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Paris den 10 Merts 1718, umb 8 morgendts (N. 57).
Hertzallerliebe Louise, ich will nun versuchen, ob ich auff Ewer
liebes schreiben vom 22 Feb. werde follendts andtwortten [können].
Bekomme ich dießen nachmittag ein neües, werde ichs vor sontag
sparen. Noch der zeit geht noch alles woll undt vergnügt mitt
meiner dochter ab, aber es wirdt leyder baldt ein endt nehmen.
Ehe Ihr dießen brieff entpfangen, werden meine lotheringische kinder
wider weg sein, den sie wollen morgen über 8 tag verreißen. Daß
hertz wirdt mir schon gantz schwer drauff. Sie wolten morgen weg,
nehmblich der hertzog; den meine dochter bliebe gern lenger dar,
aber der hertzog wolte morgen wider verreißen, ich habe die 8 tag
erbetten. Mein dochter ist, gott seye danck, so fest in ihren gutten
maximen befestiget, daß sie mitt allen menschen umbgehen kan, ohne
zu fürchten, daß sie sich verderben wirdt. Wie aber die junge
leütte nun sein, ist nicht erhört worden, die haar stehen einem drüber
zu berg. Eine dochter, damitt ihr ihr vatter durch die finger sicht
über ihre desbauchen, scheüet sich nicht, ihrem leiblichen vatter
ein artig cammermägtgen zu vercouplen. Die mutter lest die sach
geschehen, damitt man ihr auch waß zu gutt helt.
[1] Suma, man
hört undt sicht nichts, alß abscheülich sachen, wovor einem graust.
Mein dochter gestehet, daß, ob ich ihr zwar dießes alles geschrieben
hatte, daß sie es nicht so hatt glauben können, alß sie es taglich
mitt ihren augen gesehen. Junge leütte glauben jetzt weder ahn
gott, noch sein wort, wißen nicht, waß betten ist, also muß sie gott
auch woll verlaßen. Es ist betrübt, in einer solchen zeit zu leben,
wo einem gutten gemühte recht eckelt, mitt solchen leütten
umbzugehen. Daß macht einem so müde, daß einem alles verleydt.
Dancke doch gott von hertzen, daß mein dochter noch weiß, waß
tugendt ist undt ein rechte abscheü vor daß hießige leben hatt;
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daß ist mir doch ein rechter trost. Wie ich sehe, durch waß Ihr
mir von deß kauffmanns sohn sagt, so fangen unßere Teütschen die
englische maniren ahn, sich selbst umbs leben zu bringen; daß
konten sie woll bleiben laßen. Die eltern seindt in dem fall zu
beklagen, insonderheit wen sie ehrliche leütte sein. Die printzes von
Wallis hatt mir die historie von dem buben von 18 jahren jahren
verzehlt, so den könig in Englandt hatt ermorden wollen; hatt es gar keine
scheü getragen, sondern gemeindt, er thue die schönste that von der
welt. Ich fürcht alß, dießer konig wirdt kein gutt endt in
Englandt nehmen, die teüffel haß[en] ihren könige zu sehr. Die sach mitt
dem könig undt printzen wirdt woll so baldt kein endt nehmen;
ich finde, daß die verbitterung wirdt täglich größer. Von den
zweyen ju[n]gen hab ich gar nichts gehört. Ob die printzes zwar ihre
princessinen undt kinder, können sie doch nichts desto weniger ins
könig gebott stehen. Es ist in Englandt verbotten, man darff nichts
herrauß schreiben. Hir im landt hatt sich weder die konigin, noch
dauphinen ihrer kinder ahnzunehmen gehabt, der könig hatt vor
alles gesorgt undt ihnen ihre leütte geben; daß die kinder aber
herr vatter, noch fraw mutter nicht sehen, noch von ihren
instructionen nehmen, daß ist viel zu hart. Ich habe den könig in
Englandt allezeit ein wenig trucken undt hart gefunden, die englische
lufft muß ihn noch mehr verhärt haben. Wie I. M. hir war, habe
ichs ihm woll ins gesicht gesagt, daß er zu trucken ist.
Freündtlich habe ich ihn mein leben nicht gesehen, aber woll hofflich, doch
mitt truckenen maniren. Es ist von allen menschen, narren undt
klugen, desaprobirt, daß der könig in Englandt so lang böß über
seinem eintzigen sohn ist, undt abbé de Buquoy hatt hierin groß
recht. Ihr gebt mir ein großes lob, zu sagen, daß Ihr so persuadirt
seydt, daß ich ein gutt hertz undt gemüht habe. Ich werde mich
befleißigen, Eüch nie hirvon zu desabussiren. Hiemitt ist Ewer
liebes schreiben vollig beantwortet von 22 Febr. Ich komme jetzt
auff daß von 15, so mir noch uberig. Ey pfui, liebe Louise! waß
façon macht Ihr mitt mir, daß Ihr sagt, Ihr hett es zu frey gemacht?
