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Brief vom 8. Mai 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


913.


[253]
St Clou den 8 May 1718 (N. 74).
Hertzallerliebe Louise, heütte schreibe ich Eüch mitt recht betrübten hertzen undt ich habe gestern schir den gantzen tag geweindt; den gestern morgendts ist die gutte, frome, tugendtsame konigin in Englandt[1] morgendts umb 7 zu St Germain gestorben. Die muß woll im himel sein; sie hatt keinen heller vor sich behalten, alles den armen geben, gantze famillen hatt sie unterhalten.[2] Ihr leben hatt sie von niemandts übel gerett, undt wen man ihr etwaß hatt verzehlen wollen von jemandts, sagt sie alß: Si c’est mal de quelqu’un, je vous prie, ne me le ditte pas! Je n’aime pas les histoires qui attaquent la reputation. Sie hatt ihr unglück mitt der grösten gedult von der weldt außgestanden, undt daß nicht auß einfalt; den sie hatte gar viel verstandt, war höfflich undt ahngenehm, wiewoll nicht schon, war allezeit lustig, lachte undt vexirte mitt recht gutter manir, lobte allezeit sehr unßere printzes von Wallis. Ich hatte dieße königin recht lieb; ihr todt geht mir recht zu hertzen.[3] Sie ist ahn einer brustsucht gestorben; ein truckener husten ist I. M. s. auff die brust gefallen, daß continuirliche fieber hatt sich dazu geschlagen mitt 2 redoublementen deß tags, hatt die gutte königin in 7 tagen weggerafft. Montags schickten mir I. M. durch ihren stalmeister, monsieur Nügens,[4] ein brieff vor die königin in Sicillien undt ließen mir dabey sagen, sie bätt[5] mich, ich solte ihrer niepce schreiben, [254] daß seyder ihren brieff ihr daß fieber ahngestoßen undt daß der frost 2 gutter stundt gewehrt, käme in die hitze, so gar starck auch wehre. Dieß hatt so gedauert biß auff gestern morgendts, da sie leyder den garauß bekommen. Ich habe den kopff so voll davon, daß ich schir von nichts anderst jeden kan. Zu allem glück vor mich hatte ich gestern die medecin nicht genohmen, so ich habe nehmen [sollen]. Monsieur Theray hatt mir quartir geben,[6] weillen daß wetter zu trucken undt warm ist, sonsten würde mir der schrecken geschadt haben. Ich schickte alle morgen einen pagen nach St Germain ahn den docktor, der die nacht gewacht hatte, umb zu wißen, wie die nacht passirt. Der page, den ich gestern hingeschickt hatte, kompt wider mitt einem verboßerten[7] undt bleich gesicht undt sagt: Madame, la reine est morte ce matin. Ihr könt leicht gedencken, wie ich erschrocken, bin abscheülich auffgefahren. Es ist mir doch vorgewest, den die Rotzenheusserin wieße mir eschantillons von taffet, umb ihr ein kleydt zu wehlen helffen. Ich sagte: Eylt Eüch nicht zu sehr, last unß erst sehen, waß auß der konigin kranckheit wehren wirdt! es ist mir bang, man [werde] mir auff einmahl sagen kommen, daß sie todt ist. Ich hatte kaum daß wordt außgerett, so kame der page herrein undt sagte es. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme, wo ich vergangen donnerstag geblieben war, nehmblich ahn den burtzelbaum, so meine lotheringische kinder mitt ihren damen undt berline[8] gemacht. Niemandts hatte sich, gott lob, wehe gethan, die Craong[9] hatt sich nur beklagt; aber maistressen machen es so, umb die tendressen von ihren liebhabern zu erwecken undt von ihnen beklagt zu werden. Die Rotzenheussern heist sie offt, wie ihr nahme were, wen man daß a vor daß r setzte undt noch ein j undt e darzu thete.[10] Ich bin gar froh, daß mein tochter ihre parthie so woll genohmen hatt; daß kompt mir gar schwer vor, könte es ohnmoglich nachthun. Ich habe Eüch schon donnerstag außgelegt, warumb ich auff ostern in der pfarkirch zum h. abendtmahl undt nicht in der capel. Den wünsch,[11] so Ihr mir, liebe Louisse, gebt undt wovor ich Eüch von hertzen dancke, ist woll [255] der beste, so man geben kan; den alles glück undt wollfahrt were nichts, wen die seele leyden solte. Ich vertrawe auff die barmhertzig[keit] gottes undt waß mein herr Christus vor mich gelitten hatt. Waß Ihr mir sagt, daß ich meiner[12] versprechung gehalten, so ich ahn I. G. s. unßerm herrn vatter gethan, tröst mich recht; den ich habe noch dießelbe liebe undt respect vor I. G. s., alß ich von kindtheit auff gehabt habe, undt werde auch damitt sterben. Also kan mich nichts in der welt von Ewerer freündtschafft abziehen. Wolte gott, ich konte es Eüch, liebe Louise, durch ahngenehme dinst erweißen! Ewer guttes gemühte ist mir gar zu woll bekandt, umb ahn Ewere freündtschafft zu zweyfflen. Ich pretendire keine recompens, wen ich meine schuldigkeit thue. Daß ist schon eine gnade gottes, wen man gern seine schuldigkeit thut, undt gibt eine solche ruhe im gewißen, daß diß schon eine sattsame recompens ist. Mein eygenli[e]b ist zu groß, liebe Louisse, abgeschmackt zu finden, daß Ihr mich lieb [habt.] Indifferenten, wie