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Brief vom 3. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


903.


[226]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort

Paris den 3 April 1718 (N. 64).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 22 Mertz entpfangen, worauff ich heütte hoffe ordentlich zu andtwortten, ob es schon ein wenig spät ist; den ich auch ahn die königin von Preüssen habe schreiben undt andtwortten müßen. Wie ich sehe, so müßen Eüch noch, wie Ihr mir geschriben, noch 5 von meinen schreiben gefehlt haben, wie Ihr auß dießem schiffer secht. Ich bin, gott lob, zimblich exact in waß ich versproche[n], undt wie ich Eüch, liebe Louisse, versprochen, nie keine, post zu verfehlen, ich sey den kranck oder gar todt, so kont Ihr all mein leben darauff bawen. Noch eine tritte ursach, so ärger, alß beyde, wehre undt wo mich gott vor behütten wolle, wehre, wen ich in große betrübtnuß fallen solte undt von meinen kindern verliehren solte. In dießer wochen, wo wir eintretten werden, wirdt mein dochter wieder weg. Der hertzog hatt wie ein ehrlicher man sein wordt gehalten; den vorgestern war es 6 wochen, daß sie hir sein. Die zeit ist mir baldt vorbey gangen. Daß muß ich gestehen, daß meine dochter gar nicht von der hitzigen natur ist, wie die weiber hir sein, sondern sehr de sang froid undt gar nicht zur desbeauche geneigt, hatt abscheü vor alles, so unehrlich ist undt kan sichs nicht getrösten, ihr vatterlandt so geendert zu finden. Ich habe schon offt gedacht, daß, wen Teütschlandt solche abscheüliche conduitten erfahren wirdt, wie jetzt in Franckreich vorgehen, ob sie es nachmachen werden, oder, wie billig were, abscheü davor haben werden. Ich glaube, es wirdt getheilt werden; etliche werdens nachmachen undt andere nicht. Gott gebe, daß von denen, so es heßlich finden werden, die meisten sein mögen! Hir wirdt Ewer wunsch so baldt nicht erhört werden. Ich habe keine hoffnung, mein leben keine enderung hir zu erleben; den es kan keine kommen, biß der könig geheüraht wirdt undt eine raisonable königin alles wider in die rechten schrancken bringt. [227] Ihr müst die affairen lieben, sonsten were es nicht möglich, nachdem Ihr vor aller Ewer mühe so viel undanckbarkeit bey Ewerm schwager gefunden, daß Ihr Eüch wider resolviren köntet, [Euch] mitt denen sachen zu plagen. Ich bin fro, daß die printzes von Sultzbach einen printzen bekommen; daß macht mich hoffen, daß Churpfaltz ahn keinen narischen heüraht gedencken wirdt. Ich bitte Eüch, sagt mir doch, liebe Louisse! die fürstin von Nassau-Sigen, ist sie nicht daß freüllen von Hohenlohe, worin Churpfaltz, alß er noch printz Carl war, so verliebt geweßen undt mitt aller gewalt hatt heürahten wollen undt geheüraht hette, wen die keyßerin, seine fraw schwester, es nicht gehindert hette. Es ist keine vexirerey mitt verrengten füßen, es dawert gar lang, ehe man wider heill wirdt. Man muß sich sehr schonnen; den fengt es einmahl ahn, in die geschwulst zu kommen, so wehrt es jahr undt tage. Ich muß nun auch eine pausse machen undt mich ahnziehen. Dießen abendt werde ich zeit genung haben, dießen brieff außzuschreiben; den alle specktacle haben ein endt biß nach Quasimode. Daß wirdt mir heütte undt zukünfftligen donnerstag mehr zeit geben, Eüch zu entreteniren, welches doch erst spät wirdt geschehen; den nach dem eßen fahre ich ins closter, nach dem closter werde ich zu madame d’Orleans undt Eüch erst hernach schreiben. Heütte morgen werde ich in kirch undt von dar zum könig.
Sontag abendts, umb halb 7 abendts.
Wie ich von madame d’Orleans herauff kommen undt schreiben wollen, ist madame de Berry herein komen mit allen ihren damen, umb hir auff ihren … zu wartten, dem sie dießen abendt zu nacht eßen gibt mitt ihren damen. Sie haben eine gutt stundt hir gewahrt, drumb schreibe ich so spät, liebe Louise! Ich weiß gantz undt gar nichts neües, alß daß gestern eine abscheüliche sach vorgangen. Ein kutscher hatt seinen herrn mit insolentz seine gagen gefordert. Sein herr sagte: Tu est ivre aujourdhuy, je te les donneres demain. Der kutscher wirdt böß, reist seinen herrn seinen degen auß der scheydt undt will ihn erstechen. Der herr weicht auß, erdapt den gutschen umb den leib, reist i[h]m den degen auß der handt undt stöst in zur thür hinauß; der kutscher geht im hoff, der herr nimbt ein stock, den kutscher zu schlagen; der kutscher, so stärcker war, alß der herr, wirfft den herrn übern hauffen, [228] ertapt ihn bey den haaren, die er lang hatte, schlept ihn den gantzen hoff herumb, geht hernach zu einem procurater undt macht seinen herrn einen protzes, welchen der kutscher verlohren undt condamnirt wardt, ahm carcan[1] gesetzt zu werden. Der kutscher rufft liverey zu hülff, 1000 laquayen rotten sich zusamen, ziehen den kutscher auß dem carcan, samblen stein undt kommen auff deß kutschers herrn hauß, daß sie, so zu sagen, belagern, undt zerschlagen daß hauß so abscheüllig, daß wetter fenster, noch spiegel drinen gantz geblieben. Der herr hatt sich im keller salvirt, einen von seinen laqueyen gesagt, den guet a cheval zu hollen. Wie der ist kommen, haben die laquayen fortgefahren, mitt steinen zu werffen; aber le guet ist auff die zu pferdt zugerent, hatt etlich gefangen, drey seindt geblieben undt viel verwundt. Die gefangen sein, werden woll gehengt werden, insonderheit der insolente kutscher.[2] Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch all mein leben lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 226–228
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0903.html
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