wir dießen abendt sehen. In dießem augenblick komme ich von taffel, undt weillen meine kutschen noch nicht kommen sein, so kan ich Eüch noch ein wenig entreteniren, liebe Louise! Aber da kompt man mir sagen, daß mademoiselle de Valois sich übel befindt; ich will sie besuchen gehen.
Donnerstag, umb 7 abendts.
Mademoiselle de Vallois hatt nur die migraine, also gar keine gefahrliche kranckheit. Von ihr bin ich zu madame de Chasteautier,[11] welche einen abscheülichen fluß auff dem gesicht hatt, sicht bitter ubel auß. Hernach bin ich in kutsch undt zur großhertzogin gefahren a la Place-Royale, welche woll so weytt von Palais-Royal ist, alß vom ober-thor zu Heydelberg biß ahns Speyer-thor; Wendt meint, daß la Place-Royale noch weytter ist. Ich bin eine gutte stundt bey der großhertzogin geblieben; also war es nahe bey 6, wie ich wider kommen. Man hatt mir 2 brieff gebracht, eines von meiner dochter undt eines von Eüch, liebe Louisse, von 22 Januari, habe beyde überleßen, undt wie ich die feder habe nehmen [wollen], umb wider zu schreiben, ist die marechalle de Noaille[12] kommen; die hatt [181] mich lenger, alß eine gutte halbe stundt, auffgehalten. Hernach ist mein sohn kommen, mitt dem habe ich zu reden gehabt, daß hatt mich bißher auffgehalten. Gott behütte mich itzunder für weytterer verhinderung, daß ich auffs wenigst nur den heutigen morgen ahngefangen brieff außschreiben möge! Aber seyder mein sohn auß meiner kammer gangen, bin ich schon 4 mahl wieder ahn schreiben verhindert worden, erstlich durch etliche frantzosche hertzogen, so herreinkommen, so ich habe entreteniren müßen; hernach hatt sich mademoiselle de Monpensier auff einen stutz übel gefunden, ist doch gleich wider woll worden; hernach ist ein alter admiral mitt einem placet kommen, den habe ich lang auffhör[e]n[13] müßen. Nun kompt unßer artiger printz undt pfaltzgraff von Sultzbach herrein; aber den tractire ich alß vetter undt mache kein façon mitt ihm. Ich fürchte, Ewere elste niepce hatt einen bawernstoltz undt bildt sich mehr ein, alß sie thun solte; das ist englisch undt man helt allezeit etwaß von seiner nation. Ihr könt dem graff von Degenfelt andtwortten: Il m’importe peu que Pascal soit devant ou Pascal soit deriere, wie don Japhet[14] sagt. Vor falschheit darff man nicht bey Engländern sorgen. Ihr thut woll, alles zu verschlucken, waß zwischen den schwestern uneinigkeit setzen konte. Ich hoffe, daß der printz von Nassau-Siegen nun wider nach hauß wirdt undt daß ihn der hunger auß Franckreich jagen wirdt. Ich bin von hertzen froh, daß Ihr mitt mir zufrieden seydt. Ich wolte, daß Ihr in meim hertz leßen kont, so würdet Ihr, liebe Louise, sehen, daß ich Eüch von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Februar 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 177–181
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0886.html
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