Ewere frantzösche jungfer ist, daß ist gantz waß anderst. Aber wir konnen sagen, wie in Atis[13] stehet: Le sang et t’amitié nous unissent tout[14] deux. Also ist Ewere comparaison gar nicht just, liebe Louisse! Den nahmen von Chamier kenne ich gantz undt gar nicht. Abbe Dubois ist selber zu interessirt, umb jemandts guts zu thun. Der junge Frantzoß ist nicht woll adressirt, umb seine fortune zu machen. Man hatt ein frantzosch sprich[wort,] so auß einer fabel gezogen worden, so mir einfählt auff daß, so man gesagt, daß der könig in Englandt der printzes von Wallis schonne spitzen solle geschenckt haben: La fromy[15] n’est pas presteusse undt Il est comme l’arb[a]lestre de Coignac dure la deserre;[16] den ich höre nie, daß dießer könig viel pressenten gibt. Er hatt meinem sohn we[i]n geschickt, aber keine pferdt, noch hundt. Daß were meinem sohn auch gar unnohtig; er liebt die jagt nicht zu allem glück vor ihm; den wen er sie liebte, hette er jetz[t] der zeit nicht, zu jagen. Ich weiß nicht, wie er seine abscheüliche arbeydt außstehen kan; ich würde ahn seinem platz alle gedult verliehren. Er ist[17] selten zu mittag undt arbeyt offt ohne relache von halb 6 morgendts ahn biß 9 uhr in der nacht undt ist doch lustig darbey, ich kans nicht begreiffen. [256] Mich wundert mich, daß man Eüch nicht auß Englandt geschrieben, wie hart man mitt dem freulen Gemingen umbgangen ist. Ich konts ohnmoglich außstehen, zu leben, wie man in Englandt lebt; daß spätte eßen wurde mich baldt kranck machen; wundert mich nicht, daß es dem graff Degenfelt nicht gefelt. Aber seine gemahlen solte ich meinen, daß sie es von kindtsbeinen auff gewohnt seye, weillen sie ja eine Engländerin ist. Ich sehe die bähren nicht ungern dantzen; mitt den Poln vorm jahr wahren etlich hir, ich sehe etlich hir. Daß erinert mich ahn eine possirliche historie, die eine fille de qualité vom hauß La Force hir erdacht; sie ist lang bey hoff gewest, war freüllen bey madame de Guise. Ein conseillers-sohn, so gar reich war undt monsieur de Briou hieße, wurde verliebt von mademoiselle de La Force undt heürahte sie wider seines vatters willen. Der vatter wolte den heüraht brechen undt verbatt[18] seinen sohn, die dame zu sehen, noch einig commerce mitt seiner fraw zu haben. Die bestach einen drumpetter,[19] solte ihrem man nur sagen, daß, wen er bären sehen würde undt der drumpetter ein sonderliche fanfare blaßen, solte er geschwindt herundter zu den beeren gehen, so in seinem hoff dantzen würden. Dieße dame hatte sich in eine bährenhautt nehen laßen. Wie daß zeichen geben wahrt, nahm monsieur de Briou urlaub, die bähren dantzen zu sehen. Da kam der bähr, so seine fraw war, zu ihm undt sprachen lang mitt einander gerett; man hatt gemeint, er hette daß thier so daß, wie er gar zahm war, ihn alß hette caressiren.[20] So ein einfall, alß dießer ist, habe ich in keinem roman gefunden.[21] Ich kan nicht glaube[n], daß Coubert[22] viel eintregt, ist kein schönner ordt, ich kene es woll, ich habe dort gejagt, ist nahe bey Grosbois. Ich kan nicht begreiffen, [257] wie alle gar junge leütte jetz[t] so gar kräncklich sein; mich deücht, zu meiner zeit war es nicht so undt junge leutte wahren frisch undt gesundt. Ich glaube, daß die ursach ist, daß zu meiner zeit die leütte offter in die lufft gingen undt sich mehr bewegten, alß man nun [thut], man spilten[23] undt sprang in den gärtten. Aber ich glaube, daß der graff von Hannaw nicht gar gesundt ist, da mags woll seine fraw dochter her haben. Ihr werdtet gar woll thun, der frischen lufft zu Geißenheim zu genießen, nichts ist beßer vor die gesundtheit. War[en] vor dießem risen in dem schonburgischen geschlecht? Da habe ich mein leben nicht von gehört. Aber ich bin woll Ewerer meinung, liebe Louise, daß man woll conserviren soll, waß alte sachen sein. Wen ich konte, müste ich lachen, daß Ihr noch ein becher habt von könig in Englandt, wie er ein kindt; damahlen war er nicht karg, gab gerne weg. Es ist nicht, umb die genereusse zu agiren, aber ich kan nicht begreiffen, welche lust es ist, gar karg zu sein. Es sicht nicht darnach auß, daß dießer könig diß jahr nach Hannover wirdt. Der könig solle doch den Pirmonter sauerbrunen hoch von nöhten haben undt übel außsehen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Ich muß mich heütte früher ahnthun, alß ordinari, umb früher in kirch zu gehen, damitt alles fertig mag sein, wen madame de Berry ahnkommen. Die hatt sich heütte bey mir zum mittageßen gebetten; es wirdt aber schlegt hergehen, den ich bin trawerig, wie schon gesagt. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Mai 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 253–257
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0913.html
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