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Brief vom 14. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


906.


[235]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Paris den 14 April 1718 (N. 67).
Hertzallerliebe Louise, alleweill schlecht es 10 morgendts. In dießen augenblick komme ich auß der pfarkirch, wo ich zum h. abendtmahl gangen bin; den es ist heütte hir gründonnerstag. Gestern abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 2 April, no 27, entpfangen, worauff ich in dießem augenblick andtwortten werde. Ich kan nicht begreiffen, wie 5 von meinen schreiben Eüch zugleich außstehen können. Wo müßen sie den auffgehalten werden? Umb den leib zu ernehren, muß waß soliders sein; man mag so woll zufrieden sein, alß man immer will, wen man mitt einen lehr[e]n magen ist, zicht er starck. Ich vor mein theil bin genung recompensirt, liebe Louisse, wen, waß ich thue, Eüch gefählt undt ahngenehm ist; mehr begehre ich nicht, liebe Louisse, undt halte mich vor woll bezahlt, wen Ihr nur von meiner freündtschafft versichert seydt undt ich sehe, daß ich bey Eüch hiedurch meine versprechen halte, so ich I. G. s., mein herr vatter, gethan (alß ich leyder von Straßburg weg gemust habe), Eüch kinder allezeit lieb zu behalten; daß habe ich auch redtlich gehalten. Ich bin nicht von denen, so sich umb alles bekümmern; aber waß mich touchirt, endtpfinde ich starck, insonderheit wen es meine kinder betrifft. Ich zweyffle nicht, liebe Louisse, daß, wens mir nach Ewern wunsch gehn solte, daß ich nicht gar glücklich sein würde: den ich bin gantz von Ewerer freündtschafft persuadirt, liebe Louise, undt Ihr seydt von gar zu gutt naturel, umb Ewere schwester nicht lieb zu haben undt guts zu wünschen. Ihr werden auß meinem brieff von verwichenen sontag ersehen haben, lieb Louise, wie mein dochter den freytag vorher, alß nehmlich morgen wirdts 8 tag sein, daß sie weg. Den 3ten tag, alß nehmblich den palmensontag, wie sie nach Bar gereist sein, hetten sie schir den halß gebrochen; den ihr kütschgen ist abscheülich umbgeworffen worden. Der hertzog undt mein dochter haben, gott seye danck, kein schaden bekommen, noch sich wehe gethan, aber madame de Craon hatt eine contussion ahm kopff bekommen, so doch nicht gefährlich ist. Ich bin recht in sorgen vor [236] meine fraw baß, madame la printzesse;[1] den I. L. seindt kranck undt in einer so erschrecklichen betrübtnuß, die nicht zu beschreiben ist, den sie hatt vergangen montag plötzlich ihre fraw dochter, die duchesse de Vandosme,[2] verlohren. Madame la princesse sorgt vor ihre seele, den sie hatt nicht ahn gott dencken können, hatt gleich den verstandt verlohren, es ist ein art von schlag, so sie grührt hatt.[3] Aber es ist gewiß, daß sie nicht so heyllig gelebet hatt, daß es nicht gefahrlich sein solte, so plötzlich zu sterben. Gott wolle der armen madame la printzesse beystehen undt sie trösten! den sie meritirts, ist gar sehr, ist eine rechte fromme, tugendtsame fürstin, die all ihr leben wie ein engel gelebt undt wie ein martir mitt ihrem herrn gelebt hatt; den es war der wunderlichste humor von der welt,[4] nun machen sie ihre kinder leyden. Aber ich muß eßen gehen, den seyder 6 uhren morgendts habe ich nichts genohmen. Adieu biß dießen abendts!
Gründonnerstag, umb 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß tenebre, so man von 4 biß halb 7 gesungen hatt, ist woll der betrübste gesang, so man hör[e]n kan. Morgen werden wir, gott lob, die letzten tenebre vor dieß jahr habe[n]; also ist nur noch eine gedult zu faßen, den alles überige wirdt nicht lang, aber der morgendte tag wirdt noch hart halten. Umb 8 muß ich in die passionspredig, von dar wirdt man eine große meß singen hören, so 2 stundt wehren wirdt, wo nicht 3 stundt. Ich glaube nicht, daß wir vor halber 1 wider hir sein werden, undt nachmittags wirdt es wider noch ein par stundt werhen. Aber genung hirvon! Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich heütte … Wir wahren heütte morgen geblieben ahn madame la princesse ihre unglück, sie meritirte durch ihre tugendt einen beßern standt; aber es geht schir in der weldt, wie daß teütsche sprichwordt sagt: Je größere hur, je großer glück. [237] Madame de Berry ist magnific in allen ihr[e]m thun. Ich habe heütte alle nonen in vollen threnen gefunden, gesehen zu haben, mitt welcher devotion I. L. in dem closter heütte morgen zum abendtmahl gangen sein. Madame d’Orleans ist wider gesundt, aber ein wenig matt, doch auch in ihrem closter a Montmartre. Es hatt der printzes von Wallis 6 paquetten von mir wegen contrarie windt gefehlt, endtlich hatt sie 3 auff einmahl bekommen. Ahn die historie von den spitzen habe ich sehr gezweyffelt; den mich deücht, der konig in Englandt ist nicht gar curieux, pressenten zu thun, glaube, daß seine lust nicht hirin bestehet, habe derowegen leyder gleich gesehen, daß es eine lugen war, met verlöff. Der mißverstandt ist noch nicht aufgehoben, welches mir von hertzen leydt ist, ich fürchte, daß es lang wehren wirdt. Ich bin woll Ewerer meinung, daß alles seine zeit hatt. Aber es schlegt 9 uhr undt man kompt mir sagen, daß mein nachteßen fertig, so nur in einem salat bestehet. Ich habe alle article von Wien nachgesucht, aber deß armen Furie historie undt tragedie nicht gefunden; finde, daß der bruder, so secretarie bey der königin in Englandt worden war, woll ahnkommen ist. Die duchesse de Schoresburg ist glücklich, ihres brudern loß zu sein; er hatte ihr den todt geschwohr[e]n. Aber ich muß eßen undt nach bett; den ich werde früh auffstehen morgen. Gutte nacht, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalten [werde!]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 235–237
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0906.html
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