Seitenbanner

Brief vom 31. März 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


902.


[220]
Paris den 31 Mertz 1718, umb 8 morgendts (N. 63).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts, alß ich auß der commedie kam, wurde[1] ich mitt Ewer lieben schreiben von 19 dießes monts, no 23, erfreüet worden. Ich habe Eüch in dem von 10, no 57, nichts mehr von meinem husten undt schnupen gesagt, weillen alles, gott lob, verbey war, undt wen ein übel verbey ist, dencke ich nicht mehr dran. Ich kan nicht begreiffen, wie es kompt, daß etlichmahl die brieffe so gar spat kommen undt andermach[2] so just. Dießes letzte von Eüch habe ich, wie Ihr segt, den 11ten tag entpfangen. Der abschiedt von meiner dochter ist, gott lob, noch nicht geschehen, aber gar nahe; den ich glaube, daß sie biß montag weg werden. Aber Ihr habt groß recht, zu sagen, daß in solchen fallen daß beste ist, distraction zu suchen undt nicht davon zu reden undt von gantz waß anderst sich suchen den kopff zu füllen, welches ich auch thun werde. Alles ist, gott sey danck, gar woll abgangen. Meine lotteringische kinder sein mitt mir zufrieden undt ich mitt ihnen. Mitt meiner elsten encklin[3] bin ich auch gar woll zufrieden, habe rechte hoffnung, daß waß rechts auß sie werden [werde]; den sie ist in allem zu ihrem besten geendert, sie hatt viel verstandt undt gar ein gutt gemühte; sie fengt ahn, gott den allmächtigen zu betten zu kenen wollen, die laster zu haßen, die tugendt zu lieben, undt daß ohne aberglauben. Drumb hoffe ich, daß sich gott auch über sie erbarmen undt sie gantz bekehren wirdt.[4] Von ihrer 3ten schwester[5] habe ich keine so gutte opinion; so bett [221] sie ihr leben nicht, zum andern, so hatt sie kein gutt gemühte, fragt nichts nach ihrer mutter, wenig nach ihrem vatter undt will ihn regieren. Mich hast sie arger, alß den teüffel, ihre schwestern hast sie alle; sie ist falsch in allen stücken undt spart offt die warheit, coquet abscheülich. Suma, daß mensch wirdt unß allen noch hertzenleydt geben, daß ist gewiß. Ich wolte, daß sie schon geheüraht undt weit weg were undt in frembten landern verheüraht, daß man hir nichts mehr von ihr hörte.[6] Ich fürchte, wir werden auch hertzenleydt ahn der zweytten[7] erleben, so mitt aller gewalt eine none werden will; undt daß gutte mensch betrigt sich selber, sie hatt gar kein nonenfleisch undt die sach wirdt nicht so baldt geschehen sein, so wirdt sie, wie ich fürchte, in eine verzweyfflung fahlen, undt ist capabel, sich selber umbzubringen; den sie ist gehertzt undt fürcht den todt gantz undt gar nicht. Es ist woll schadt vor daß mensch, sie hatt viel guts ahn sich, ist gar ahngenehm von person, lang, woll geschaffen, ein hübsch, ahngenehm gesicht, schonnen mundt, zehn wie perlen, dantzt woll, hatt eine schönne stim, weiß die musiq woll, singt a livre ouvert, waß sie will, ohne grimassen, recht ahngenehm, ist eloquent von natur, hatt gar ein gutt gemüht, liebt alles, waß sie lieben solle. Sie sagt ahn alle menschen, daß sie niemandts regretire, alß mich; also habe ich sie auch recht lieb. Es ist kein kunst, dieße lieb zu haben, den sie ist recht ahngenehm; ist mir also recht leydt, daß sie eine none werden will. Die 4te von meinen enckeln[8] ist ein gutt kindt, aber gar heßlich undt unahngenehm. Die 6te[9] hergegen ist ein schon ahngenehm kindt, artlich, lustig, possirlich; die habe ich auch recht lieb. Man heist die mademoiselle de Beaugilois,[10] sie wirdt [222] verstandt bekommen. Die 6te, so man mademoiselle de Chartre[11] heist, ist nicht gar heßlich, aber ein gar widerwertiges kint; den so baldt man sie nuhr ahnsicht, so fangt sie ahn, zu blären. Der duc de Chartre ist ein artiger bub undt hatt verstandt, aber ein wenig zu ernstlich vor sein alter, undt ist so abscheülich delicat, daß ich [ihn] nicht ohne ängsten ahnsehen kan. Er darff keinen dropffen über eyß drincken, bekompt gleich daß fieber, kein obst, nichts darff er eßen, alß waß er gewohnt ist; ich fürcht alß, er wirdt es nicht lang machen,[12] welches doch ein abscheülich unglück vor unß alle sein würde undt auch woll schadt vor daß kindt, so gutten verstandt undt ein gutt gemühte hatt undt alles lehrnt, waß man will. Er ist nicht schön, doch mehr hübsch, alß heßlich, gleicht mehr der fr. mutter, alß [er] dem herrn vatter gleicht. Daß kindt ist zu allen tugendten geneigt undt hatt kein laster. Ich habe ihn deßwegen recht lieb. Aber hiemitt genung von meinen meinen kindern undt kindtskindern gesprochen. Ich schicke Eüch hirbey ihr alter auff ein apart.
