[184]
Paris den 13 Februari 1718 (N. 50).
Hertzallerliebe Louisse, umb keine post zu verfehlen, wie ich
Eüch versprochen, so schreibe ich; habe keinen frischen brieff zu
beantworten, sondern noch einen alten vom 15 Januari. Aber ich
will Eüch … mich deücht, Franckforth ist nicht so weitt von
Paris, umb daß unßere brieffe, so [lange] unterwegen sein solten,
alß sie sehen.
[1] Aber daß ist nicht zu endern, will also weitter
nichts davon sagen. Vom schnupen werde ich auch nichts mehr
sagen, alß daß ich fürchte, daß er undt der husten sich baldt wider
ahnmelden werden, weillen ich alle kranckheitten ordinarie bekomme,
so in der lufft, undt daß man jetzt hir überall nichts, alß butzen
undt husten, hört. Ich finde sch[n]upen undt husten so ohngemäglich,
daß, wen ich die wahl hette, nehme ich eher ein gutt acces von
fieber davor; also kont Ihr, liebe Louise, woll gedencken, daß es
mich auch, wen ich es habe, sehr gritlich macht. Gott gebe, das
es nicht kommen mag! Ich habe mich auff den letzten recht woll
befunden. Wir hoffen, daß meine dochter den zukünfftigen freytag
oder auffs allerspäts heütte über 8 tag mein dochter undt ihr herr
bey unß sein werden, welches mich zwar sehr erfreüet; aber gott
gebe, daß es ohne verdrießlichkeit zugehen mag! Allein ich fürchte
[185]
die böße geselschafft, so mein dochter wirdt sehen müßen, welche
ihren mögligsten fleiß thun werden, ihr auch eine klecke
[2]
ahnzuhencken. Laße ich es gehen, mögt ein unglück drauß endtstehen;
den der hertzog von Lotheringen ist nicht so indifferent, alß die
mäner hir sein, auff die ehre undt würde gar kein raillerie
verstehen, wen man meiner dochter ein histörgen auffbringen solte.
Warne ich sie den, so werde ich vor trouble-feste
[3] passiren undt
vor bößen humor undt überall undanck bekommen, ohne noch sonst
viel widerliche sachen, so sich finden werden, das es also keine
pure freüdte wirdt sein können. Die desbeauchen von dem condéischen
hauß seindt gar zu abscheülich undt offendtlich; waß zu verwundern
ist, sie haben die erligste undt tugendtsambste großmutter, so man
in der welt finden kan. Die argsten medissanten haben ahn
madame la princesse nichts zu beißen gefunden; aber alle ihre enckeln,
geheürahte oder ledige, haben die abscheüligste reputation von
der welt. Man schambt sich recht, zu horen, waß man von ihnen
verzehlt undt lieder singt. Auß dießem allem segt Ihr woll, liebe
Louise, daß meine freüde nicht pur sein wirdt können undt allezeit
mitt ein wenig sorgen undt inquietuden gemischt sein. Mein dochter
hatt gar ein gutt gemüht, aber sie hatt einen leichten humor undt
ist complaisant gegen ihres bruder gemahlin, so, unter unß gerett,
ein wenig von ihrer mutter
[4] helt
[5] undt falsch ist; daß wirdt
gewiß unßere freüde troubliren. Wen mein dochter hir sein wirdt,
werde ich Eüch alle posten schreiben; aber meine brieffe mogten
woll ein wenig kürtzer werden, den ich nur morgendts werde
schreiben können. Ich bin woll versichert, das ich mein leben nicht
gegen Eüch endern werde; den umb daß ich auffhoren solte, Eüch
lieb zu haben, müstet Ihr mir mitt willen waß zu leydt thun; undt
dazu seydt Ihr, liebe Louisse, gar zu raisonabel, den ich werde
Eüch mein leben keine ursach geben, mich zu haßen. Ich weiß
nicht, ob abbé Dubois Ewere niepcen undt neveus hatt sehen
[können]; den er ist gar kranck in Englandt geworden. Die erste
ursach ist gültig, warumb daß freüllen Degenfelt nicht Caroline ist
geheyßen worden; die ander ursach seindt wenig heüßer, so nicht
eine solche fantesie haben. Hir im koniglichen hauß hatt man daß
exempel, daß die Henry keines naturlichen todts sterben,
[186]
unglücklich umbkommen. Kinderblattern nimbt viel kinder weg. In dießer
welt ist kein mensch ohne fehler; wer anderst glaubt, hatt
verblendung; die seindt nur die besten, die ahm wenigsten fehler
haben. Es seindt auch manche fehler, so nur vor die person selber
sein undt andern nichts thun; die kan man auch woll passiren
laßen. Man darff mir keine pa[r]ticullariteten auß Englandt schreiben.
Der könig wirfft sich in großen extremitetten, seinen enckeln zu
verbietten, h. vatter undt fr. mutter zu sehen. Ich wuste woll, daß
er hart ist, aber so hart hette ich I. M. nicht gemeint. Die arme
princes ist outtrirt, jammert mich von hertzen. Gott wolle ihr
leyden undt ihr unglück helfen ertragen! Ich erinere mich nicht
mehr, welch mergen
[6] ich cittirt habe. Wir haben jetzt gar nichts
neües hir, derowegen muß ich schließen undt vor dießmahl nichts
mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, allezeit von hertzen
lieb behalte.
Sontag, den 13 Feb., umb 3/4 auff 3 nachmittags.
So baldt ich ahngethan, bin ich in die capel, hernach zum
könig. Wie ich wider kommen, hab ich Ewer liebes schreiben
von 29 Januari entpfangen, kan aber ohnmöglich drauff antworten,
werde es vor donnerstag sparen.