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Brief vom 20. Februar 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


891.


[188]
Paris, sontag, den 20 Februari 1718, umb 8 morgendts (N. 52).
Hertzallerliebste Louise, meine lotteringische kinder seindt vergangen freytag glücklich hir ahngelangt. Meine dochter war in solchen erschrecklichen freüden, daß sie gantz auß sich selber war. Ich habe sie nicht viel verendert gefunden, aber ihren herrn [189] abscheülich. Er war vor dießem mitt den schönsten farben undt nun ist er gantz braunrodt undt dicker, alß mein sohn; ich kan sagen, daß ich so dick undt fette kinder habe, alß ich selber bin. Deß mittags eße ich mitt ihnen, aber abendts eßen sie mitt einander bey madame d’Orleans. Die hatte gestern ihre große migraine; also gingen meine kinder alle au Luxemburg, bey madame de Berry medianosch[1] halten; seindt erst umb 2, wie man mir gesagt, wider herrein kommen. Ich war vor ein viertel auff 11 in mein bett. Mein dochter ist lustig undt vergnügt, ihr herr aber lest ein wenig den mundt hencken. Daß fieber ist gestern mitt ein groß erbrechen ahnkommen; gott bewahr unß nur, daß sie die kinderblattern nicht bekompt! Den der hertzog vou Lotteringen, noch mein sohn haben sie nie gehabt undt der hertzog würde nicht laßen, offendtlich oder heimblich zu ihr zu gehen. Es seindt schon 3 von seinen brüdern ahn dießer heßlichen kranckheit gestorben, ist seinem hauß gar gefährlich, also ist mir nicht woll bey der sach. Ich will Eüch biß donnerstag berichten, wie es ist. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme, daß ich nur ahngefangen zu beantwordten. Ich war geblieben, wo Ihr sagt, liebe Louise, daß Ihr nicht melancolisch seydt, aber daß Ihr Eüch selbsten quellt,[2] weillen Ihr gern gerechtigkeit halt undt zu weich vor die Ewrigen seydt. Diß letzte stehet nicht zu endern, ist im geblüht, aber daß erste, so muß man sich einmahl vor alles versichert halten, daß die welt voller ungerechtigkeit steckt undt daß, so gerecht man auch selber sein mag, doch dießes nicht wieder bey andern finden wirdt undt daß der welt lauff nicht zu endern stehet. Wen man diß einmahl persuadirt ist, ist man nicht mehr nicht mehr verwundert, waß einem auch geschehen mag. Niemandts in dießer welt ist perfect, also kan mag[3] sich doch getrösten, wie andere zu sein. Man muß woll suchen, sich zu corigiren, aber sich auch nicht betrüben über waß nicht sein kan. Gott weiß alle sachen undt warumb sie geschehen. Alles ist verhengnuß in dießer weldt. Wen wir unßer bests undt waß raisonabel ist, gethan haben, müßen wir unß in gottes willen ergeben undt unß nicht plagen über waß nicht in unßer vermögen stehet. Gott hatt jedem sein stundt undt ziehl [190] gesetzt, daß kan niemandts überschreytten. Keine weibspersonnen sterben vor betrübtnuß, man gewendt unß zu sehr von kindtheit dran; es geht mitt, wie mit dem gifft von Mytridatte,[4] man gewendt unß so sehr dran, daß es unß nicht mehr ahm leben schaden kan, aber woll ahn der gesundtheit; drumb muß man sich doch davor hütten, so viel immer möglich ist. Daß ist woll gewiß, daß lang alt leben gar kein spaß ist; die jugendt ist zu kurtz, kaum spürt man, daß man jung ist, so wirdt man alt. Gestern sagte man, daß eine none kürtzlich gestorben, so 135 jahr alt war;[5] die hatt ein lang alter gehabt. Daß verlange ich woll nicht; aber wen man lang jung bleiben könte, daß were ein andere sach, da solte einem woll daß maul nach wäßern. Ich weiß nicht, wo die printzes von waß auffgefischt, daß mein vetter vom Philipsthal so bäuerisch, unmanirlich undt übel erzogen ist; waß Ihr mir schreibt, ist daß contrarie. Es ist mir lieb, daß er artlich ist. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben durchauß beantwort, ich komme jetz[t] auff daß vom 1 Feb., no 11. Wir haben seyder donnerstag gar keine kälte mehr hir. Gestern hatt es den gantzen morgen geregnet, also ist daß wetter gantz auffgangen. Vergangen freytag ware es daß schönste wetter von der welt, wie im May; die son war recht warm, wie ich meine kinder eingeholt habe, die lotteringischen. Wegen deß verfluchten ceremonials haben sie ihre kinder nicht mittnehmen konnen, welches mich recht verdrist. Konnen nun die courir nicht renen, wirdt es wegen deß kohts sein, die gaß[en] seindt abscheülich schmutzig. Alleweill kompt man mir sagen, daß madame de Craong[6] wider woll ist undt heütte erscheinen wirdt; ich bin also der ängsten von den kinderblattern, gott lob, quit. Ich kan nicht begreiffen, wo alles [191] gelt von der weldt muß hinkommen sein; den überall hört man von armuht klagen, es muß viel gelt versteckt sein. Ich bin wie die Saxsen, ich habe auch den churprintz nicht mehr lieb; den ich kan keine falschheit leyden. Die königin, seine fraw mutter, hatt ein hartes außgestanden. Es ist nicht übel gethan, einen betrieger zu straffen; aber die seindt auch nicht die gescheydtsten, so den goltmachern trawen. Die muntz, so mir unßere liebe churfürstin geschickt, war gantz anderst, alß die Ihr mir geschickt, hatt also seinen platz in mein cabinet unden; dancke sehr davor, liebe Louise! Ich habe schon letzmahl gesagt, daß ich den gutten hertzog Anthon Ulrich[7] in ein ring werde faßen laßen. Warumb solte ich boß sein, daß Ihr mir waß artig schickt? da ist nur vor zu dancken. Ich würde zürnen, liebe Louisse, wen Ihr Euch ungemach ahnthun soltet, mir kostbare sachen zu schicken; daß ist gar nicht nöhtig. Nun muß ich auffhoren, umb in kirch zu gehen undt mein dochter hernach au Thuillerie zu führen undt nachmittags gehen wir au Carmelitten, so auch meiner dochter gutt freundinen sein. Hernach gehen wir ins opera, werde also keine zeit mehr finden, zu schreiben. Adieu! Ein andermahl werde ich auff daß vom 29sten andtwortten undt Eüch dießmahl nur versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Umb 10 abendts.
Alß ich auß dem closter kommen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 8ten dießes monts, no 12, entpfangen, worauff ich vor dißmahl nichts anderst sagen kan, alß daß ich alle poste schreibe; weiß nicht, warumb Ihr es nicht entpfangen, werde Euch alle posten schreiben, viel oder wenig, das könt Ihr fest glauben, liebe Louisse! Die fürstin von Siegen hatt sich zu Paris verdorben, da hatt sie ihren gutten nahmen verlohren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Februar 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 188–191
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0891.html
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