(Madame duchesse de Bery, gebohren den 20 Augusti 1695.
Mademoiselle d’Orleans, gebohren den 13 Aug. 1698.
Mademoiselle de Valois, gebohren den 22 October 1700.
Monsieur le duc de Chartre, gebohren den 4 Aug. 1703.
Mademoiselle de Monpensier, gebohren den 11 December 1709.
Mademoiselle de Beaugelois, gebohren den 18 December 1714.
Mademoiselle de Chartre, 28[13] Juni 1716.)
Madame d’Orleans hatt noch eine ältere dochter, alß madame de Berry, gehabt, so man mademoiselle de Valois geheißen, hatt nicht mehr, alß ein jahr, gelebt undt starb vor alter. Gott verzeye mirs! aber, es war mir nicht leydt, wie daß kindt starb. Ich komme aber wider auff Ewer schreiben. Der[14] conseillier d’estat, monsieur de Foucault, sein sohn, monsieur de Magny, ist schon lengst wider auff mein bitt auß der gefängtnuß;[15] alßo ist der vatter gantz getröst. Frantzoßen seindt greülich frech, gehen überall hin undt scheüen nichts. Unßere Teütschen seindt mehr respectueux undt beßer erzogen. Es hatt sich kein wordt wahr gefunden, daß [223] der könig in Englandt der printzes von Wallis daß pressent von spitzen geben; alles ist leyder noch im großen trouble. Ich glaube, ich habe Eüch doch vergangenen sontag die schönne that geschrieben, so der printz von Wallis gethan, denen zu widerstehen, so ihn zu chef de partie haben machen wollen. Wen dem könig dießes nicht touchirt, wirdt woll sein leben kein frieden zu hoffen sein. Der duc de Schonburg muß ein hartter kniper sein, daß unortendtliche leben außzustehen können. Mein gott, lieb Louisse, ist es nicht eben so gutt, lügen zu leßen, so man einem vor lügen gibt, alß erstlich lügen zu leßen, so man einem vor war [gibt]? Historien seindt auch lügen. In meines groß herr vatters, der könig im Böhmen, historie hatt man gesetzt, daß mein groß fraw mutter, die königin in Böhmen, auß purer ambition dem könig, ihrem herrn, keine ruhe gelaßen, biß er könig worden, welches kein wordt wahr ist. Der printz von Oranien, so deß königs in Bohmen fraw mutter bruder war, hatt alle die sach ahngesponnen, die königin hatt kein wordt davon gewust undt nur damahl ahn commedien, baletten undt romanleßen gedacht. Unßern konig macht man in seiner historie auß generositet auß Hollandt ziehen undt den frieden machen. Die rechte ursach war, daß madame de Montespan nach ihrem kindt von madame la duchesse[16] nach Versaille kommen war; die wolte der konig wider sehen. Den hollandischen ersten krieg mist man deß königs große ambition zu undt ich weiß gewiß, daß dießer krieg nur ahngesponnen war, weillen monsieur de Lionne, so damahl ministre war, jalous von seiner frawen mitt printz Wilhelm von Furstenberg[17] war, undt umb dem zu schaden, fing er den krieg mitt Hollandt undt dem keyßer ahn. Nun kan man so lügen in sachen, so unß vor der naßen geschehen, sagen, waß kan man den glauben von waß weitter ist undt vor langen jahren geschehen? Also glaube ich die historien (außer waß die h. schrifft ist) eben so falsch, alß die romans, nur der unterschiedt, daß dieße lenger undt lustiger geschrieben sein.[18] Ich bitte, liebe Louisse, danckt dem [224] herrn von Degenfelt vor die schriefft! Es ist artig erfanden, glaube aber, daß es in seinen verstandt undt in keinen buch gefunden worden. Zähn undt haar seindt der printzes von Heydelberg so verendert, daß man sie daran nicht mehr kenen kan. Es geht aber, wie Pickelhäring sagt, wen er mutter Anecken ist: Daß thut daß liebe alter.[19] Aber, liebe Louisse, es wirdt spät, ich muß mich ahnziehen, umb in die capel zu gehen undt von dar mitt meiner tochter ahn taffel.
