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Brief vom 24. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


909.


[242]
Paris den 24 Aprill 1718, umb 1 v[i]ertel auff 8 morgendts (N. 70).
Hertzallerliebe Louisse, gestern abendts umb 8 habe ich Ewer liebes schreiben vom 12 dießes monts, no 30, zu recht entpfangen, finde, daß unßere brieff nun gar richtig gehen. Gott gebe, daß es [243] bestandt mag haben! Da kont Ihr gar gewiß festiglich auff bawen, liebe, liebe, daß Ihr ohne unüberwindtliche ursachen nicht ohne meine schreiben sein werdet. Ich förcht, noch wünsch den todt nicht; ich weiß woll, daß es einmahl sein muß, wen die stunde wirdt kommen sein, die mir gott bestimbt hatt, undt daß sie sich alle tag herzu nahet, indem ich schon alt bin undt alle tag älter werde, also sicher, daß es nicht gar lang mehr wirdt werden konnen. Gott bewahr mich nur vor langen kränckellen undt großen schmertzen! Im überigen mag es gehen, wie gott will. Gar vergnügt in der weldt zu leben, ist ohnmöglich. Man findt ordinarie allezeit waß, so einem mißfalt. Aber waß will man thun? Es ist die weldt, es muß so mitt drunter lauffen, unßer herrgott wirdt nichts neües vor mich machen, wie unßere liebe undt s. churfürstin alß pflegt zu sagen. Bin Eüch doch sehr verobligirt vor alle gutte wünsche, so Ihr mir thut. Die gewiße person, wozu ich hoffnung habe, daß sie sich beßern wirdt,[1] hatt gar ein gutten verstandt, gutt hertz undt gemühte, hette also gutte hoffnung zu ihrer beßerung, wen sie nicht mitt gar zu bößer geselschafft umberingt were. Sie hatt auch von der mutter seytten tanten undt baßen, so ein dolles leben führen. Die mutter geht nur mitt fantasien umb, einen tag hast sie ihre dochter, ohne zu wißen, warumb, einen andern tag aprobirt sie alles, es mag gutt oder boß sein. Daß macht mich forchten, daß [244] die gutte resolution, so man dieße ostern gefast, keinen bestandt werden haben undt der teüffel in daß gekehrte hauß wider kommen wirdt mitt 7 boßen geister, arger, alß der erste war, wie in dem evangellion[2] stehet. Suma, man hort undt sicht viel unahngenehme sachen, so ich wegen vieller umbstanden nicht endern kan undt mir doch zu hertzen gehen. Mein dochter ist nicht lang genung hir geblieben, umb daß ihr gutt exempel durchdringen könte. Man hatt mich gefragt, wie ich mein dochter so woll erzogen hette. Ich habe geantwort, ihr allezeit mitt raison zu sprechen, ihr erweißen, warumb ich eine sache gutt oder übel finde, ihr keine erlaubte lust zu wehren, aber nie ohne ihre hoffmeisterin undt unter hoffmeisterinen dießen ernstlich zu befehlen, nicht zu leyden, daß weder mans-, noch weibsperson, welche es auch sein mag, nie ein wordt heimblich mitt ihnen reden mag, sie nie durch bößen humor zu zürnen, suchen, so viel mir möglich, ihnen kein böß exempel zu weißen, die tugendt vor ihr zu loben, die laster in gemein zu schelten undt abscheü davor zu weißen, vor mein dochter den hoffmeisterinen undt cammermagten befehlen, mir allezeit zu sagen kommen, waß vorgeht, zu trawen,[3] alle die wegzujagen, so dißem befehl nicht nachkommen würden. Auff dieße weiße habe ich meine dochter erzogen, daß, gott lob, ihr ruhm weitt undt breydt erschalt. Aber man muß nicht dencken, daß man ein kindt ohne mühe erziehen kan; also muß man vigilland undt nicht faull darbey sein. Ob dießes[4] discours denen gefahlen, glaube ich nicht; den man würde serieux undt descontenancirt drüber. Aber warumb fragt man mir, waß man nicht wißen will? Daß meine sentiementen von frembten hir solte[n] auffgenohmen werden, daß pretendire ich nicht, ich wolte nur von meines sohns kinder; vor meiner dochter kinder bin ich nicht in sorgen, sie erzicht sie woll. In Teütschlandt hatt man daß gutt, daß man die personnen, so übel leben, sehr veracht; daß thut man hir nicht genug undt daß macht die junge leütte glauben, daß, wen alte predigen, daß es nur geschicht, weillen sie grittlich sein, undt daß, wie sie jung wahren undt lustig, es ebenso gemacht, daß es ihnen nicht ahn der reputation schadt, weillen man sie ebenso woll tractirt, alß andere, so woll gelebt haben undt vor beßere geselschafft helt; daß verdirbt alle junge leütte hir. Von den [245] hohenloeischen freüllen will ich heütte nicht[s] sagen, den ich habe eyll, wolte noch gern dießen morgen ahn mein dochter schreiben, ehe ich in kirch undt hernach zum könig gehe, abschiedt zu nehmen, weillen ich biß mitwog nach St Clou werde. Undter unß gerett, die beyde fürsten von Nassau sein nicht gescheydt, haben schüß, haben dolle einfall. Der jüngste hatt seine gemahlin einmahl in die Bastille gesetzt; wie er sie wider herauß undt zu sich nehmen wolte, sagte [sie], [sie] wolte lieber all ihr leben gefangen bleiben, alß mitt ihm zu leben. Sie ist eine Mally[5] von geschlegt, deß marquis de Nesle schwester, eine dolle humel. Es geschicht den Teütschen recht, von ihren weibern mesprissirt zu werden; warumb nehmen sie frantzösche weiber? Ich admirire Ewere gedult, Eüch so mitt den schonburgischen affairen zu plagen können, mir were es durchauß ohnmöglich. Wen auch mein leben drauff stünde, so könte ich es nicht thun, finde es gar zu langweillig undt verdrießlich. Es ist woll zu glauben, daß alles beßer geht, wen eine person, wie Ihr seydt, daß aug drauff hatt; aber wen man mir meine mühe so wenig danck wüste, alß der duc de Schonburg Eüch bezeüget, liebe Louise, konte ich mich nicht dazu resolviren. In[6] finde nicht, daß die königin in Preüssen übel schreibt, sie schreibt treühertzig undt scheindt ein gutt gemüht zu haben. Wen daß ist, finde ich alles gutt, also könt Ihr dießer königin woll mitt warheit versichern, daß ich gar woll mitt ihren brieffen zufrieden bin. Daß Ihr , liebe Louisse, Ewer brieffe veracht, ist eine coquetterie, umb sie zu loben machen; den Ihr wist selber woll, daß Ihr woll schreibt. Umb Eüch dieße coquetteri[e] abzugewehnen, will ich nichts drauff sagen, daß solle Ewe[re] straff sein. Wir haben gantz undt gar nichts neües hir, werde also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch adieu von Paris sage. Biß donnerstag werde ich Eüch von St Clou schreiben, wilß gott, undt auffs neü versichern, daß, wo ich auch sein mag, Eüch von hertz[en] lieb hehalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 242–245
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0909.html
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