Wen kont Ihr finden, so Eüch naher ist undt mehr part nimbt in
alles, waß Eüch ahngeht, alß ich? Warumb macht Ihr doch solche
complimenten, die mich mehr beschwehren, alß alle Ewere klagten?
Den ich mag die complimenten nicht vertragen, insonderheitt von
leütten, so mir lieb sein. Auß meinem letzten schreiben werdet Ihr
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ersehen haben, wie ich ahn Churpfaltz vor Eüch geschrieben habe.
Gott gebe, daß es einen gutten effect thun mag undt ich Eüch zu
waß nutzen könte! Daß ein jeder in dießer welt seine last hatt,
ist woll war. Der fraw von Rotzenhaussen ihr unglück ist, daß ihre
dochter von Bernholt gar nichts deücht. Wen sie nur desbeauchirt
wehre, daß wehre in jetzigen zeitten eine gemeine sach undt were
nur wie hunderttaußendt andere; aber sie ist falsch undt escroq[ueuse].
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Ich bitt Eüch, sagts nicht nach! aber sie hatt falsche zettel auff
ihre mutter, schwester undt einen graffen von Manderscheydt
[gemacht]; also damitt die sach nicht lautt wirdt, muß die arme fraw
gelt suchen, die wuste zettel zu zahlen, damitt die dochter mitt die
falsche zettel [nicht] in gericht gefordert mögte werden, welche[s] eine
ewige schandt mögte nach sich ziehen. Also ist die arme fraw woll
zu beklagen. Die Bernholden ist die elste von der fraw von
Rotzenhaussen 3 dochter, die Wilhelme ist die zweytte undt die fraw von
Reding die tritte, so nun wittwe ist. Aber ich muß nun eine pausse
machen undt mich ahnziehen; den es wirdt spät, hatt schon lang
11 uhr geschlagen.
Donnerstag, den 10 Mertz, umb halb 5 abendts.
In dießem augenblick komme ich de la Place-Royale, wo ich
der großhertzogin eine vissitte gegeben, welche, gott lob, in gar
gutter gesundtheit ist. Ich glaube, ich habe Eüch schon heütte
morgen gesagt, daß meine lotheringische kinder nach Chelle
[3] sein,
mein enckel, mademoiselle d’Orleans, zu besuchen, die dieße oncle
undt tante ihr leben nicht gesehen. Aber ich komme wieder auff
Ewer schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war, wie ich mich
habe ahnziehen müßen. Es scheindt, alß wen eine discorde in der
gantzen welt außgestrewet were; sollen es woll vorbotten vor dem
jüngsten tag sein? Den weillen ja clar in der heylligen schriefft,
daß vor dem jüngsten tag so großer zweytragt
[4] in der welt sein
wirdt, daß vatter undt sohn gegen einander, mutter undt dochter
auch sein werden vor dem jünsten tag, so gehts jetz[t] überall her.
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Ein bischoff, so seyder etlich undt 40 jahren her mein gutter
freündt ist, verzehlte mir vor etlichen tagen, daß schir kein hauß
in Paris ist, leütte von qualitet oder burger, wo nicht zweytracht
ist. Daß ist doch etwaß abscheüliches. Aber waß kan doch der
landtgraff von Darmstag
[6] gegen seinem herrn sohn haben? Ich
bitte Eüch, liebe Louisse, wen Ihrs erfahrt, so schreibt mirs! Daß
geschrey geht hir, daß die printzes zu Neuburg ins kindtbett von
einer printzes gekommen ist. Apropo von dießer printzes, unßer
artiger printz, so wir hir gehabt haben, von Sultzbach, hatt heütte
abschiedt von mir genohmen, gehet nach Turin undt von dar nach
hauß. Daß arme kindt hatte die threnen in den augen, geht bitter
ungern hir weg. Aber man ruft mich, ich muß auß complaisance
ins opera. Wir kommen in dießem augenblick auß dem opera
undt es ist
3/
4 auff 9, kan also ferner nichts auff Ewern 3ten brieff
andtwortten, werde daß überige vor ein andermahl ersparen undt
vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen
lieb behalte.
Ich kan meinen brieff nicht überleßen, mag woll voller fehler
sein; aber es seindt so viel leütte in meiner cammer undt ein solch
geraß, daß ich nicht weiß, waß ich sage. Ob Ihr er
[7] werdet
errahten konnen oder nicht, mag gott wißen.