Donnerstag, den 31 Mertz, umb halb 3 nachmittags.
Ich fange wider ahn, zu schreiben, werde aber nichts sagen können; den meine kutschen sein kommen, ich muß zur großhertzogin; nach dem, wen wir wieder kommen werden sein, werde ich dießen brieff außschreiben, hernach zu mein dochter ins opera. Ich hoffe, sie noch ein tag 8 zu behalten.
Donnerstag, umb 5 abendts.
Da komme ich von meinen 2 vissitten, nehmblich von der großhertzogin, so weit von hir, a la Place-Royale, logirt, undt eine, so nahe ist, nehmblich nur jenseyt deß hoffs zu madame d’Orleans, welche nun, gott lob, gar woll ist. Drumb bin ich nicht gar lang undt nur eine halbe stundt drunten geblieben. Ich werde dießen brieff gantz außschreiben; den wie diß opera von … gar lang ist, werde ich mein dochter im ahnfang hingehen laßen, undt so baldt ich werde außgeschrieben haben, werde ich auch hin, aber eher nicht. Vor die prophezeyung dancke ich, hatt mich recht divertirt, ob ichs zwar nicht glaube; aber alle die poßen amussiren mich, werdet mir also einen gefahlen thun, mir so sachen zu schicken, wen sie Euch zu händen kommen werden. Ich habe gestern abendts einen gar großen brieff von die fraw von Bernholt bekommen. Aber ich habe ihn noch der zeit nicht gehabt zu leßen. Ich weiß nicht, wie sie ihre fehler wirdt endtschuldigen können. Tugendtsam ist dieße dame nie geweßen, sie muß boße geselschafft gefunden haben; [225] den sie war nur 12 jahr alt, wie man [sie] verheüraht hatt. Wie die mutter nicht zu Strasburg war, ist die Wilhelme[20] bey der Bernholtin geweßen; seyder die mutter aber wieder kommen, hatt sie sie wider zu sich genohmen. Es ist gewiß, daß, wie die welt nun geschaffen, ist es keine lust, societet zu haben. Ich schicke Eüch hirbey ein schachtelgen mitt pomade divine; man heist solch schachteln des regence. Wen Ihr mehr von nohten habt, kont Ihr mirs nur berichten. Die pomade conservirt sich mehr in dießen schachteln, alß in den irdenen potger. Noch etwaß, wozu dieße pom[a]de gutt ist, nehmblich wen man sich starck mitt siegelwacks gebrendt hatt undt gleich von dießer pomaden [auflegt], benimbt es gleich die schmertzen. Ich weiß nicht, wie man den geruch von der pomade divine schlim kan finden. Mir schadt er gar nicht; in den grosten accessen von fieber habe ich mir die gantze brust mitt geschmirt, ohn daß es mir vapeurs geben. Ich glaube, daß der faltranck Eüch mehr gutts, alß übels, gethan undt hatt außschlagen machen, waß Eüch vielleicht innerlich sehr hette schaden konnen. Es ist mir leydt, Eüch zu sagen, daß ich ein halb jahr mitt meinen verrengten fuß zu thun gehabt habe. Ey pfui, liebe! Worumb macht Ihr mir so große complimenten? Ihr wist ja woll, daß ich sie nicht leyden kan, insonderheit von leütten, so mir lieb sein. Vor mein brieff ahn Churpfaltz habt Ihr mir schon genung gedannkt; wünsche nur von hertzen, daß es waß guts außrichten mag. Man weiß noch nicht recht, wovon die printzes von Sultzbach niederkommen ist; aber herr Zachman hatt [geschrieben], umb die warheit davon zu erfahren, wünsche von hertzen, daß es ein printz sein mag. Frannkfort, wie ich sehe, wirdt pfaltzgraffen genung in der ostermeß haben; den, wo mir recht ist, so ist Churtrier auch ein pfaltzgraff undt herr bruder von Churpfaltz. Ich bin fro, daß der arme teüffel, welcher daß bein gebrochen, davon kommen ist, daß wirdt die mutter [erfreuen]. Der Paleoti, so in Englandt hatt sollen gehengt werden, hatt sich auch salvirt. Der hatte es woll verdint, ist ein gar bößen kerl. Wir haben hir nichts neües, alß daß einer, so seine fraw hatt schlagen wollen, erst diß gebett gethan: Mon bon dieu, faitte que le coup, que je vais donner a vostre servante, la corige et la rende sage! Daß ist alles, waß ich weiß. Ich gehe [226] zu meiner dochter ins opera, nachdem ich Eüch werde ambrassirt haben undt versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. März 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 220–226
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0902.html
Änderungsstand:
Tintenfass